-32. Kapitel-

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Bild: Eingesperrte Freiheit

Bevor ich aus dem Haus gehe, um mich mit Xander auf dem Feld zu treffen, gebe ich noch schnell seine Nummer in mein Handy ein. Ich habe es die ganze Zeit aufgeschoben, dabei hätte ich das schon viel früher tun sollen.

Hey, hier ist Kyla.
Schickst du mir das Bild vom Veteranentag?
Grüße K

Mit einem Lächeln drücke ich auf Abschicken und nehme meinen Brief aus der Schublade. Seitdem ich keinen Ordner mehr habe, schreibe ich nur noch sehr wenig und wenn ich es tue, dann liegen die Zettel orientierungslos in meiner Schublade neben dem Bett. Vorhin habe ich meine Gedanken in Worte gefasst. Den Brief nehme ich mit. Sie sind ein Teil meines Lebens, so auch ein Teil des Projektes.

Bepackt mit allen Dingen, die ich benötige, mache ich mich auf den Weg zum Feld, auf dem ich gut gelaunt ankomme. Xander sitzt auf dem Baumstamm, stößt Rauchzeichen aus - wie die Indianer es früher getan haben - , die sich in der Luft auflösen. Ich bin froh, dass ich ihn habe. Er bedeutet mir mehr als ich wahr haben möchte.

Kurz bleibe ich in sicherer Entfernung stehen, analysiere seine Bewegungen, seine Körperhaltung und sein Verhalten. So ist er also, wenn ihm nicht ein Mensch zusieht. Ich mag es Menschen zu beobachten, wenn sie allein sind, denn dann sind sie eine komplett andere Person als in einer Gruppe.

Hier sitzt er ruhig da. Ist verloren - so verdammt einsam - in seinen Gedanken. Ich glaube, er hat auch dieses Gefängnis in seinem Kopf. Wenn ich das habe, ist das meistens ein komisches Gefühl. In dem Moment fühlt man sich nicht schlecht, aber auch nicht gut. Ich sollte ihn da rausholen.

„Hey", grüße ich ihn freudig, sobald ich näher an ihn gelange und hocke mich neben ihn. Die Tasche stelle ich vor meinen Füßen ab. Seine Lippen ziehen sich zu einem Lächeln, ansehen tut er mich nicht. Er ist draußen aus dem Knast. Dank mir.

„Hey." Er zieht ein letztes Mal an seiner Kippe, bevor er sie ausdrückt und auf den Boden schmeißt. „Ich habe dich erkannt, ohne sich anzusehen. Da teile ich wohl deine Gabe, nicht?"

Leicht beleidigt, weil er sich darüber lustig macht, dass ich finde, jeder Mensch hat eine Gabe, haue ich ihm auf den Arm. „Hör auf dich darüber lustig zu machen!" Er ist so besonders.

„Alles klar. Fangen wir an Bilder zu schießen?" Sein Kopf dreht sich zu mir. „Ich tue, was du sagst."

Jungs machen es sich bekanntlich immer einfacher als es eigentlich wäre. Ich hatte Hoffnung er würde mir beim Finden von Ideen helfen. Glücklicherweise habe ich ein paar auf Lager. Also können wir schonmal anfangen, bis er langsam in Fahrt kommt.

„Okay." Das erste Bild sollen zwei Hände sein, die sich loslassen. Ich musste Jacob damals auch hinter mir lassen. Er kam nicht mit nach Hause. Seine Hand streckte sich aus, als er nach hinten vor den Zug fiel. Dieses Foto kann mehrere Bedeutungen haben. So wie das Leben, es hat ebenso mehrere Seiten, sowie Gründe.

„Gib mir deine Hand!", bestimme ich und hole die Kamera aus dem Rucksack.

„Warte, ich hacke sie mir ab." Lachend steht er auf und umfasst sein Handgelenk mit der freien Hand. Am Zipfel seiner Jacke kann ich ihn davon abhalten, zu gehen. Er soll bleiben.

„Xander!", pruste ich los und ziehe ihn zurück zu mir. „Das meinte ich nicht."

Sein Grinsen wird breiter, wodurch seine weißen Zähne zum Vorschein kommen. Ergeben lässt er sich neben mich auf den Baumstamm fallen. „Ich hätte es gemacht."

„Ist klar."

„Lass uns anfangen! Halte meine Hand und dann lässt du sie langsam los und ich mache Bilder", kommandiere ich, woraufhin Xander salutiert und mir seine gibt. Die Hand ist warm, fühlt sich weich an. Wohltuend, wie ein Urlaub. Eine Auszeit des Lebens.

Die Rose eines Lebens Where stories live. Discover now