-57. Kapitel-

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Bild: Lieblinge und Feinde

Beim Abendessen löchern mich Mum und Dads Blicke. Und weil das ihnen nicht reicht, stellen sie zu zusätzlich unglaublich viele Fragen, die mich um den Verstand verbringen. Meine Antworten bestehen meistens aus zwei oder drei Worten oder aus einem einfachen Grummeln.

„Ich habe Xander lange nicht mehr gesehen. Ist alles in Ordnung mit ihm?", hakt Mum nun schon zum vierten Mal nach, nur formuliert sie die Frage jedes Mal anders. Dad sieht nicht hoch, trotzdem erkenne ich, wie seine Ohren immer spitzer werden.

„Ja." Schnell löffele ich meinen Teller leer, um den ganzen Fragen endlich ausweichen zu können. So unwohl habe ich mich ewig nicht mehr gefühlt. Da ist dieses komische Kribbeln im Magen, das meinen ganzen Körper zittern lässt, wenn ich nicht dagegen ankämpfe. Mein Kopf beginnt sich zu drehen und am liebsten würde ich meine Sachen packen und aus diesem Haus rennen und erst wieder kommen, wenn die beiden aufhören mit ihrem Interview.

Etwas zu ruckartig stehe ich auf, sodass mir kurz schwarz vor Augen wird und ich mich auf dem Tisch abstützen muss. „Ich gehe hoch. Muss noch was für die Schule machen." Meinen Teller stelle ich in die Spülmaschine. Den Blick meiner Eltern spüre ich stets auf mir.

„Lade ihn doch mal zum Abendessen ein! Wir würden uns freuen." Mum wischt ihren Mund an einer Serviette ab und sucht Zustimmung bei Dad, der lächelnd nickt. „Ich würde deinen Freund auch gerne besser kennenlernen."

„Ich werde ihn fragen." Dann bin ich weg. Unglaublich erleichtert bin ich, sobald ich meine Zimmertür schließe, mich von innen dagegen lehne und tief durchatmen kann. Ich schalte die kleine Lampe auf dem Schreibtisch an, schlage sicherheitshalber ein Buch auf, um das Ganze im Notfall verstecken zu können.

Aus einem Block reiße ich ein Blatt - ohne Linien - und beginne zu schreiben.

Hey Jacob,

du glaubst nicht, wie beschissen es mir gerade geht. Lawrence hat die OP überstanden. Er ist taub. Allerdings kommt er damit klar. Zumindest scheint das so. Das erklärt mir nicht, wieso er Xander von meinem Akt auf den Schienen erzählt hat, denn das sollte zwischen uns bleiben. Ich bin verdammt enttäuscht von ihm. Vielleicht bin ich es aber genauso von mir.

Ich will Xander nicht verlieren. Weiß aber nicht, was ich tun soll, denn nichts scheint angebracht. Schreiben oder anrufen will ich ihn nicht. Das ist unpersönlich. Und als wäre das nicht genug an Sorgen wollen Mum und Dad ihn zum Abendessen einladen. Momentan wächst mir alles über den Kopf hinaus. Ich wäre gern irgendwo ganz allein für ein paar Tage, dass ich über alles nachdenken kann, doch das werde ich nicht bekommen und es überfordert mich, dass ich keinen habe, dem ich vertrauen kann, bzw. keinen habe, dem ich vertrauen will.

„Kyla?" Verdammt Ich habe die Stufen nicht gehört. „Was machst du da?" Noch bevor ich reagieren kann, steht Mum neben mir. Sie wirft ein Blick auf den Zettel, verdreht die Augen und schüttelt den Kopf: „Er liest diese Briefe nicht, Kyla. Wieso hörst du nicht auf sie zu schreiben?"

„Ihr habt mir den ganzen Ordner weggenommen. Es kann euch ja wohl egal sein, was ich mache und was nicht." Ich drehe den Brief um, damit sie ihn nicht lesen kann und stehe von dem Stuhl auf. „Lass mich in Ruhe!"

„Ich dachte, du lässt es endlich sein, wenn alle Briefe weg sind. Das sollte ein Gefallen sein." Ihr Anblick erfüllt mich mit so viel Hass gegenüber ihrem Verhalten. Ihre Augen zeigen mir dasselbe Gefühl. Hass. Darin war sie schon immer talentiert. Seit seinem Tod ist das schlimmer geworden. Ich kam mir Tag für Tag wie eine Enttäuschung vor.

Vor Sarkasmus bricht meine Stimme: „Bitte?" Ich lache bitter auf und verdrehe die Augen: „Es wäre dir lieber gewesen, wenn es mich damals getroffen hätte. Du hast Jacob immer mehr geliebt. Er war perfekt, nicht?" Das letzte Wort betone ich besonders. Sie weiß, worauf ich es anspiele und rede ununterbrochen weiter: „Er hat dich zum Lachen gebracht. Er war derjenige, der lebensfreudig war. Er war der Mensch, der dein Leben erfüllt hat und ich war nur eine Nebenperson." Ich kann die Tränen nicht weiter unterdrücken.
Es schmerzt, dass sie genau wie ich weiß, dass das die Wahrheit ist.

Die Rose eines Lebens Where stories live. Discover now