Shadow and Ice: Der Tod als Begleiter (Loki ff)

72. Tote Augen

Eine Woche später:

Seit drei Tagen bin ich jetzt aus dem Spital heraus und bei Clint und seiner Familie zu Hause.

Dort bleibe ich vorübergehend, bis ich wieder in den Avengers Compound ziehen kann, welcher gerade wieder aufgebaut wird.

Eigentlich wollte ich ja gleich wieder verschwinden, doch die anderen konnten mich dazu überreden, zumindest vorübergehend zu bleiben.

Das Aufwachen war schrecklich.

Nicht wegen der starken Schmerzen, sondern wegen den Erinnerungen.

Den Erinnerungen an ihn...

Ich weiss noch immer nicht genau, was das war und ich habe auch niemandem davon erzählt.

Auch nicht Bucky...

Übrigens wissen mittlerweile alle von Lokis Tod.

Thor hat es ihnen erzählt, denn ich selbst hatte keine Kraft dazu...

Sie haben mir alle ihr Beileid mitgeteilt, doch es war mir so ziemlich egal, denn ihre Worte bringen weder Loki wieder zurück noch helfen sie mir über seinen Verlust hinweg zu kommen.

Der Einzige, der mir zumindest ein wenig helfen kann, ist Bucky...

Er versucht nicht mit mir darüber zu reden, wie die anderen, sondern leistet mir einfach Gesellschaft oder lenkt mich ein wenig ab.

Jedenfalls waren die letzten Tage fürchterlich, da ich auf Entzug stehe.

Seit dem Kampf mit Thanos habe ich nichts mehr getrunken, da ich nicht will, dass mich Clints Kinder so sehen.

Sie sind zwar bereits um einiges älter, als sie es waren, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, aber trotzdem noch immer Kinder.

Auch jetzt sehe ich zwar nicht sehr gesund aus, vor allem nicht mit den starken Brandnarben, die sich über meinen ganzen rechten Arm erstrecken, aber sobald ich zu trinken beginne, sehe ich wirklich schrecklich aus.

Also habe ich mir bis jetzt erfolgreich vorgenommen, nicht zu trinken, bis ich umziehen kann.

Es fällt mir sehr schwer, vor allem, da ich überall seinen Umriss sehe oder seinen Duft aufschnappe.

Manchmal höre ich sogar seine Stimme, wie er mich übermütig aufzog oder laut lachte.

Erschöpft seufze ich und senke den Stift auf das, bis jetzt noch weisse Papier.

Gedankenverloren beginne ich zu zeichnen.

Seit Jahren habe ich das nicht mehr getan, doch seit dem Kampf gegen Thanos ist es das Einzige, das mir hilft, meine wirren Gedanken ein wenig zu ordnen.

Auf so gut wie allen Zeichnungen ist er zu sehen.

Manchmal eine Erinnerung, wie die von seinem Tod, welche ich wohl bereits über fünf Mal gezeichnet habe oder auch ein glücklicher Moment mit ihm.

Viele zeigen auch noch Bucky oder ihn und mich gemeinsam.

Nicht mehr lange und ich habe seinen gesamten Lebenslauf mit mir und unserem besten Freund aufgezeichnet.

Heute ist es jedoch einmal eine andere Zeichnung.

Es ist das erste Mal, dass ich es zeichne...

Nach einigen Stunden bin ich fertig und zufrieden.

Trotzdem betrachte ich es traurig.

Es zeigt, wie er vor mir kniet und eine Schatulle mit einem Ring in der Hand hält.

Der Tag an dem er mir den Antrag machte...

Beinahe automatisch greift meine Hand unter meinen Pullover und fährt über die Ringe an Buckys Halskette, die ich noch immer trage und auch kein einziges Mal abgelegt habe, seit er sie mir geschenkt hat.

Nach kurzem Zögern hole ich einen bestimmten Pullover aus meinem vorübergehenden Kleiderschrank.

Es ist der, den ich damals mitgenommen habe, als ich vor den Avengers und Hydra floh.

Es ist seiner...

Kurz atme ich tief ein, doch sein Geruch ist schon lange verflogen.

Sanft entfalte ich den Pullover und hole daraus die anderen Zeichnungen hervor.

Ich will nicht, dass sie jemand findet...

Die anderen wissen auch nicht, dass ich das mache.

Leicht abwesend gehe ich die Zeichnungen durch.

Sie sind alle wunderschön geworden, doch...

Vorsichtig streiche ich mit meinen Fingern über seine Augen.

Wie damals, als wir uns kennenlernten, bekomme ich sie einfach nicht naturgetreu hin.

Sie wirken so leblos.

So als wären sie mit ihm gestorben...

Entschlossen raffe ich sie alle zusammen und verstecke sie wieder in dem Pullover.

Eilig versorge ich diesen zurück in den Schrank und werfe mich auf das weiche Bett.

Schlafen werde ich jedoch noch immer nicht können...