September 2015

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Müde und abgeschlagen schleppe ich mich von der Umkleide in die Notaufnahme. Die Erkältung macht mir sehr zu schaffen, aber wie es nun mal so ist, musste ich für jemanden einspringen. Es ist eine unausgesprochene Regel, dass man auch krank zur Arbeit erscheint und dass, obwohl ich lieber zuhause bleiben und mich auf meiner Couch zusammenrollen würde. 

Ich putze mir die Nase und desinfiziere mir danach die Hände. Das wird heute bestimmt nicht das letzte Mal sein, dass ich das machen werde. Wie immer ist die Notaufnahme ein Herd für Bakterien und einer von diesen fiesen kleinen Dingern hat sich in mir festgefressen.
Es macht sich einen Spaß daraus mich leiden zu lassen, mir das Gefühl zu geben nur ein Schluck Wasser zu sein. 

Aber was bringt es zu jammern? Genau, nichts. Also beiße ich die Zähne zusammen, kippe mir noch eine Tablette hinter die Binde und setze mich neben Maggie.

„Wie siehst du denn aus?", fragt sie mich im strengen Tonfall, was ich auch verstehe, ich sehe wohl wirklich so aus wie ich mir fühle. Wie der Tod auf zwei Beinen. 

„Frag lieber nicht, du könntest dich anstecken", witzle ich, doch das kommt gar nicht gut an. Denn sie zieht nicht nur eine Braue nach oben, sondern gleich beide und das bedeutet nie etwas Gutes. Bevor sie mir eine Standpauke gibt, die ich nicht brauche, wohl aber verdienen würde, erkläre ich mein Dasein und hoffe, dass sie es versteht. 

„Ich würde auch lieber zuhause sein, aber Christinas Zwillinge sind beide krank- Magendarm- und da konnte ich nicht auch noch zuhause bleiben. Und eine Magendarmgeschichte ist dann wohl wesentlich schlimmer als mein kleiner Schnupfen", wiegele ich ab. 

Obwohl ich weiß, wie gefährlich es für manche Patienten- vor allem für die deren Immunsystem sonst schon geschwächt ist- sein kann, was auch Maggie einwendet. Ich hebe die Hände, um sie zu stoppen. Wobei ich mir lieber die Nase kratzen würde, weil mich dieses verdammte Kribbeln um den Verstand bringt. Aber ich lasse es sein und konzentriere mich auf das was ich sagen wollte.

„Ich weiß, was du jetzt denkst, aber ich werde bei jedem Patienten einen Mundschutz tragen und ich werde mich von den immungeschwächten Personen fernhalten. Versprochen", erwidere ich und schaue sie eindringlich an, denn immerhin habe ich hier etwas Gutes getan, auch wenn ich weiß, dass ich lieber Zuhause sein sollte. 

Das rote Licht blinkt auf und die Türen öffnen sich, ein Notfall kommt gerade rein. Wir stehen beide auf und ich sollte nicht froh darüber sein, dass unser Gespräch gerade unterbrochen wurde, aber irgendwie bin ich das. 

Es ist ein zwölfjähriger Junge, der sich einen Spaß daraus gemacht hat, sich von einer Brücke zu stürzen und das Ganze zu filmen. Jetzt liegt er mit multiplen Verletzungen auf der Trage und keiner weiß, ob er es überleben wird oder nicht und, dass nur wegen eines Clips das gerade in Mode ist. 

Wie sehr ich meine eigene Kindheit schätze, wird mir in einer solchen Situation wieder einmal bewusst. Wir waren draußen, haben eigenartige Plüschfiguren gesammelt und getauscht und liebten Gummitwist. Aber das was heute läuft übersteigt unsere Vorstellungskraft bei Weitem.

Während der behandelnde Arzt den Jungen untersucht, muss ich meine Niesattacken kaschieren und handle mir einige böse Blicke ein. Doch ich ignoriere sie und gehe den Anweisungen nach und lege einen venösen Zugang und verabreiche ihm eine Dosis Schmerzmittel. 

„Sieht nicht gut aus. Aufnahmen von Abdomen und Kopf und das schnell. Piepen Sie Dr. Fox an." Ich zucke bei seinem Namen zusammen, leite aber alles in die Wege. 

„Geht es dir gut?", höre ich Maggie neben mir sagen. Sie unterstützt das Team und sieht mich eindringlich an. Ich will sagen, dass es mir gut geht, doch die Stimme eines gewissen Arztes unterbricht mich.

Everytime I see youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt