Guck nicht so.

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Leider vergehen die letzten Tage bei Harry viel zu schnell und wieder einmal ist der Abschiedsschmerz am Flughafen grauenvoll. Es scheint gar so, als wenn es jedes Mal schlimmer wird und ich will mir nicht ausmalen, wie es beim nächsten Mal wird.
Meine darauffolgende Woche in Rom ist Gott sei Dank so vollgepackt mit Arbeit, dass ich kaum dazu komme Harry zu vermissen und wenn meine Gedanken am Abend dann doch zu ihm schwenken, schaffen wir es mehrmals in dieser Woche zu telefonieren. Trotzdem hätte ich ihn gerne bei mir, aber gut - das Leben ist eben kein Wunschkonzert.

Vollkommen ausgelaugt komme ich nach meinem Aufenthalt in Rom in London an, bin genervt und muss dringend mit meiner Mutter reden. Die Models, welche sie nach Rom geschickt hat, haben von mir schon ein paar Takte zu hören bekommen, aber meine Mutter muss es auch nochmal ansprechen.
Immerhin ist sie die Chefin.
Und nur, weil man einen Auftrag bekommen hat, kann man sich nicht aufführen wie Naomi Campbell. Meine Güte, gerade nicht als Newcomer. Ich habe am Gesicht des Auftraggebers gesehen, dass er diese Mädchen definitiv nicht wieder buchen wird und vermutlich haben die drei Damen mit ihrem ignoranten, zickigen Verhalten ihre Karriere beendet, bevor sie überhaupt angefangen hat.

"Louis".
Winkend macht Liam auf sich aufmerksam, als ich den Terminal durchquere und nach ihm Ausschau halte. Natürlich holt er mich wieder vom Flughafen ab. Das macht er jedes Mal und dafür bin ich ihm unendlich dankbar.
"Li, danke", entgegne ich, während ich ihn in eine dicke Umarmung ziehe und ihm anschließend auf die Schulter klopfe. "Und nochmal Glückwunsch zur Verlobung".
Mein bester Freund strahlt wie ein Honigkuchenpferd und steckt mich damit an. "Wurde auch langsam mal Zeit", schiebe ich hinterher und boxe ihm spielerisch in die Schulter.
"Wieso höre ich das von allen?". - "Vielleicht, weil nicht nur Zayn seit Jahren darauf wartet?".
Wir hatten untereinander schon die Befürchtung, dass der arme Zayn den Antrag selbst machen muss, was, nebenbei bemerkt, vermutlich bald der Fall gewesen wäre.
Während wir zum Parkhaus schlendern, legt mein bester Freund grinsend den Arm um meine Schulter und mustert mich mit seinem typischen Grinse-Blick.
"Und? Wie war es bei deinem Loverboy?".
Genervt verdrehe ich meine Augen. "Er ist nicht mein Loverboy.". Wie ich dieses Wort hasse. Als wenn Harry so ein Spielzeug wäre.
Dabei ist er so viel mehr als das. Viel, viel mehr.
"Ist ja gut. Wie war es denn?".
Sofort muss ich lächeln, als ich an die Zeit bei meinem Lockenkopf denke. Es war nicht einen Moment unangenehm, bis auf die Tatsache, dass da dieser komische Typ war. Aber von dem haben wir bis zu meinem letzten Tag nichts mehr gehört.
"Bis auf meine Ankunft war alles einfach nur toll."
Liam sieht mich skeptisch an und ich beginne ihm von diesem Pavianarsch zu erzählen. Wie ich geklingelt habe und er da stand, wie ich Niall getroffen habe und dann das Verhalten dieses Blödmannsgehilfen. Und natürlich von dem Abschiedsbrief.
"Meine Güte... Da hat unser Harry ja nicht nur dir den Kopf verdreht, was?".
Erneut verdrehe ich meine Augen, muss dann aber lachen, als mein bester Freund mir die Zunge heraussteckt und einmal zwinkert. "Nur gut, dass er sich für dich entschieden hat. Du bist definitiv die bessere Wahl."

Während der Fahrt wird es still im Wagen. Müdigkeit ummant mich und auf einmal fehlt mir mein Freund unheimlich. Wie schön es doch wäre, wenn ich jetzt nach hause komme und er dort auf mich warten würde.
Mein Herz wird schwer bei dem Gedanken, dass wir uns erst in wenigen Wochen wieder sehen. Zwar meinte Harry, dass er nach London kommen wird, sobald ich aus Rom zurück bin, aber so schnell wird das nicht klappen. Ich habe seinen Terminplaner gesehen und dieser erlaubt es frühestens in drei Woche.
Drei verschissen lange Wochen.
Wie soll ich die überleben?
"Guck nicht so".
Erschrocken zucke ich zusammen und sehe zu Liam, der mich mit einem mitleidigen Blick mustert, ehe er wieder auf die Straße schaut.
"Ihr werdet sehen, dass die Zeit bis ihr euch wieder seht viel schneller umgeht als gedacht."
Trotzdem werde ich ihn vermissen. Gerade nachts, wenn ich schlafen will und mein neuer Lieblingsplatz doch eigentlich seine Brust ist. Er ist das perfekte Kissen, welches einem auch noch solange den Nacken krault, bis man eingeschlafen ist.
"Habt ihr mal darüber gesprochen, wie es mit der Entfernung weiter gehen soll?", will Liam vorsichtig wissen, als er das Auto vor meinem Wohnhaus parkt und mich ansieht.
Unbeholfen zucke ich mit meinen Schultern. "Am Anfang, aber da habe ich ja alles abgeschmettert, weil wir zu weit voneinander entfernt wohnen. Seit dem haben wir nicht mehr darüber gesprochen."
Ich kann mich noch genau an meine Gedanken erinnern und auch jetzt weiß ich nicht wie es klappen soll. Immerhin habe ich mir mein Leben hier in London aufgebaut, habe hier meine Freunde, meine Eigentumswohnung, meine Familie und Harry, Harry hat das alles in New York. Ich kann nicht von ihm verlangen das alles für mich aufzugeben und auch er wird es nicht von mir verlangen, das weiß ich.
Natürlich könnte ich hier alles stehen und liegen lassen und einfach zu ihm ziehen. Arbeiten kann ich auch von da, aber - ich lebe so gerne hier. Ich mag London und liebe es, meine Freunde um mich zu haben, auch wenn ich denen das manchmal nicht so wirklich zeige.
"Früher oder später müsst ihr aber eine Lösung finden".
Trostlos nicke ich. "Das weiß ich".
Nur wie diese Lösung aussehen wird weiß ich nicht.

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt