September 2017

68 19 0
                                    

Zwei Wochen sind seitdem vergangen und in der hat sich viel getan. Linc ist in der Reha und macht soweit mit. Ich war ihn vorgestern kurz besuchen, musste dann aber wieder gehen, weil er Therapie hatte. Aber heute ist Samstag und da es heute so schönes Wetter ist, will ich mit ihm in den Garten. Die Rehaeinrichtung ist etwas außerhalb der City, aber gut zu erreichen und ich nehme den Weg gerne auf mich, um bei ihm zu sein. 

Auch, wenn es bisher ziemlich verkrampft zwischen uns war, denke ich, dass sich das legen wird. Ich betrete die Einrichtung und begrüße einige Pfleger, die mich freundlich anlächeln. Die Einrichtung ist zweckmäßig, nicht wirklich modern, aber trotzdem so, dass man hier gerne reinkommt. 

Und das ist auch wichtig, denn, es trägt dazu bei, wie sich der Patient hier einbringt. Lincolns Zimmer ist im zweiten Stock auf der Südseite, die zum Garten rausführt. Ein herrlicher Ort mit vielen verschiedenen Blumen und Pflanzen, Bäumen und Sträuchern. Ich klopfe mit pochendem Herzen an und trete ein. Linc liegt in seinem Bett und starrt aus dem Fenster. 

„Ein herrlicher Tag, oder?", frage ich ihn. Überrascht dreht er den Kopf in meine Richtung, während ich in seinen Augen eine kleine Regung erkenne, bleiben seine Mundwinkel unten. Ich sollte es nicht persönlich nehmen, aber irgendwie dachte ich, dass er sich darüber freuen würde, dass ich ihn besuchen komme. 

„Du musst nicht herkommen", meint er trocken und sieht wieder raus. Ich seufze innerlich, will mich aber nicht geschlagen geben. Also schließe ich die Tür und gehe auf ihn zu, nehme den Stuhl und setze mich neben ihn. 

„Will ich aber", antworte ich und lächle. Ich schaue ihn an, betrachte sein markantes Gesicht, dass zwar immer noch eingefallen wirkt, aber nicht mehr so blass, was mich erleichtert. Die Umgewöhnung von flüssiger zu fester Nahrung ist ein langsamer Prozess, aber Linc wird dass schaffen, da bin ich mir sicher. 

„Ich soll dich von Sita und Is grüßen", sage ich nach einer Weile, in der wir beide geschwiegen haben. In den letzten Tagen habe ich mich hoffnungsvoller als zuvor gefühlt, seitdem er aufgewacht ist, ist eine tonnenschwere Last von meinen Schultern gefallen, die ich zwar nicht mehr so bewusst wahrgenommen habe, aber dennoch gespürt habe. Und die nicht mehr auf mir zu wissen, ist eine wirkliche Erleichterung.

„Is, also. Nennst du ihn jetzt so?", reisst er mich aus meinen Gedanken, ohne mich dabei anzusehen. Ich runzle die Stirn und habe keine Ahnung, was er damit sagen will.
„Du nennst ihn doch auch so, oder nicht?", erwidere ich immer noch ratlos. Macht es ihm so viel aus? Oder steckt etwas anderes dahinter. 

„Nennst du Sita jetzt auch Mom, oder hast du das nicht übernommen?", meint er bissig und sieht mich kurz an, lässt mich spüren, dass ihm das nicht gefällt und sieht dann wieder aus dem Fenster. Ich komme mir gerade etwas dumm vor, aber es verletzt mich, dass er so abschätzig über uns alle spricht. Als hätte nur er die Hölle und zurück durchlitten.

„Ich kann verstehen, dass ...", weiter komme ich nicht, denn er unterbricht mich scharf.

„Nein, Liv!", knurrt er und funkelt mich wütend an, „Du weißt einen Scheiß!" Sprachlos sitze ich da und habe das Gefühl im falschen Film zu sein. Eine Welle der Wut kommt mir von ihm entgegen, die mich ebenfalls sauer werden lässt.

„Das mag sein, aber ich hab zu dir gehalten, war an deinem Bett und habe mir die schlimmsten Sorgen gemacht!", erwidere ich gereizt, obwohl ich es nicht sollte. Aber mal ehrlich? So etwas muss ich mir nicht geben, denn ich habe nichts falsch gemacht. 

„Du bist wütend und verletzt und das darfst du auch sein, aber lass es bitte nicht an mir aus", beruhige ich mich wieder und schaue ihm fest in die Augen. Doch als er mir ins Gesicht lacht und sich mit der linken Körperhälfte zu mir umdreht, habe ich das Gefühl, dass er das absichtlich macht. Damit ich genauso leide wie er, oder, weil er mich nicht hier haben will, um mich zu schützen, oder so einen Quatsch. Aber das will ich nicht!

Everytime I see youWhere stories live. Discover now