Kapitel 6 - Veilchen und Kakao (Teil 2)

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Thea

Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster. Die Bäume waren durch die Dunkelheit nur noch grob zu erkennen. Ich wusste nicht was ich machen sollte. Taylor hierherzu bringen war keine gute Idee gewesen. Ich hätte lügen und einfach wieder im Bett verschwinden können oder einfach einmal um den Block joggen, anstatt ihn mit an diesen Ort zu nehmen. Aber ein Teil von mir wollte, dass er es wusste. Mir ist klar, dass das Ganze nicht ganz ungefährlich ist, und das ich Angst im Dunkeln hatte, machte das Alles auch nicht gerade einfacher. Aber Angst vor gruseligen Menschen oder der Dunkelheit zu haben, fühlte sich normal an. Viele Menschen fürchteten sich davor und keiner würde mich dafür verurteilen.

Und an Tagen wie heute, wo mir alles zu viel wurde, war es mir lieber, wenn ich mich nur auf eine Sache konzentrierte. Und wenn es die Angst vor der Dunkelheit war. Der Rest war dann nicht mehr ganz so intensiv und sobald ich zu Hause war, war ich meistens so erschöpft, dass ich sofort einschlief.

Aber wie sollte ich das Taylor erklären? Darüber hatte ich nicht nachgedacht.

Ich wandte mich von dem Fenster ab und griff nach meinem Kakao. Barns hatte ihn genauso gemacht wie ich ihn liebte. Mit ganz viel Sahne, Streuseln, Marshmallows und Zimt. Er schmeckte genau richtig, aber er erinnerte mich auch an all die Nächte in denen ich ihn getrunken hatte. Ich spürte wie der Druck hinter meinen Augen anstieg. Bloß nicht weinen, dachte ich und konzentrierte mich stattdessen auf meine Atmung und das wärmende Gefühl des Kakaos in meinen Händen.

Plötzlich griff Taylor vorsichtig nach meiner Hand und drückte sie leicht. Eine stumme Aufforderung und ich sah auf. In Taylors Blick lag Sorge und Irritation, aber auch etwas das mir das Gefühl gab, dass er es verstand. Nicht alles vielleicht, aber auch nicht so wenig wie ich erwartet hatte.

„Ich" Ich räusperte mich „Ich komme manchmal hier her"

Taylor nickte langsam, während sein Blick durch den Raum glitt. An den zwei älteren Männern blieb er hängen, bevor er sich mir wieder zuwandte.

„Mitten in der Nacht?" fragte er leise. Ich wartete darauf, dass er weiter sprach. So etwas wie Bist du wahnsinnig? oder Was denkst du dir dabei?, aber er sagte nichts mehr.

Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern.

„Ich weiß nicht"

Jetzt musste Taylor grinsen, aber es wirkte nicht sehr überzeugend. „Du weißt nicht, ob du mitten in der Nacht in diese Bar gehst? Dann sollte ich mir vielleicht noch mehr Sorgen machen, als ich dachte"

Auch ich lächelte vorsichtig, aber nur kurz. Taylor hatte schon genug Stress. Und jetzt musste er sich auch noch über mich Gedanken machen.

„Du musst dir keine Sorgen machen" erwiderte ich schließlich und zog meine Hand aus seiner, um stattdessen nach dem Kakao zu greifen und einen großen Schluck zu trinken.

„Natürlich nicht" murmelte Taylor und sah auf seine Hände. Wir schweigen eine Weile, bis Taylor wieder das Wort ergriff. „Warum?"

Ich seufzte. Da war sie. Die eine Frage, bei der ich nicht wusste, wie ich sie beantworten konnte.

„Ich weiß nicht so genau. Das hat sich irgendwie so ergeben" unruhig rutschte ich hin und her und Taylor runzelte die Stirn.

„Manchmal kann ich nicht schlafen, ich weiß wirklich nicht wie ich es erklären soll, aber ich halte es dann einfach nicht in meinem Zimmer aus. Und dann gehe ich eben raus, und weil es langweilig war immer bei uns im Garten zu sitzen, bin ich angefangen rum zu laufen. Nicht weit!" fügte ich schnell hinzu, als ich sah wie Taylor blass wurde „nur bei uns im Blog. Irgendwann waren mehrere Leute unterwegs und ich wollte nicht, dass sie mich sehen, deshalb bin ich den kleinen Waldweg von gerade hoch gelaufen und hab die Bar hier gefunden. Damals war es noch Winter, deswegen war es total kalt, nur deswegen bin ich rein gegangen. Wirklich sonst hätte ich das nicht gemacht. Ich wollte mich nur kurz aufwärmen. Und Barns war total nett zu mir. Er macht diesen total leckeren Kakao, keine Ahnung was er da alles rein macht, aber da sind Streusel ... und Sahne und ... Marshmellos?" Ich war immer leiser geworden und sah Taylor überfordert an. Dieser sah wirklich total fertig aus. Er war total blass und angespannt. „Geht es dir gut?" fragte ich zögerlich und Taylor atmete einmal tief ein.

„Ja... ja. Gib mir nur einen Moment, um zu verdauen, dass meine kleine Schwester schon mindestens ..." Taylor rechnete im Kopf nach, und wurde - wenn möglich - noch ein Stück blasser „ein halbes Jahr alleine nachts durch die Gegend läuft, um in einer Bar Kakao zu trinken"

Ich nickte langsam. War wohl kein guter Zeitpunkt, um ihm zu sagen, dass das schon länger als ein halbes Jahr so lief. Taylor ließ den Kopf in die Hände sinken und stöhnte.

„Oh Gott, hast du eine Ahnung was alles hätte passieren können"

„Ich dachte es wäre besser, nicht darüber nachzudenken" versuchte ich es mit einem Scherz, aber Taylor hob nur ruckartig den Kopf und starrte mich an.

„T'schuldige" murmelte ich und senkte den Kopf. Ich weiß auch selber, wie verrückt sich das anhörte, aber das war der einzige Weg den ich gefunden hatte, um diese Nächte zu überstehen.

Schweigend trank ich meinen Kakao, während Taylor vor sich hin grübelte. Ich machte mir vor, dass er über das nächste Footballspiel nachdachte oder über Callie. Hauptsache nicht über mich. Schnell trank ich aus und wollte aus der Bank rutschen, um diesen unangenehmen Moment so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, aber Taylor hielt mich zurück. Langsam setzte ich mich wieder hin und sah Taylor abwartend an. Dieser musterte mich einen Moment, bevor er sprach.

„Warum kannst du nicht schlafen?" Ich biss mir auf die Lippe.

„Ich meine, man keine Ahnung" Taylor strich sich über den Nacken „Wenn ich nicht schlafen kann, drehe ich mich auf die andere Seite, und gut ist, aber das scheint bei dir ja keine Option zu sein, wenn du dafür lieber nach draußen gehst. Ich meine, ich habe dich noch nie freiwillig irgendwo hingehen gesehen, wo es dunkel ist. Wovor also hast du mehr Angst als vor der Dunkelheit?"

Ich zögerte. Ich wollte nicht darüber reden. Das Ganze war mir so unangenehm, ganz zu Schweigen von der Tatsache, dass ich selbst nicht einmal verstand, was genau mich immer wieder wachhielt.

Taylor seufzte und nickte, bevor er sich aus der Bank schob und mir eine Hand entgegenstreckte.

„Na komm, wir gehen nach Hause" murmelte er und ich ließ mir erleichtert auf helfen. Den Rückweg brachten wir schweigend hinter uns. Erst als ich mich auf mein Bett setzte, um meine Schuhe auszuziehen, kam Taylor noch einmal in mein Zimmer. Er setzte sich neben mich auf die Bettkante und ich sah ihn nervös an. Ich hatte so eine Ahnung, was er sagen wollte, und das gefiel mir gar nicht.

„Hör mal, ich weiß das du das Ganze nicht ohne Grund machst, aber ich will nicht, dass du nachts alleine durch die Gegend läufst"

Ich spürte wie sich Panik in mir ausbreitete. Ich brauchte das. „Bitte, Taylor, du darfst mir das nicht verbieten, ich ..." stotterte ich.

„Ich weiß" unterbrach Taylor mich „du würdest das nicht machen, wenn es anders gehen würde, aber wir werden einen anderen Weg finden müssen, weil das hier keine Option ist"

Ich wollte gerade protestieren, als Taylor fortfuhr. „Und bis wir was gefunden haben, kommst du zu mir, ok?"

Irritiert sah ich Taylor an. „Wie meinst du das?"

„Wenn du mitten in der Nacht durch die Gegend rennen musst, um deine Ruhe zu finden, dann ist das so, aber das wirst du nicht alleine machen. Und das meine ich wirklich ernst, wenn ich noch einmal mitbekomme, dass du dich mitten in der Nacht rausschlichst, bekommst du Hausarrest bist du volljährig bist. Alsooo ... wenn wieder eine dieser Nächte ist, dann kommst du zu mir, und ich begleite dich"

Wie in Trance nickte ich und Taylor drückte mir einen Kuss auf das Haar, bevor er aufstand. Er wollte mich begleiten? Ich hatte mit vielem gerechnet, aber ganz sicher nicht damit.

„Taylor?" Taylor drehte sich noch einmal um, und ich biss mir auf die Lippe. "Danke!"

Mit einem Lächeln schloss Taylor die Tür.


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