Februar 2015

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„Fünf Milligramm Morphium, IV", donnert die Stimme des Notfallchirurgen durch den Schockraum. Der Geruch von verbranntem Fleisch steigt mir in die Nase und dreht mir den Magen um. 

Doch nach außen hin zeige ich meinen Ekel nicht, denn das wäre dem Patienten gegenüber nicht fair, der schreiend und vor Schmerzen krümmend vor uns liegt.
Ich ziehe die gewünschte Menge des Mittels auf und injiziere es dem Teenager in den Zentralzugang, der an seiner Halsvene gelegt wurde, weil seine Haut an den Armen zu neunzig Prozent verbrannt ist. 

Wahrscheinlich wird er die doppelte Menge brauchen, aber ich behalte meine Vermutung für mich. Dr. Fox ist nicht der Typ eines Chirurgen, der sich widersprechen lässt. Schon gar nicht von einer Krankenschwester wie mir, dass hat er sofort klargestellt als er damals angefangen hat. 

Doch wenn es um Effizienz geht, dann kann ihm keiner etwas vormachen. Die Schreie lassen langsam nach, auch die ruckartigen Bewegungen werden ruhiger. Das Mittel beginnt zu wirken.

„Alles wird gut. Wir werden dir helfen das zu überstehen", rede ich beruhigend auf ihn ein. Sein rotes Haar leuchtet im grellen Licht der Deckenlampe wie Feuer und die dichten rotblonden Wimpern flattern im hektischen Takt seines Herzschlages. 

Ich drücke ihm leicht seine Hand, die Gott sei Dank nicht verbrannt wurde. Wie uns die Sanitäter erklärt haben, hat der Teenager ein kleines Mädchen aus einem brennenden Gebäude gerettet und wurde selbst schwer verletzt. Ein Stützbalken stürzte auf ihn herab und begrub seinen Oberkörper darunter. Dass er noch lebt ist ein wahres Wunder. 

„Spülen Sie die Wunden", trägt Dr. Fox dem Assistenzarzt im zweiten Jahr auf und verlässt den Schockraum. Während der nächsten Stunde helfe ich ihm die Wunden zu spülen und danach die verbrannten Stellen mit einer speziellen Creme einzusalben. Der Teenie gibt immer wieder leise Laute von sich, seine Augen flattern, doch er wacht Gott sei Dank nicht auf.

„Blutdruck ist stabil. Wir sollten dem Patienten etwas Ruhe gönnen", sage ich und erkenne auf dem blassen Gesicht des Assistenzarztes wie erleichtert er ist endlich den Raum verlassen zu können. ^

Ich kann es ihm nicht verübeln, denn der Geruch in dem Schockraum ist nach wie vor sehr penetrant, aber man kann es aushalten. Wenigstens kann er jetzt etwas schlafen, denke ich. Wie ich es mir gedacht habe, mussten wir während der Prozedur die Dosis des Morphins verdoppeln und ihm zusätzlich ein Mittel geben, dass seine Muskeln entspannt. 

Die freiliegenden Nervenbahnen müssen in einem nächsten Schritt mit Haut überdeckt werden, aber das wird noch einige Wochen dauern, in der Cody, so heißt der junge Mann, auf einer speziellen Auflage liegen und unter starken Schmerzen leiden wird. 

Denn die verbrannte Haut muss immer wieder abgetragen werden, bis die gesunde Schicht, wenn es noch eine gibt, freigelegt wurde und in einem letzten Schritt, neue Haut verpflanzt werden kann. 

Ich folge dem Assistenzarzt nach draußen und nachdem ich die Handschuhe, die Schutzkleidung und den Mundschutz ausgezogen habe, desinfiziere ich mir die Hände und trage anschließend die Daten in das System ein. 

„Bringen Sie ihn auf die Verbrennungsstation und piepen Sie mich an, wenn sich etwas an seinem Zustand ändert", höre ich Dr. Fox zum Assistenzarzt sagen. Sein schwarzes Haar zeigt schon einige grauen Haare und alles in allem sieht er gar nicht so schlecht für sein Alter aus.

Dennoch stört mich seine Art den Patienten gegenüber oder dem Krankenhauspersonal sehr. Er denkt, dass er als Notfallchirurg besser als alle zusammen ist und diese Einstellung gepaart mit seiner Arroganz und Eitelkeit ist definitiv nicht anziehend. 

Ich wurde schon das eine oder andere Mal von ihm angefahren, weil ich dies oder das nicht so ausgeführt habe, wie er es gerne gehabt hätte. Oder, weil ich meine Beobachtungen mitgeteilt habe. Damals ging es ähnlich, wie heute um die Dosierung der Medikamente. 

Everytime I see youWhere stories live. Discover now