10 Mai 2017 (2)

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Keine Stunde später treffe ich bei dem kleinen französischen Café ein, dass es in der Nähe des Krankenhauses gibt, indem ich arbeite. Ich war hier schon einmal, obwohl das ziemlich lange her ist. 

Denn meistens hat es dann doch nie für einen Abstecher gereicht, also hat man sich mit dem Essen aus der Cafeteria zufriedengegeben, oder dann eben Eddys leckere Pastrami-Sandwiches gegessen. Als ich es betrete, habe ich das Gefühl in eine andere Welt zu tauchen. Denn hier ist alles so fein und zierlich, genau wie ich es in Frankreich erlebt habe. 

Die Möbel sind modern und stehen zu der sonst so typischen Wandgestaltung im guten Kontrast, sodass man sich direkt angekommen und wie zuhause fühlt. Ich habe kurz geduscht – und zwar ziemlich kalt, damit mein angeknackster Kreislauf wieder in Schwung kommt und mein kleiner Rausch so gut wie vergessen ist – , mich angezogen und sogar etwas hübsch gemacht. 

Aber nicht zu viel, denn ist ja auch kein Date. Nur ein Kaffeetrinken in einem süßen Café in der Nähe meines Arbeitsplatzes, um über die Arbeit zu sprechen. Gott! Wieso muss ich mir alles kaputt reden? Ich entdecke ihn an einem Tisch, direkt am Fenster, das zum Krankenhaus hinausgeht und passend für unser Treffen ist.

„Liv!", ruft er und winkt mich zu sich. Ich lächle, als ich ihn sehe. Glen trägt ein Poloshirt mit einem eindeutigen Logo darauf, dazu eine schicke Hose und braune Lederschuhe. Auch außerhalb von solchen Spendengalas sieht er wirklich gut aus und man könnte meinen, er entstammt einer amerikanischen Politikerfamilie.

„Sie sehen heute fantastisch aus", meint er und reisst mich aus meinen Beobachtungen. Ich schaue an meinem Kleid herunter, das heute passend zum schönen Wetter in einem Babyblau erstrahlt und kleine weiß Blüten trägt. Lächelnd schüttle ich ihm die Hand und setze mich dann ihm gegenüber. Ein Kellner kommt und ich bestelle mir ein Glas Orangensaft, während Glen beim Kaffee bleibt.

„Es hat mich wirklich gefreut als Sie sich gemeldet haben", setzt er an und lächelt mich charmant an. Seine blauen Augen leuchten mit dem Himmel um die Wette und wirken freundlich und vor allem ehrlich, was ich zu schätzen weiß.

„Mich auch", erwidere ich leise und lächle. Für einen Moment breitet sich Stille aus, die nur durch das rege Treiben des Cafés unterbrochen wird. Aber es fühlt sich nicht seltsam, oder gar peinlich an, sondern fast schon beruhigend. Glen strahlt etwas aus, das mir Sicherheit vermittelt und das kann ich in dieser seltsamen Zeit auch wirklich gebrauchen.

„Nun, ich war heute im Krankenhaus und habe mich umgehört", beginnt er zu erzählen, als der Kellner unsere Bestellung serviert hat. Ich höre ihm gespannt zu und nicke immer wieder, gebe neuen Input und erzähle ihm, wie es aus der Sicht einer Krankenschwester ist.

Die Zeit verfliegt beinahe sprichwörtlich wie im Flug und während die anderen Gäste kommen und gehen, bleiben wir sitzen und reden, lachen oder diskutieren lebhaft. Doch alles auf einem höflichen Level, das mich von all dem Ballast ablenkt, den ich zurzeit mit mir herum trage. Als der Kellner erneut an unseren Tisch kommt und fragt, ob wir noch etwas möchten, realisiere ich, dass es schon fast sieben ist.

„Verdammter Mist!", fluche ich und will aufstehen, doch Glen hält mich auf. Seine Hand legt sich auf meine und er sieht mich freundlich an. Ich runzle die Stirn und setze mich wieder.

„Es ist alles in Ordnung, Liv", meint er. Ich schlucke und atme tief durch, versuche das zu verinnerlichen, aber das geht nicht.

„Tut mir leid, Glen, aber ich muss zu ihm", sage ich und entziehe ihm meine Hand. Für einen Augenblick sehe ich die Enttäuschung in seinen Augen aufglimmen, doch sie ist so schnell wieder weg, wie sie gekommen ist. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, denn die Zeit mit ihm hat mir gefallen und vor allem hat es mir gutgetan. Ich fühle mich ausgeglichener als vorher und ich bin froh darüber hierhergekommen zu sein. Aber ich kann Linc nicht völlig ausblenden.

„Er weiß, dass Sie für ihn da sind, Liv", setzt er an und trifft diesen einen wunden Punkt, den heute Carly schon getroffen hat und der mich daran erinnert, dass sich jeder einmischt.

„Sie haben kein Recht so etwas zu sagen, Glen", sage ich mit ruhiger Stimme. Er holt Luft, doch er schweigt, hört mir zu.

„Ich liebe Lincoln, wir sind verlobt, auch wenn er im Koma liegt", sage ich deshalb energischer und versuche nicht allzu sehr zu zittern, doch es überkommt mich genau wie diese endlose Wut, die ich seitdem in mir trage und ganz egal wann oder bei wem ausbricht und sich dann aus mir ergießt. Ob ich will oder nicht.

„Glen, Sie sind wirklich ein netter Mann und sehen attraktiv aus, aber ich ... meine Gefühle haben sich für Linc nicht geändert. Ich hoffe, Sie verstehen das", ende ich und warte auf eine Antwort. Erneut ist ihm die Enttäuschung anzusehen, doch er fasst sich schnell wieder und lächelt mich aufrecht an.

„Ihr Verlobter hat ein wahres Glück Sie an seiner Seite zu haben. Ich respektiere Sie, Liv, viel zu sehr, als das ich mich gegen Ihre Entscheidung stellen könnte. Es war mir ein Vergnügen Sie heute getroffen zu haben", meint er und lächelt mich an. Erleichtert über seine Reaktion erwidere ich es und stehe auf, Glen tut dasselbe.

„Ich danke Ihnen und auch für diesen wunderbaren Nachmittag", sage ich und schüttle ihm die Hand, während ich ihm die blauen Seen schaue, die mich viel zu sehr an Lincs erinnern, nicht von der Farbe, aber von der Kraft, die sie ausstrahlen.

„Ich wünsche Ihnen alles Gute Liv und vielleicht sieht man sich ja mal wieder", meint er und lacht. „Ja das wäre schön", erwidere ich. Damit verlasse ich das Café und gehe auf direkten Weg ins Krankenhaus, eile durch die Flure und laufe direkt in Dr. Formans Arme. 

Alles hat keine zehn Minuten gedauert und irgendwie bin ich heute ziemlich schnell aus der Puste, weshalb ich ihr nicht ganz folgen kann, als sie mir sagt, dass sie mit mir reden müsste. Doch ihrem Ausdruck in den Augen nach zu urteilen, ist es wichtig.

„Natürlich", sage ich und begleite sie in eines der Sprechzimmer auf der Station. Ich setze mich widerwillig und warte, bis sie mich ansieht und mir erläutert, was los ist.

„Ist etwas mit Linc? Geht es ihm gut?", frage ich und beiße mir auf die Innenseite meiner Wange, damit ich nicht schon losheule, bevor sie etwas gesagt hat. Doch mit jeder Sekunde, in der sie weiter schweigt, rutscht mir das Herz weiter nach unten und schürt die Angst, die sich in meinem Herzen festgesetzt hat.

„Bitte, Dr. Forman, sagen Sie es", stoße ich erstickt hervor und bete bereits zu Gott, dass es nichts Schlimmes ist. Sie lehnt sich nach hinten und nickt.

„Liv, Sie wissen, wie sehr mir Lincoln und Sie am Herzen liegt, aber ich habe keine gute Neuigkeiten", meint sie und nimmt mir ein bisschen die Angst, dass es ihm so viel schlechter geht, dass ich mich auf das schlimmste gefasst machen muss. Ich denke an Carol und frage mich, ob nicht doch zu unfair ihr gegenüber war.

„Wir haben heute Lincolns EEG überprüft und festgestellt, dass die Aktivitäten sich verschlechtert haben", lässt sie die Bombe platzen. Nun kann ich die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie rinnen mir ungehindert über die Wangen, als wären es Sturzbäche und keine Tränen mehr.

„Ich weiß, dass ist vernichtend, Liv. Aber ich denke, Sie müssen sich entscheiden, wie es weitergeht", meint sie und reicht mir ein Taschentuch. Ich nehme es dankbar an und putze mir die Nase und atme tief durch.

„Ich will die Maßnahmen nicht einstellen", flüstere ich und nach einem Räuspern klingt sie etwas fester. Ich sehe sie nicken und frage mich, wie oft Carol hier schon gesessen und geweint haben muss, bevor Sams Körper nicht mehr wollte und er gestorben ist.

„Das müssen Sie auch nicht, Liv. Ich möchte Ihnen nur einen Rat geben", erwidert sie und beugt sich ein wenig zu mir rüber. Ich schaue sie an und weiß genau, was sie jetzt sagen will.

„Leben Sie ihr Leben, Liv. Sie sollen und dürfen glücklich sein, egal wohin es Sie verschlägt, lassen Sie es zu und haben Sie kein schlechtes Gewissen." Bingo! Ich nicke, schweige und schlucke all die giftigen Worte runter, die mir auf der Zunge gelegen haben. 

Denn Dr. Forman hat nichts verbrochen, genau wie Carly oder Glen, sie alle sind nur ins Kreuzfeuer meiner Gefühle geraten. Wieder nicke ich und weiß nicht, was ich tun soll. Soll ich eine Entscheidung treffen, oder es Gott, Linc oder einer sonstigen höheren Macht überlassen über uns alle zu richten? Ich weiß es nicht. 

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ich hoffe, es hat euch gefallen :D

eure Adelaide 

Everytime I see youWhere stories live. Discover now