Taxi

2.2K 359 21
                                    

Drei Wochen später hat sich der Alltag einer Fernbeziehung wieder sehr gut eingeschlichen. Zwar telefonieren Harry und ich sehr viel, doch es ist nicht das Gleiche. Er fehlt mir und zwar heftig. Fast scheint es so, als wenn es mich von innen zerreißt, doch ich bin machtlos dagegen. Der nächste Besuch ist noch nicht geplant und so kann ich nur von einem Tag zum nächsten leben und meinen Lockenkopf dabei unglaublich vermissen.  Die Arbeit lenkt mich dabei gut ab. Ich lebe quasi im Büro, was Liam überhaupt nicht gefällt. Meiner Mutter ebenso wenig. Jede Begleitung die Ansteht reiße ich mir unter den Nagel, nur, damit ich nicht vor meinem Schreibtisch sitze und auf mein Handy starre und warte, bis Harry wach wird oder Feierabend hat.

Natürlich muss es am heutigen Tag regnen. Und wenn ich regnen sage, meine ich nicht diesen Pisselregen, der einen die Haare kräuseln lässt, sondern richtigen Regen. Dicke Tropfen, die die Straßen binnen Minuten unter Wasser setzen und die Kleidung sofort durchgeweicht ist, trotz Regenschirm.
Das Shooting, bei welchem ich eben war, hat in einem Gebäude nahe des Flughafens stattgefunden und auch wenn die Models ihren Job wirklich gut gemacht haben, bis ich alles andere als zufrieden.
Ich verfluche mich dafür, dass ich nicht mit dem Auto gekommen bin und als mein Schirm von einer Windböe erfasst wird, nach oben klappt und somit kaputt geht, möchte ich mich einfach nur schreiend in eine Ecke verkriechen. Ein Taxi bekomme ich auch nicht. Hier fahren einfach keine herum, was mich stark wundert und weil es das Leben heute richtig gut mit mir meint, habe ich keinen Akku mehr, damit ich mir ein Taxi rufen kann.
Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mit der Straßenbahn zum Flughafen zu fahren und mir dann von dort ein Taxi zu nehmen. Theoretisch kann ich auch mit der Straßenbahn nach hause fahren, aber dann müsste ich sieben Mal umsteigen und darauf habe ich wenig Lust.

Noch immer prasselt der Regen auf mich herab, als ich das Flughafengebäude verlasse und durch bin bis auf die Knochen. Zudem hat es in der Bahn nach Erbrochenen gerochen und ich glaube, mein Tag kann nicht mehr schlimmer werden. Ich will einfach nur noch nach hause in meine Badewanne.

Zielsicher steuere ich ein Taxi an, welches neben unzähligen anderen Wagen in einer Reihe steht und auf die Gäste wartet. Die nassen Haare wische ich mir aus dem Gesicht, als ich nach der Türklinke greife und sich im gleichen Moment eine zweite Hand dazu gesellt.
"Entschuldigen Sie, aber wir haben es eilig", erklingt eine Stimme und ich zucke zusammen.
Was?
Moment!
Ruckartig schießt mein Kopf in die Höhe und mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. Dem Mann neben mir geht es nicht anders und im ersten Moment stehen wir uns mit offenen Mund gegenüber, bis mein Gehirn endlich wieder richtig arbeiten kann und das Leben in meinen Körper zurückkehrt.
"Harry?".
Vor mir steht mein Lockenkopf.
"Was machst du denn hier am Flughafen?", will er ungläubig wissen, zwinkert mehrere Male, ehe er sich berappelt und mich überschwänglich in seine Arme zieht.
"Oh Gott, Harry", verlässt es hauchend meinen Mund, während ich mich dicht an ihn drücke, meine Hände in seine Jacke kralle und nicht glauben kann, dass er wirklich hier vor mir steht.
"Ich will euch ja nicht unterbrechen, aber falls ihr es nicht bemerkt haben solltet- es regnet!".
Sofort schießt mein Kopf zur Seite und ich erblicke Niall, welcher mit einem Regenschirm in der Hand neben uns steht und uns schief angrinst. "Nur so nebenbei bemerkt", lacht er und öffnet den Kofferraum des Taxis, damit er seinen und Harrys Koffer hineinpacken kann.
"Ich - was?", lachend versuche ich das Chaos in meinem Kopf zu ordnen, doch es gelingt mit nicht wirklich. Harry zieht mich wieder an sich, umfasst mein Gesicht mit seinen Händen und küsst mich.
Ich vergessen die Welt um mich herum, der Regen wird zur Nebensache. Alles was jetzt wichtig ist, ist mein Lockenkopf und seine wundervollen Lippen.
"Leute, im Ernst. Es ist nass und kalt".
Leise lacht Harry, gibt mich wieder frei und nickt in Richtung des Wagens.
"Willst du mitfahren?".

"Und da haben wir uns einfach in den Flieger gesetzt und sind hergeflogen", beendet Niall die Gesichte, warum sie hier sind und sieht uns grinsend vom Beifahrersitz aus an.
Harry und ich haben uns auf die Rücksitzbank gekuschelt, während der Taxifahrer den Wagen zu meiner Wohnadresse bringt.
"Wir wollten dich eigentlich überraschen", haucht Harry leise, drückt meine Hand ein wenig fester und lächelt liebevoll.
"Stattdessen hast du mir mal wieder das Taxi geklaut", stelle ich lachend fest und kuschele mich enger an ihn, da die Kälte sich in meinem Körper immer mehr ausbreitet. Ich muss dringend in trockene Kleidung. "Wie lange bleibt ihr?".
Voller Hoffnung sehe ich meinen Freund an, doch bevor er antworten kann, schaltet Niall sich erneut dazwischen. "Ich bleibe fünf Tage, Harry weiß es noch nicht".
Überrascht sehe ich meinen Freund an, der mich allerdings wieder nur liebevoll anlächelt und mich damit zu Wachs werden lässt.
"Ich habe mir zwei Wochen freigeschaufelt. Und dann gucke ich, was für Aufträge reinkommen. Vielleicht kann ich drei Wochen draus machen."
Das wäre wundervoll.
Drei ganze Wochen mit Harry an einem Stück. - Mein Herz explodiert gleich.
Glückselig stibitze ich mir einen kurzen Kuss, ehe ich aus dem Fenster schaue und irritiert meine Stirn in Falten ziehe. "Wir sind hier falsch", stelle ich fest, will mich an den Fahrer wenden, doch Niall geht wieder dazwischen. "Nein, wir sind hier schon richtig."
Ich kenne die Gegend. Sehr gut sogar.
"Du glaubst doch nicht, dass ich bei euch schlafe, wenn ihr euch mehrere Wochen nicht gesehen habt. Sorry, Louis, aber ich habe keine Lust darauf euch nackt in der Wohnung zu sehen und meine Ohren wollen euch auch nicht die ganze Zeit hören, wie ihr es miteinander treibt wie die Karnickel."
Schmunzelnd verdrehe ich die Augen und lache dann leise auf, als mir klar wird, wo Niall schlafen wird.
"Und du denkst bei Liam und Zayn ist das besser?".
Der Ire nickt. "Liam meinte, ich kann gerne bei ihnen schlafen. Sie haben ein Gästezimmer und ich sei gerne willkommen". Grinsend beiße ich mir auf meine Unterlippe. "Falls du es dir anders überlegen solltest, biete ich dir gerne meine Couch an. Sie ist wirklich sehr bequem".
Niall sieht mich irritiert an, aber ich sage mal lieber nichts dazu. Er wird schon früh genug merken, dass es bei Liam und Zayn vermutlich schlimmer sein wird, als bei Harry und mir.
Wir können uns zumindest zusammenreißen.

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt