22. the end.

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6 Wochen später

„...Und so ging sie hinüber ins Himmelsreich, in Frieden. Eine liebende Mutter, Ehefrau, und Ratgeberin.", sprach der Pastor und hielt beide Hände in die Höhe, um zu beten.
Eine Träne nach der anderen kullerte mir die Wangen herunter. Die Sonne strahlte auf den Friedhof, und ich stellte mir vor, dass sie diese Sonnenstrahlen von oben schickte.
Ich sah flüchtig hinüber zu Peter, der die Augen geschlossen hatte und ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Jake, auf der anderen Seite neben mir, sah voller Schmerz auf den Boden.
Es waren unglaublich viele Menschen gekommen. So viele Menschen nahmen Anteil an der Trauer und dem Schmerz, und trotzdem war ich sicher, dass viele froh waren, dass sie den Schmerz nicht mehr ertragen musste.

Judith hatte den Kampf gegen ihren Lungenkrebs vor ein paar Tagen verloren.

Nach der schrecklichen Nacht vor sechs Wochen ist viel passiert. Fast, als hätten die Ereignisse sich nur so überschlagen. Aber das war ich seit meinem Besuch hier bei meinem Dad ja gewohnt.

Peter und Judith hatten viel zu bereden, nachdem Larry Johnson bei uns eingebrochen war, und Peter etwas antun wollte. Sie musste ihm all das erklären, was mir in der Nacht schon klar geworden war. Ja, er war Jakes leiblicher Vater. Ja, Peter war unendlich verletzt und brauchte zunächst Abstand.
Dann aber hatte Judiths Krankheit sich extrem entwickelt und es ging ihr immer schlechter. Peter schluckte seine Enttäuschung und Verletzung runter, und war für sie da. Er war so ein toller Mann und Vater. Auch Jake hatte es schwer, wo Peter und er nun wussten, dass sie nicht leiblich verwandt sind.

Und zwischen all dem blieb mal wieder kein Platz für mich und ihn.
Tag und Nacht verbrachten wir abwechselnd im Krankenhaus bei Judith, machten Besorgungen, Schmissen den Haushalt.
Bis zum Ende für Judith und irgendwo auch für Peter da zu sein hatte oberste Priorität.
Wir hatten zwar besprochen, dass wir reden müssten, doch wusste keiner von uns so recht, wann. Trotzdem war es in den sechs Wochen fast jede Nacht so, dass er sich zu mir ins Zimmer rüber schlich und in meinen Armen einschlief. Nie hatten wir darüber geredet, eigentlich sprachen wir kaum. Einfach unsere gegenseitige Nähe tat uns gut in dieser schlimmen Zeit.

Unglaublich, wie sich all das entwickelt hatte. Niemals hätte ich das kommen sehen können, als ich am Flughafen diesen netten Jungen kennengelernt hatte und voller Vorfreude auf ein halbes Jahr voller Abenteuer mit meinem leiblichen Vater war.
Aber so ist das Leben. Und so verrückt es auch war, ich habe so unglaublich viel gelernt. Und eine der wichtigsten Personen meiner Reise war nun von uns gegangen. Judith war eine unglaublich tolle Frau. Sie war so weise. Und trotz all der Fehler, die sie gemacht hatte, würde ich sie immer so in Erinnerung halten. Und ich war mir sicher, dass auch all die Menschen, die sie damit verletzt hatte, das so sahen.

Nachdem sie beigesetzt wurde, war noch ein kleiner Kaffee geplant.
Das Haus war unglaublich voll. Ich hatte eine Weile gebraucht, um mich hier wieder sicher zu fühlen, nach dem Angriff vor sechs Wochen.
Ich saß nur da und lauschte den vielen Geschichten, die Freunde von Judith über sie erzählten und die Emotionen spielten vor lachen und weinen schon ganz verrückt.
Irgendwann beobachtete ich in der Küche, wie Peter und Jake sich unterhielten. Ich war heilfroh, als ich sah dass sie sich umarmten, denn in den letzten Wochen hatte ihre Bindung sehr gelitten. Judiths Zustand hatte es ihnen erschwert, über all das zu sprechen und sie hatten sich voneinander entfernt.
Schließlich gab er ihm einen Brief und ich sah, wie Jake nach oben verschwand.
Ich sah ihm nach.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf der Schulter und wirbelte herum.
Peter.
Er sah mich an, mit so viel Wärme in den Augen. „Danke. Für all das. Ich weiß, du hast dir die Zeit hier sicherlich anders vorgestellt. Aber ich wollte dich eins wissen lassen. Ich bin so unendlich stolz, eine so tolle Tochter wie dich zu haben. Ich kann verstehen, wenn du lieber wieder nach Hause möchtest, aber..."
„Dad!", unterbrach ich ihn, und lächelte breit. „Ich gehe nirgendwo hin."
Tränen stiegen in seinen Augen auf und er umarmte mich fest.
Dann drückte er auch mir einen Brief in die Hand und deutete mit seinem Kopf auf die Treppe. Ich sollte ihn also in Ruhe lesen. Ich nickte ihm zu und ging nach oben in mein Zimmer, ohne zu wissen, was mich erwarten würde.
Ich setzte mich aufs Bett und atmete tief durch. Zitternd faltete ich den Brief auf und erkannte sofort ihre Handschrift.

„Meine liebe Liz,
Die vergangene Zeit war für keinen von uns leicht. Du hast so viel Größe bewiesen, indem du dich so um mich und meine Familie gekümmert hast, du hast so viel ausgehalten und uns damit so unendlich viel gegeben. Ich bin so froh, dich noch kennengelernt zu haben und kann mir für meinen Peter keine liebevollere Tochter vorstellen, als dich, meine Liz.
Für all das könnte ich dir niemals genug danken.

Als letzten Willen möchte ich eins loswerden: Ich möchte euch verdammt nochmal nicht noch mehr Steine in den Weg legen, als ich es mit meinen Lügen nicht sowieso schon getan habe.
Du und Jake. Das ist echt. Und das gibt es so selten heutzutage.
Bitte, lasst es euch nicht nehmen, miteinander glücklich zu werden. Ihr habt so viel zusammen durchgemacht. Und das zeigt nur, dass eure Liebe besonders ist und alles schaffen kann.
Als Liebende Mutter kann ich mir nichts Schöneres für ihn vorstellen.

Also Lizzy,
Ich wünsche mir, dass ihr zusammen glücklich seid. Ich werde dich nie vergessen.

In Liebe,
Judith.

Und dann sah ich, wie das Geschriebene an einzelnen Stellen verschwamm. Meine Tränen fielen auf ihn herab. Voller Stolz, Dankbarkeit und Trauer drückte ich ihn an mich und wusste , was zu tun war.
Entschlossen wie nie ging ich zur Tür, öffnete sie und wollte zu ihm.
Doch wieder einmal, ließ es sich das Schicksal nicht nehmen, und führte uns von selbst zueinander. Er stand vor meiner Tür.
Er hatte die selbe Idee, die selben Tränen auf dem Gesicht und die selbe Entschlossenheit in den Augen wie ich.
Er sah mir in die Augen, hielt mein Gesicht mit beiden Händen fest, und küsste mich. Küsste mich endlich. Küsste mich so, wie auf dem Dach. Küsste mich, als wäre all das, was wir durchgemacht hatten nun hinter uns. Als gäbe es nur noch das hier & jetzt.

Und dann sagte er: „Ich wusste, dass du es bist. Ich wusste es, als ich dich das erste Mal am Flughafen gesehen hatte."

Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt