-52. Kapitel-

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Bild: Drei gegen die Stille

Fassungslos stehe ich ihm gegenüber. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. Die Fähigkeit des Denkens scheint mich verlassen zu haben: „Wie meinst du das, du kannst nichts hören? Was ist passiert? Wieso meldest du dich verdammt nochmal nicht? Du liegst seit einer Woche hier, kannst nichts hören und denkst nichtmal dran, uns zu sagen, was passiert ist? Weiß du, wie wir uns gefühlt haben?" Ich schreie ihn an, gestikuliere mit meinen Händen in der Luft herum und ignoriere die Tränen, die sich in meinen Augen anstauen.

Wie ein kleines Kind sitzt er mir gegenüber in seinem Bett. Sein Blick wandert von meinem Mund zu meinen Augen und wieder zurück. Nicht wissend, was er tun soll, stützt er seinen Kopf auf seinen Handflächen ab und fährt sich durch die Haare.

„Du verstehst mich wirklich nicht", flüstere ich nach einer Weile und schlage mir die Hände vor dem Mund zusammen. Lawrence ist taub. In seinem ganzen Leben wird er nie wieder hören können. Nun bin ich es, die mit dem Kopf schüttelt. Mein Körper sackt kraftlos in sich zusammen. Vor seinem Bett hockend, versuche ich mich zu sammeln. Tatsächlich sind da wenig Gedanken in meinem Kopf. Da oben ist es wie leergefegt.

Lawrences Hand lässt mich aufsehen. Er hält mir einen Zettel entgegen, auf den er etwas geschrieben hat.

Es tut mir leid.

Weinend drücke ich das Papier an mich. Schwer atmend richte ich mich auf und umarme Lawrence. Das ist eine der stärksten Umarmungen, die ich je hatte. Ich kann spüren, wie nötig er es hat und wie sehnlichst ich mich danach gesehnt habe. Wir halten uns aneinander fest, als wären wir die Welt des jeweils anderen, die verschwindet, wenn man einen Finger rührt. Mit Xander fühlt es sich ähnlich an.

„Es tut mir auch leid", hauche ich, in dem Bewusstsein, dass er es nicht hören kann. Langsam löse ich mich von ihm und zwinge mich ihn anzulächeln. Ich wische ihm eine der Tränen weg. An meinem Finger fühlt sie sich an wie Feuer. Er sollte nicht weinen. Niemand sollte das.

Ich nehme ein neues Papier von seinem Nachttisch und schreibe darauf.

Ich mag dich, wie du bist. Taub oder nicht. Ich halte mir einfach die Ohren zu, dann finden wir eine Lösung wie wir miteinander kommunizieren.

Er grinst sobald er meine Worte liest. Mit seinen Lippen formt er ein „Danke".

Ich kann etwas Lippen lesen. Ich werde es lernen. Dann können wir fast normal miteinander sprechen.

Stolz schiebt er mir den Zettel rüber, woraufhin ich lachen muss. Ich bin davon überzeugt, dass wir das mit Bravur meistern werden. Lawrence ist einfach besonders. In wenigen Wochen wird das sicher kaum noch eine Rolle spielen.

„Hier bist du ja. Du hättest ruhig warten können." Xander steht in der Tür. Mit kleinen Schritten kommt er auf uns zu. Während dem Gehen, nickt er Lawrence zu. Mich wundert es, dass er nicht mit ihm spricht. Die beiden sehen sich an, als würden sie über Blicke miteinander kommunizieren.

„Er ist taub", flüstere ich, als mein Rücken zu Lawrence zeigt. Dass das Flüstern nicht nötig ist, fällt mir während dem Sprechen auf. Es ist so surreal, dass ich reden kann ohne, dass er es hört.

Xander nickt drei Mal und sieht gerade an mir vorbei, zu Lawrence, dessen Blick ich auf mir spüren kann. „Ich weiß. Er hat es mir geschrieben."

Perplex sehe ich ihn an. „Wie, er hat dir geschrieben?"

„Er wollte nicht, dass du ihn so siehst, also haben wir beschlossen etwas zu warten, bis er selbst sich daran gewöhnt hat. Sei nicht sauer. Für mich war es auch nicht einfach." Xander geht auf Lawrence zu und klatscht mit ihm ab. In den Augen meines besten Freundes kann ich Freude erkennen, denn anscheinend haben beide einen neuen Freund gefunden. Das muss der Grund sein, weswegen ich auch nicht eine Sekunde sauer oder enttäuscht bin. Die beiden haben das gemeinsam geplant. Tatsächlich ist es mir zu schade die gemeinsame Zeit damit zu verbringen aufeinander sauer zu sein. Lawrence hätte tot sein können.

Die Rose eines Lebens Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ