Follow the Sun

By Lolasue

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Lucea und Aragorn wuchsen zusammen in Imladris auf. Ihre Wege trennten sich für lange Zeit, doch als Elronds... More

Prolog
Zugvögel
Begrüßungen
Athelas
Schweigen
Der Rat
Entschluss
Medaillon
Aufbruch nach Moria
Erdrückende Dunkelheit
Trauer und Hoffnung
Sterne
Angst
Verlust
Rohan
Mojca
Suche
Schwur
Huorns
Schlangenzunge
Endlose Müdigkeit
Palantír
Geschichte
Leuchtfeuer
Dunharg
Elrond
Fürst Imrahil von Dol Amroth
Die Häuser der Heilung
Schwarzer Anhauch
Heilende Hände
Bote
Vertrauen
Fort
Gesichter
Rückkehr
Hannon-le
Krönung
Fest
Erinnerung
Epilog

Vergangenheit

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By Lolasue

Am späten Vormittag bin ich wieder allein. Éowyn und Faramir machen einen Spaziergang in den Gärten und ich möchte sie keinesfalls stören. Überall in der Stadt sind die Leute mit der Versorgung der Verletzten und den Reparaturen der Häuser und Mauern beschäftigt. Zu jedem Wachpostenwechsel alle drei Stunden läutet die Glocke der Turmwächter. Ihr Klang erfüllt mich jedes Mal aufs Neue mit Sehnsucht. Mag sein, dass das Heer erst gestern aufgebrochen ist, aber es kommt mir bereits jetzt wie eine Ewigkeit vor. Dabei können sie das schwarze Tor noch gar nicht erreicht haben. Bis dahin sind es mindestens drei Tagesmärsche von Minas Tirith. Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite und setze meinen Weg durch die Gassen fort. Meine Füße stehen nicht still bis ich vor dem großen Tor stehe, das nur wenige Stunden am Tag geöffnet ist. Ohne länger darüber nachzudenken, setze ich mich wieder in Bewegung. Die Geräusche der Stadt verklingen langsam hinter mir und die Ebene des Pelennor erstreckt sich vor mir. Das Gras ist nicht mehr grün, es ist braun – an manchen Stellen schwarz – und zerdrückt von den Hufen der Pferde, den Füßen der Kämpfenden und dem Gewicht der Olifanten. Die Toten sind verbrannt, nur noch Asche, die vom Wind fortgeweht wird. Ich verdränge den Gedanken und halte geradewegs auf den Anduin zu. Der breite Fluss rauscht ruhig vor sich hin, für ihn spielt die Zeit keine Rolle. Das Wasser fließt vorbei an Schlachten, an Streit und Zwietracht und kümmert sich nicht darum, denn solange Illuvatér will, wird es nicht versiegen. Bis ich den großen Strom erreiche, dauert es eine Weile und die Sonne und mit ihr die Maia Arien wandert am Himmel weiter. Es ist schon nach Mittag als das Gras unter meinen Füßen wieder saftiger wird und die ersten Blüten zwischen den Halmen hervorspähen. Lilien, Mallos und vereinzelte Schlüsselblumen wachsen hier. Sie alle verströmen einen angenehmen Duft, der vor allem von den Lilien stammt. Mallos sind kleine, gelbe, glockenförmige Blumen, die es beinahe überall in Gondor gibt. Sie sind den Elanor ähnlich, den Sonnensternen, die im Wald von Lórien gedeihen. Unweigerlich wandern meine Gedanken zu den Jahren, die ich im Reich von Lord Celeborn und Lady Galadriel verbrachte. Damals traf ich Aragorn nach dreißig Jahren endlich wieder. Diese Erinnerung erwärmt mein Herz und lässt es gleichzeitig leiden. Jeder Gedanke an den Erben Isildur macht mir erneut klar, wie unnütz ich bin. Mag sein, dass ich eine gute Heilerin bin, aber für einen Kampf bin ich nicht zu gebrauchen. Deshalb bewundere ich Laladriel sehr. Die Elbenprinzessin kann sowohl eine starke Kriegerin, als auch eine edle Dame sein. Unweigerlich frage ich mich, wie wohl meine Zukunft aussieht. Lady Galadriel sagte mir, mein Ziel sei noch ungewiss. Ungewiss... Das Wort scheint in meinem Kopf nachzuhallen wie das Echo in einem großen Saal. Ungewiss ist auch die Rückkehr meiner Gefährten. Schnell schüttle ich den Kopf und pflücke ein paar Blumen, um mich abzulenken.

Am späteren Nachmittag erreiche ich den sechsten Ring. Als ich die Häuser der Heilung und die Gärten rundherum sehen kann, erinnere ich mich an Alana. Sie sagte, sie lebe hier in diesem Ring der Stadt, in der Nähe dieser heilenden Häuser. Kurzerhand beschließe ich die alte Frau zu besuchen. Ich brauche sie nicht allzu lange zu suchen, denn sie sitzt auf einer Bank vor einem kleinen Häuschen und flechtet aus einigen Weidenruten einen Korb. Unschlüssig bleibe ich in ordnungsgemäßem Abstand stehen und betrachte die Blumen in meiner Hand. Alana hebt den Kopf und lächelt.

» Komm nur, mein Kind, hier ist noch ein Platz frei «, sagt sie und weist neben sich. Schweigend komme ihrer Aufforderung nach. Sobald ich sitze, strecke ich ihr den Strauß entgegen – dabei komme ich mir fast vor wie ein kleines Kind, das seiner Mutter eine Freude machen möchte –

» Hier, der ist für Euch «.

» Nun fang nicht wieder damit an «, meint Alana und hebt gespielt drohend den Finger. Dann sieht sie sich die Blüten genauer an und riecht an ihnen.

» Oh, vielen Dank «, sagt sie schließlich, drückt mir den halbfertigen Weidenkorb in die Hand und verschwindet im Haus. Von drinnen höre ich es klappern, dann ertönt die Stimme der alten Dame

» Das bringt gleich etwas Fröhlichkeit herein «. Ein Lächeln spielt um meine Lippen und ich streiche vorsichtig über die ineinander verflochtenen Weidenästchen. Die braune Rinde ist glatt und gleitet geschmeidig zwischen meinen Fingern hindurch.

» So, wie komme ich zu der Ehre deines Besuches? «, fragt Alana, als sie sich wieder neben mir niederlässt und das Geflecht an sich nimmt. Ich lasse mir Zeit mit meiner Antwort. Verträumt sehe ich zu der warmen Nachmittagssonne hinauf und überlege, ob ich mein Gegenüber wirklich noch etwas über meine Mutter fragen soll. Möchte ich denn überhaupt etwas über sie erfahren? Ich kann mich kaum noch an sie erinnern und im Grunde ist Arwen zu einer Mutterfigur für mich geworden. Doch, natürlich möchte ich etwas über sie wissen. Auch wenn sie mir jetzt so weit weg scheint, ist und bleibt sie in meinem Herzen und das für immer.

» Weißt du, dein Name hat ihr schon immer gut gefallen. Ich erinnere mich noch gut daran, als wir zusammensaßen und über unsere Zukunft gesprochen haben. Wen wir einmal heiraten wollten, wie viele Kinder wir haben und wie wir sie nennen würden «, erzählt Alana,

» Ach ja, damals waren wir noch sehr junge Dinger, auch für die Dúnedain «. Für einen Moment schließt die weißhaarige Frau die Augen und schmunzelt. Es scheint als durchlebe sie diese Erinnerung nochmals. In diesem Moment beneide ich sie dafür, dass sie meine Mutter gekannt hat. Mir war das nicht wirklich vergönnt.

» Meistens waren wir zu fünft. Deine Mutter, deine beiden Tanten, meine Schwester und ich «, erzählt Alana nun und ich horche auf.

» Meine beiden Tanten? «, echoe ich. Ich erinnere mich nur an eine Tante, die Schwester meiner Mutter, die mit mir aus unserem Dorf floh.

» Ja «, seufzt die alte Dame,

» Deine Mutter war das älteste von drei Mädchen. Die mittlere Schwester – Irina – ereilte ein schlimmes Schicksal. Das arme Ding heiratete in jungen Jahren und die Ehe war glücklich. Doch statt dem erhofften Sohn gebar sie eine Tochter. Daraufhin prügelte ihr Ehemann sie zu Tode «. Alana seufzt noch einmal und mir läuft ein Schauder den Rücken hinab. Mir ist zwar bekannt, dass es Familien gibt, die großen Wert auf einen Erben legen, aber deshalb sind Töchter doch nicht unerwünscht.

» Du siehst «, sagt mein Gegenüber,

» Auch die Dúnedain haben ihre Fehler. Zwar mögen wir mit vielen Gaben gesegnet sein, doch unsere Herzen sind dennoch die von Menschen «. Ich nicke nur. Was sollte ich darauf auch erwidern? Allerdings hat etwas ganz anderes mein Interesse geweckt.

» Was wurde aus dieser Tochter? Hat der Mann sie auch... «, ich bringe es nicht über mich, so etwas Grauenvolles auszusprechen. Alana schüttelt resolut den Kopf.

» Nein, nein, so weit ging er nicht «, beruhigt sie mich,

» Sie lebt und ist nur ein wenig älter als du. Ich weiß nicht sonderlich viel mehr darüber, als ihren Namen und dass sie nach der Zerstörung unseres Dorfes zu jenen gehörte, die zurückkehrten. Du musst wissen, ich weilte bereits hier in Gondor als es geschah, deshalb kann ich dir nur erzählen, was ich selbst gehört habe... «. Die Weißhaarige sieht mich fragend an, als würde sie auf meine Einwilligung warten. Ich lehne mich auf der Bank zurück und nicke ihr zu. Ich bin bereit für diese Geschichte.

» Nun gut, als die Haradrim das Dorf zerstörten, lebten dort sieben große Dúnedainfamilien. Jede mit ihrem eigenen Wappen und ihren Eigenheiten. Es ist so, die Dúnedain leben in vielen Dörfern im Norden, im Süden Bruchtals und im Westen Eriadors – mache größer, manche kleiner. Jede Familie hat ihr Oberhaupt und jedes Dorf einen Hauptmann. Dennoch gehören alle zusammen und haben einen Stammesführer. Damals war das noch Arathorn II, jetzt ist es sein Sohn. Die Familie der Stammesführer ist der älteste Zweig des Stammbaumes der Dúnedain und das Amt des Stammesführers wird bereits seit sechzehn Generation weitergeben. Seit dem Fall von Gondor, Anor und Arthedain. Na, das würde jetzt aber vermutlich zu weit führen «, sie lächelt verschmitzt und scheint ganz in ihrem Element zu sein, während sie erzählt,

» Jedenfalls lebten damals Abkömmlinge aller sieben großen Dúnedainfamilien in jenem Dorf. Diese sieben Familien stehen für die sieben weißen Sterne auf dem Wappen Gondors. Es gibt natürlich noch viel mehr Dúnedain, doch diese sind die ältesten und reinsten. Deine Eltern stammten also beide aus einer solchen Familie. Sie waren ein wunderschönes Paar und überglücklich mit einer Tochter wie dir. Doch deine Mutter starb wenige Jahre nach deiner Geburt an einer unheilbaren Krankheit. Dein Vater hat daraufhin sein Bestes gegeben, um dich aufzuziehen. Dabei half ihm die jüngste und unverheiratete Schwester deiner Mutter – Mariann. Dann kamen die Haradrim, fielen in das Dorf ein und nahmen alle, die nicht entkommen waren oder getötet wurden, als Sklaven. Die Graue Schar eilte aber schnell herbei und befreite sie. Also kehrten die Überlebenden zurück in das Dorf am Fluss und bauten es wieder auf «. Überlebende? Ich bin also nicht ganz allein übrig? Mein Herz macht einen Satz bei diesem Gedanken.

» Dann habe ich also noch Familie? «, frage ich und kann die aufkommende Freude nicht unterdrücken.

» Zwar starb dein Vater in den Kämpfen mit den Haradrim, doch deine Cousine und fast alle Dúnedain aus der Familie deines Vaters überlebten. Ich habe noch einige wenige Freunde dort, die auch mit deinen Eltern bekannt waren und ebenfalls zurückkehrten «, bestätigt Alana nickend. Mit einem Mal überkommt mich der Wunsch, sofort hinzureiten und es mit eigenen Augen zu sehen. Es geht schließlich um meine Vergangenheit, um meine Zugehörigkeit und meine Familie. Es fühlt sich seltsam an, diesen Begriff zu verwenden. Bisher waren Arwen, Elrond, Elrohir, Elladan und alle anderen Elben aus Bruchtal meine Familie, obwohl ich sie nie als solche bezeichnet habe. Ich nehme mir fest vor, diesen Wunsch zu erfüllen, sobald Zeit dafür ist, sobald hier Frieden eingekehrt ist.

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