Es war, als wir uns kennengelernt haben...

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Nach dem Frühstück gehe ich in das Badezimmer, um zu duschen. Harry will freiwillig den Tisch abräumen und das nehme ich natürlich gerne an. Als wenn ich nein sagen würde, wenn jemand freiwillig bei mir aufräumen will. Wie dumm wäre ich denn?
Meine Klamotten in denen ich geschlafen habe finden ihren Weg in meinem Wäschekorb. Ein hässlicher, brauner, geflochtener Korb, den ich mal von Liam bekommen habe, da dieser ja ach so stylisch ist. Ich konnte es damals nicht übers Herz bringen ihm zu sagen, wie hässlich dieses Ding ist, da er so sehr davon überzeugt war. Seit dem steht das Ding in meinem Badezimmer, erfüllt seinen Zweck und erinnert mich immer an Liams schlechten Geschmack. Zumindest was Deko angeht.

Mit geschlossenen Augen stehe ich wenig später unter meiner Dusche, genieße die Wärme und lasse meine verspannten Muskeln knacken. Mehrere Minuten stehe ich einfach regungslos da, genieße die leichte Massage des Wasserstrahls auf meinen Schultern, als sich plötzlich die Duschkabine öffnet und Jemand zu mir unter die Dusche steigt. Naja, nicht Jemand - Harry.
Seine Arme schlingen sich um meinen Oberkörper, sodass ich seinen Oberkörper an meinem Rücken spüren kann. Lächelnd greife ich nach seinen Händen, schiebe meine Finger zwischen seine und lasse diese dann auf meinem Bauch ruhen. Ein Kuss wird auf meine Schulter gehaucht, als ich Harrys nasse Haare auf meiner Haut spüre.
"Ich kann mich noch sehr genau an unser erstes, gemeinsames Duschen erinnern", haucht er, seine Stimme leise und rau. "Es war, als wir uns kennengelernt haben. Damals, nachdem wir in der Bar waren und du mich abgeschleppt hast". Empört öffne ich meine Augen und drehe mich in Harrys Armen um. "Also wenn, dann hast du mich abgeschleppt". Harry schmunzelt, legt eine Hand auf meinen Hals und neigt seinen Kopf. "Ich kann mich eigentlich noch sehr gut daran erinnern, dass der erste Kuss von dir aus begann." Ich öffne meinen Mund, möchte protestieren, gestehe mir dann aber ein, dass ich noch immer kaum eine Erinnerung an diese Nacht habe. Ich habe noch immer keinen blassen Schimmer, wie es damals dazu kam, dass Harry und ich in New York gemeinsam im Bett gelandet sind.
Mein Lockenkopf sieht mich amüsiert an, weiß ganz genau, dass ich mich nicht erinnern kann.
"Du warst damals so verkrampft. Du hast dir dein hübsches Köpfchen mit so vielen unnötigen Dingen zerbrochen." Nickend stimme ich zu. Zu genau erinnere ich mich daran, wie überfordert ich am nächsten Tag mit der Situation war. Mit Harrys offener und direkter Art und allgemein mit der Tatsache, dass ich an meinem ersten Abend in New York gleich einen One-Night-Stand hatte.
Wir schauen uns in die Augen, verlieren uns in den Moment und ich merke, wie mein Herz kräftiger schlägt. Ich schmiege mich enger an ihn, spüre seinen Körper und liebe das Kribbeln, welches sich sofort ausbreitet. Ich liebe es, wie ich auf ihn reagiere.
Seine grünen Augen scheinen mich zu verschlingen, scheinen in meine Seele und mein Herz schauen zu können, sodass es mir etwas Angst macht, wie intensiv dieses Gefühl ist. Wie intensiv meine Liebe zu diesem Mann ist.
Doch als Harry mich dann küsst, ist die Angst verflogen und ich genieße sehnlich diesen zarten Kuss.

Unseren restlichen Tag verbringen Harry und ich auf dem Sofa.
Wir stopfen ungesundes Essen in uns rein, schauen einen Film nach den anderen und lassen eine harmlose Kuscheleinheit vielleicht ein, oder zwei Mal ausarten.
Es ist unser letzter Tag zusammen, unsere letzte gemeinsame Nacht, was wir jedoch gekonnt verdrängen. Keiner von uns erwähnt auch nur mit einer Silbe den morgigen Tag. Wir genießen die letzten Stunden, die wir zusammen haben.

Leider kommt der Abend schneller als uns lieb ist und so gehen wir gegen 23 Uhr in mein Bett, kuscheln uns eng aneinander. Erst als Harry seinen Handywecker stellt, damit er früh genug aufsteht und seinen Koffer packen kann, realisieren wir den Ernst der Lage. Plötzlich scheint es, als wenn Harry mit dem Griff nach seinem Handy das Unausweichliche an die Oberfläche geholt hat.
Ein Seufzen verlässt seinen Mund, als er sich wieder in die Kissen legt und mich fest an sich zieht. Er küsst mich, intensiv und verzweifelt. Sehnsucht breitet sich in mir aus. Sehnsucht, nach diesen unbeschwerten Tagen und mit einem Mal trifft mich ein anderes Gefühl. Trauer mischt sich in meinen Körper. Trauer, Sehnsucht und die Einsicht, dass ich viele einsame Stunden haben werde.
Sechs Wochen werden wir uns nicht sehen. Sechs Wochen, die ich ohne Harry schlafen werde, ihn nicht mehr küssen kann und nicht mehr den lieblichen Duft in meinem Bett rieche.
Harrys Kuss nimmt noch einmal an Intensivität zu. Fast schon verzweifelt krallt er sich an mir fest, scheint die gleichen Gedanken zu haben wie ich und so ist es auch unausweichlich, dass wir uns erneut hingeben, erneut unsere Liebe zeigen, wohlwissend, dass es das letzte Mal für mehrere Wochen sein wird.

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt