-45. Kapitel-

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Bild: Besonderer Tag ohne Geschenk

Xander fährt keine zwanzig Minuten später vor. Ich stehe an der Straße vor dem Krankenhaus und es fühlt sich noch immer falsch an, dass ich hier und nicht da oben bin. Lawrence hat darauf bestanden, dass ich zu Xander gehe und bei dem kleinen Disput hat Lawri letzten Endes gewonnen, denn ich steige in dieser Sekunde zu Xander in den Wagen.

„Hey, danke, dass du gekommen bist." Ich stelle den Rucksack vor mir im Fußraum ab und lehne mich zu ihm rüber, um ihm einen kurzen Kuss zu geben. Sein Parfüm schleicht mir in die Nase und lässt sofort ein wohliges Gefühl in mir aufkommen.

Dieses liebevolle Lächeln, lässt es mich etwas weniger bereuen, dass ich Lawrence zurückgelassen habe. Erst jetzt fällt mir auf, dass Xander ein weißes Hemd mit einer schwarzen Krawatte trägt. Dazu eine dunkle Jeans. Bisher habe ich ihn immer nur in Pullovern gesehen, sodass mir ganz warm wird, als ich ihn näher in Betracht nehme. Seine Haare sind etwas wirr, aber doch geordnet, gestylt.

„Wo warst du?", frage ich. Zuhause sitzt man ja für gewöhnlich nicht im Hemd, das ihm außerordentlich gut steht, auf dem Sofa.

„Nirgends. Die Jungs und ich wollen feiern gehen. Du solltest mitkommen, aber ich kann es verstehen, wenn du jetzt nicht mehr möchtest." Er fährt in Richtung meines Zuhauses. Ehrlich gesagt ist mir nicht nach feiern zumute. Lawri hat morgen einen wichtigen Tag und jetzt in einer Disco zu stehen, wäre nicht umbedingt das richtige. Anderseits vernachlässige ich Xander, wenn ich mir keine Zeit für ihn nehme, aber für Lawri schon.

Dass Xander sich wegen mir schlecht fühlt, will ich auf keinen Fall erreichen, also stelle ich mich nicht so an und werde mit ihm gehen. Lawrence wollte, dass ich Spaß habe, also wird er mir nicht sauer sein. Dann muss ich nur noch hoffen, dass Mum nichts dagegen hat. Ich war noch nicht gerade oft in einer Disco. Allerdings vertraut sie Xander und er ist ja dabei.

„Ich möchte mit", teile ich meinem Freund mit und schenke ihm mein schönstes Lächeln. Seine grünen Augen erhellen sich, während seine weißen Zähne zum Vorschein kommen.

„Cool. Ich warte im Auto."

*

In Windeseile hüpfe ich unter die Dusche, ziehe mir eine weiße Bluse mit einer schwarzen Hose an und versuche meine Haare einigermaßen ordentlich aussehen zu lassen. Für ein paar Locken reicht mir die Zeit nicht, denn Xander sitzt ohnehin seit 20 Minuten unten im Wagen.

Im Flur ziehe ich mir meine Jacke über. „Mum, ich gehe." Ich hoffe, dass wir nicht allzu lange bleiben. Mum hat mir gesagt, dass ich morgen daheim bleiben kann, um möglichst früh zu Lawrence zu können. Trotz dessen sollte es nicht allzu spät werden. Je länger man in einer Disco ist, desto betrunkener sind die Leute, die da sind. Zumindest habe ich das so gehört. Aus eigener Erfahrung kann ich nicht sprechen.

„Ich würde Xander gerne nochmal sehen." Sie kommt mit einer dampfenden Tasse Tee aus dem Wohnzimmer. Dad ist heute bei Freunden, wodrauf Mum verzichtet hat. Er würde das Ganze höchstwahrscheinlich nicht so eng sehen.

Seufzend packe ich meine kleine Tasche, in der nur mein Handy und etwas Geld stecken. „Mum..." Ich will nicht, dass sie nochmal mit Xander redet. Sie wird ihm vorhalten, dass er auf mich aufpassen soll, was totaler Schwachsinn ist, denn Xander ist nicht mein Babysitter. Er kann nichts dafür, wenn ich dummes Zeug tue und genauso wenig kann er verhindern, dass rein gar nichts passieren wird. Genau das müsste sie wissen, denn damals hätte sie besser auf Levi aufpassen müssen, dann wäre er noch hier. Das ist der perfekte Beweis dafür, dass man nicht alles verhindern kann.

Stöhnend öffne ich die Haustür und würde sie im nächsten Moment am liebsten wieder zuknallen. Xander lehnt rauchend an seinem Wagen. Mich stört es nicht. Keine Frage, aber die Person hinter mir weiß nichts davon und es geht sie auch gar nichts an, trotzdem stört es sie. Das Geräusch, das entsteht, als sie scharf die Luft einzieht, macht mir einiges klar. Ich rechne damit, dass sie mich zurück ins Haus zieht und mir den Kontakt verbietet. Ich rechne damit, dass sie zu ihm geht und ihn zur Rede stellt, doch sie tut weder das eine, noch das andere.

„Xander", ruft sie - nicht befehlend. In ihren Hausschuhen geht sie den Weg vor unserem Haus entlang und bleibt am Fußweg stehen. Eilig stapfe ich hinterher und bete, dass sie ihn nicht wegen der Kippe zwischen seinen Fingern ansprechen wird. „Wollt ihr das Auto nicht hier abstellen und mit dem Taxi fahren? Du möchtest doch sicher trinken? Ich gebe euch auch das Geld."

Okay, damit hätte ich nicht gerechnet.

„Nein, danke. Jayden will nichts trinken. Er wird zurückfahren", lehnt Xander ab. Der Zigarettenstummel fliegt auf den Boden. „Schönen Abend, Megan."

„Trinkt nicht so viel, okay?" Mum umfasst ihre dampfende Tasse fester und geht ein paar Schritte rückwärts.

„Keine Sorge." Damit setzt er sich zurück in den Wagen. Ich nicke Mum zu und gehe dann einmal um das Auto rum. Dort steige ich ein und winke ihr ein letztes Mal, bevor wir losfahren. Im Auto ist es kalt, aber gleichzeitig fühle ich mich wohl, denn ich bin mit Xander hier.

Ich verfolge die Häuser, die an uns vorbei rauschen. In einigen brennen Lichter. Andere sind total dunkel. In den meisten wohnen Menschen. Andere stehen zum Verkauf. In manchen sind glückliche Menschen. Andere sind traurig. Es gibt eine Vielzahl von Vergleichen und jeder ist anders. Wirklich jeder. Wenn man etwas drüber nachdenkt, sind aber alle gleich. Jeder hat die gleichen Chancen. Man muss sie nur nutzen. Es kommt immer drauf an, was man aus seinem Leben macht.

Ich hätte Levi ewig hinterher trauern können. Ich hätte abschließen können. Irgendwie habe ich beides nicht gemacht. Weder abgeschlossen, noch ständig getrauert. Aber eins habe ich getan. Ich habe weitergemacht und das sollte jeder tun. Egal, was kommt. Es hält nicht für immer an.

„An was denkst du?", fragt Xander mich, als wir vor Jaydens Haus anhalten.
Die Tür steht offen. Jeffs Wagen steht in der Einfahrt, was heißt, dass er auch mitkommen wird. Haben die sich wieder vertragen?

„Ich bin glücklich, dass du bei mir bist."

Er lehnt sich grinsend zu mir rüber und küsst mich auf die Lippen. Trauer verfliegt, Bilder werden geschossen, Worte gesprochen und Momente festgehalten. Ich war mir nie sicherer, dass ich ihn für immer in meinem Leben haben möchte.

„Küssen könnt ihr später!" Jayden reißt die Hintertür auf und schmeißt sich in den Wagen. Ruckartig fahren wir auseinander und sehen Jayden lachend an. „Jetzt wird gefeiert." Jeff stimmt grölend zu und wirft sich ebenfalls auf die Rückbank.

„Happy Birthday, Kumpel!", klopft ihm Jeff auf die Schulter und hält eine Sektflasche in die Höhe. Ich brauche ziemlich lange, um zu verstehen, dass er ihm gerade gratuliert hat. Xander hat nicht erwähnt, dass er Geburtstag hat, sodass ich zuerst denke, dass das ein Spaß ist. Schließlich fängt aber auch Jayden an zu singen und ich kann nur blöd aus der Wäsche gucken. Ich bin seine Freundin und weiß nicht, wann er Geburtstag hat. Plötzlich fühle ich mich total schlecht und unwohl. Nichtmal ein Geschenk habe ich für ihn.

„Du hast Geburtstag?", kommt es trocken aus meinem Mund. Wieso sagt er mir das nicht? Hätte ich fragen sollen?

„Ich habe es nicht erzählt, weil ich nichts haben wollte. Einfach ein bisschen feiern. Mehr nicht. Sei nicht sauer. Ich wollte es so."

Jayden und Jeff sind auf einmal ganz ruhig, sodass man glatt annehmen könnte, dass sie ausgestiegen sind. Ich fühle mich als hätte ich versagt. Als Freundin. Als Mensch. Als hätte ich die Möglichkeit gehabt alles zu wissen, habe sie aber nicht genutzt und jetzt sitze ich blöd da. Ich bin seine feste Freundin, verdammt und weiß nicht, dass er heute Geburtstag hat. Eine Schnur legt sich um meine Kehle und schnürt mir die Luft ab. An der Schnur hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Versagerin".

„Hey, sieh mich an!", befiehlt er mir sanft. Langsam schaffe ich es meinen Kopf in seine Richtung zu drehen. Verdammt, fühle ich mich schlecht. „Du kannst nichts dafür."

Die Rose eines Lebens Where stories live. Discover now