still the one

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Wo zur Hölle konnte er sein?

Ich hatte keine Anhaltspunkte.

Louis antwortete mir nicht mehr.

Die Nachrichten kamen nichtmal an.

Und das machte mir verdammt Angst.

Was wenn ihm was passiert war?

Was wenn er irgendwo ganz alleine war und mitten in der Panikattacke etwas dummes tat?

Was wenn er sich selbst wehtat?

Ich musste ihn finden.

Ich musste ihn finden, bevor es zu spät war.

Bevor irgendetwas passierte.

Also fuhr ich, fuhr an ein paar Stellen vorbei, an denen er sein könnte.

An der Schule.

Am Fußballplatz.

An der Mittelschule seiner Schwestern.

Am Fluss vorbei.

Am Park vorbei.

Aber nirgendwo war Louis.

Nirgends.

Aber er könnte überall sein.

In den Straßen.

Verdammt, es gab so viele Straßen in unserer Stadt.

Er könnte überall sein.

Ich würde ihn niemals finden.

Ich würde ihm niemals helfen können.

Ich würde ihm nicht sagen können, dass ich ihn liebe.

Und woran scheiterte es?

Weil ich ihm verdammt nochmal nicht geantwortet hatte?

Weil ich zu spät auf seine Hilferufe reagiert hatte?

Weil sein verdammtes Handy keinen Akku mehr hatte?

Weil ich ihn nicht fand?

Verdammt, ich musste ihn finden.

Sofort.

Sonst würde ich durchdrehen, noch mehr, als ich es so schon tat.

Ich würde es mir nie verzeihen, wenn etwas passieren würde, wenn ihm etwas passieren würde.

Aber ich fand ihn nicht.

Er war nirgends.

An keinem der Plätze, an denen er normalerweise war.

Und zuhause konnte er nicht sein.

Louis wusste immer vorher, wenn er eine Panikattacke bekommen würde.

Und dann verschwand er.

Er hatte mir das bei einem unserer letzten Treffen erzählt.

Er tat das, weil er nicht wollte, dass jemand ihn sah.

Vor allem nicht Lottie.

Lottie war anscheinend die Art von Schwester, die sich immer sorgte.

Und er wollte ihr nicht wehtun, indem er ihr zeigte, wie schlecht es ihm ging.

Ich hatte immer gewusst, was er damit gemeint hatte, aber verstanden hab ich es nie.

Gemma und ich waren ganz anders.

Wir erzählten uns alles.

Egal, wie schlecht es uns ging, wir redeten.

Wir verstanden uns.

Anders, als ich mich mit Louis verstand, aber wir verstanden uns.

Ich meine, wir waren zusammen aufgewachsen, hatten uns seit klein auf in und auswendig gekannt.

Aber bei ihnen war es anders.

Und ich wusste nicht, warum.

Louis Familie zeigte generell niemandem, wenn es ihnen schlecht ging.

Genau das hatte Louis mir erzählt.

Doch nie den Grund für diese Geheimniskrämerei innerhalb der Familie.

Aber das war jetzt auch nicht wichtig.

Ihn zu finden, war alles, was gerade zählte.

Ihm helfen zu können.

Ihn einfach fest in den Arm nehmen zu können.

Aber ich fand ihn nicht.

Er war wie verschollen.

Unauffindbar.

Ich fuhr seit 20 Minuten durch die Straßen und suchte nach ihm, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel.

Ein Ort war da noch.

Ein einziger.

Aber da würde er nicht sein, oder?

Er würde doch nicht während einer Panikattacke zu einem unserer Orte gehen, oder?

Er würde dort nicht sein.

Aber was hatte ich denn anderes übrig, als dort zu suchen.

Ich hatte fast die ganze Stadt nach ihm abgesucht, bis auf diesen einen Ort.

Überall hatte ich gesucht, nur hier nicht.

Also drückte ich heftig auf das Gaspedal und fuhr, so schnell es mein Auto erlaubte, die kleine Landstraße hinunter.

Es war nicht weit, doch es kam mir vor, wie eine Ewigkeit, bis ich endlich in den kleinen Weg einbog.

Von hier aus war es nicht mehr weit, aber ich konnte den Weg nicht mit dem Auto fahren, ich musste aussteigen und laufen.

Also griff ich mir mein Handy, meine Schlüssel und einen Pullover von mir, den ich auf dem Rücksitz liegen hatte.

Dank Louis lag immer ein Hoodie in meinem Auto.

Jedes mal, wenn ihm kalt geworden war, oder er einfach etwas gebraucht hatte, was da war, egal ob ich weg war, hatte er sich einen Pullover von mir genommen.

Mittlerweile hatte ich wahrscheinlich nur noch zwei oder so.

Aber das war mir egal.

Er konnte all meine Klamotten haben, wenn er wollte.

Egal, was er haben wollte, er sollte es bekommen.

Er verdiente verdammt nochmal alles.

Er verdiente alles, was er haben wollte.

Er war so ein wunderbarer Mensch.

Ein wunderbarer Mensch, der unbedingt hier sein musste, weil ich sonst keine Orte mehr wusste.

Weil ich nicht mehr wusste, wo ich sonst suchen sollte.

Wenn er nicht hier war, dann würde ich ihn vermutlich nie finden.

Verdammt, er musste einfach hier sein.

Ich schlug die Tür zu und stiefelte durch den matschigen Weg, der in Richtung des Sees führte.

Es wurde schon langsam dunkel, doch ich konnte noch gerade so sehen, wo ich hintrat.

Nach einem kurzen Weg kam ich also auf einem kleinen Platz an, in dessen Mitte ein kleiner Schuppen stand, bei dem Louis und ich uns neulich getroffen hatten.

Und tatsächlich, oben auf dem Schuppen zeichnete sich eine kleine, aber erkennbare Silhouette ab.

Louis.

Hidden TruthWhere stories live. Discover now