71. Echt

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Langsam gehe ich auf das kleine Häuschen zu.

Der Ort hier ist seltsam und er erinnert mich irgendwie an Vormir, wo Clint und ich den Stein holten.

Ob ich gestorben bin?

Das habe ich mir immer ganz anders vorgestellt...

Plötzlich geht die Tür des Häuschens auf und jemand tritt heraus.

Stocksteif bleibe ich stehen.

Meine Unterlippe beginnt heftig zu zittern, während die Person langsam auf mich zukommt und mich in den Arm nimmt.

Unfähig etwas zu machen oder zu sagen, verharre ich einfach in meiner Position.

Ganz langsam schlinge ich schliesslich meine Arme um ihn und atme tief seinen Duft tief ein.

Und dann bricht etwas in mir...

Wie eine Ertrinkende klammere ich mich an ihn, fahre ihm durch sein prächtiges schwarzes Haar und starre in seine wunderschönen grünen Augen.

Mit beiden Händen umfahre ich sein Gesicht, zeichne die kleine Narbe an seiner Wange nach und sauge jedes Detail in mir auf.

«Bist du es wirklich? Bist... Bist du echt?», hauche ich, die Augen hoffnungsvoll und gleichzeitig ängstlich, davor enttäuscht zu werden, weit aufgerissen.

«Ich bin echt... Ich bin es... Ich bin hier... Ich bin hier...», murmelt er sanft und fährt mir durch mein langes weisses Haar.

«Oh Gott, Loki...», schluchze ich laut und werfe mich ihm erneut um den Hals.

Unzählige Tränen bahnen sich einen Weg über meine Wangen und hinterlassen nasse Flecken auf seinem Hemd.

Ich kann es einfach nicht glauben...

Es ist einfach zu schön, um wahr zu sein...

Sollen wir nach all den Jahren endlich wieder vereint sein?

Ich wünsche es mir so sehr...

«Bin ich tot?», frage ich schliesslich.

Langsam lässt Loki von mir ab und blickt mir tief in die Augen, wobei er weiter zart meine Wange streichelt.

Jedoch legt sich ein Schatten der Trauer über seine ausdrucksstarken Augen.

Sofort beginne ich hilflos meinen Kopf zu schütteln und blicke ihn flehend an, flehend es nicht zu sagen.

Jedoch öffnen sich seine warmen Lippen trotzdem und er flüstert kaum hörbar: «Deine Zeit ist noch nicht gekommen, Raven. Du wirst noch gebraucht. Es tut mir leid...»

Ein lautes Schluchzen entfährt mir und frische Tränen kommen hoch.

Auch Lokis Augen werden feucht und schon bald kauern wir fest aneinander geschmiegt auf dem Boden.

Meine Finger sind fest in sein Hemd festgekrallt, so als könnte ich damit das Unvermeidliche verhindern.

Jedoch spüre ich trotzdem nach einiger Zeit, wie ich langsam aufzuwachen drohe.

Ich kämpfe dagegen an, doch ich habe keine Chance.

Uns bleibt nicht mehr viel Zeit...

Plötzlich fällt mir wieder etwas ein.

«Ich habe es getan... Ich habe mein Versprechen gehalten... Ich habe ihn besiegt... Ich habe ihn getötet...», murmle ich leise, während mein Blick über ihn huscht und ich versuche jedes noch so kleine Detail in mich aufzusaugen.

«Ich weiss... Ich weiss... Ich liebe dich Raven. Vergiss das niemals...», antwortet er mit diesem wunderschönen Lächeln, das nur ich aus ihm herauskitzeln konnte.

Sanft lege ich meine Stirn an seine und erwidere heiser: «Ich liebe dich auch Loki... Das werde ich immer...»

Und mit diesen Worten verschwimmt alles vor meinen Augen.

Nur seine strahlenden Augen blicken mich noch immer an, bis auch diese langsam verblassen...

Als ich die Augen öffne und in einem sterilen Raum wieder zu mir komme, fällt es mir endlich ein.

Das Haus, aus dem er gekommen ist...

Es war unser Haus...

Shadow and Ice: Der Tod als Begleiter (Loki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt