14 August 2017 (1)

70 18 4
                                    

Die letzten Monaten waren wie die davor und nun ist der Sommer da und ich habe Geburtstag. Vor einem Jahr haben sich Linc und ich gestritten, darüber, dass ich ihm nichts von der Weiterbildung erzählt habe, die Gabriel mir vorgeschlagen hat. Über die ich bis heute nicht mehr darüber nachgedacht habe und von Gabriel habe ich auch nichts mehr gehört. 

Ich weiß nur, dass er nun in den Staaten arbeitet, mehr nicht. Kein Anruf, keine Nachricht, was vielleicht auch besser so ist. Immer noch denke ich an den Kuss zurück und frage mich, was passiert wäre, wenn er nicht abgebrochen hätte. Wäre es zum äußersten gekommen, oder hätte ich die Notbremse gezogen, bevor ich Linc betrogen hätte. Obwohl man das schon bei einem Kuss sagen könnte, aber ich bin mir nicht sicher, was dieser zu bedeuten hatte. 

Sicher, ich habe es gewollt, ihn sogar als Erste geküsst, aber ich war damals durch den Wind, oder bin es immer noch. Nur hat es heute einen fast schon schlafwandelnden Zustand angenommen, mit dem ich durchs Leben gehe, aber ich habe mich daran gewöhnt. Genau wie an den Zustand, dass Linc nicht mehr aufwacht und trotzdem klammere ich mich an die Hoffnung, dass er es könnte. 

Aber ich habe mir geschworen, dass wenn sich seine Werte verschlechtern und er wieder an das Beatmungsgerät angeschlossen werden muss, dass ich dann nicht mehr verhindern werde, dass sein Körper aufgibt. Sita ist damit einverstanden, wir haben seit Wochen keinen Kontakt mehr, aber davor meinte sie, dass sie mit Isaiah zu ihrer Verwandten zieht, die außerhalb von London wohnt.

Zuerst verstand ich ihre Entscheidung nicht, dachte, dass sie ihren Sohn aufgeben würde, doch dann erkannte ich, dass sie sich vor einem erneuten Verlust schützte. Sie musste weg und das respektiere ich, auch wenn ich es schade finde. Aber sie hat noch einen Sohn, um den sie sich kümmern muss und auch für sie ist es besser, wenn sie jemanden an ihrer Seite hat, die sich um die beiden sorgt.

 Ich schaue in den Spiegel und betrachte mein Gesicht, dass sich in den letzten Monaten zwar verändert hat, aber nicht so, dass man es nicht mehr wiedererkennen würde. Dabei denke ich vor allem an Linc und so geht das den ganzen Tag, auch wenn ich mir sage, dass ich auch an andere Dinge denken soll und muss, enden sie immer wieder darin, dass ich an ihn denke. Egal, zu welcher Tages – oder Nachtzeit, es ist stets dasselbe Spiel. Ich schüttle den Kopf, atme tief durch und nicke.

„Es ist mein Geburtstag und den feiern wir dieses Jahr so, wie ich es möchte", sage ich zu mir selbst, als wäre noch jemand im Raum. Doch es ist nur Bailey, der immer mehr im Badezimmer verschwindet, als würde er die Ruhe und vor allem die Wärme mehr zu schätzen wissen als meine Wenigkeit. Aber ich habe keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn ich muss aufbrechen.

Ich streiche über mein fliederfarbenes Kleid und lächle, als ich den Lippenstift – der passend dazu ist – nachziehe. Das Klingeln meiner Uber-App erinnert mich daran, dass er gleich da ist, also reiße ich mich von meinem Spiegelbild los und verlasse meine Wohnung. Die Fahrt dauert etwas länger als gedacht, denn es gab wieder mal einen Verkehrsunfall, was mich daran erinnert, dass es immer noch keine Hinweise gibt. 

Niemand hat etwas gesehen, oder gehört und sich bei der Polizei gemeldet. In vier Monaten wird es ein Jahr und seitdem beschäftige ich mich immer noch damit, auch wenn ich nicht jeden Tag daran denke. 

Ich muss gestehen, es ist weniger geworden, aber es ist auch den Umständen geschuldet, dass sich niemand gemeldet und die Polizei den Fall eingestellt hat. Was soll ich dann noch tun? Ich musste die quälenden Fragen beiseiteschieben, sonst wäre ich noch verrückt geworden, stattdessen habe ich an Lincs Bett gesessen und ihm von meinem Alltag erzählt. 

Das mache ich auch heute noch, doch meistens sitze ich da und schaue ihn an, oder ich lese ihm etwas aus den Magazinen vor, die er mag. Aber meistens ist die Stille zu einem tröstlichen Freund geworden, denn mein Leben ist stressig genug. Beim Restaurant angekommen bezahle ich den Fahrer und betrete das Lokal. 

Everytime I see youWhere stories live. Discover now