14. August 2016 (2)

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LINC

Liv sieht mich hilfesuchend an, was ich ihr nicht verübeln kann. Doch als ich ihrem Vater ins Gesicht sehe, habe ich das Gefühl, dass ich ihn von irgendwoher kenne. Doch ich weiß nicht, woher das auf einmal kommt und bevor ich weiter darüber nachdenken kann, greift Liv ein und stellt mich ihrem Vater vor. Er ist ein großer Mann mit einer beeindruckenden Ausstrahlung, was noch ausgeprägter wäre, würde mir keine Fahne ins Gesicht schlagen, als ich seine Hand schüttle.

„Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen Mr. Hughes", sage ich und lächle ihn an. Doch er winkt ab und lacht, was Liv schockiert, denn ihr fallen wirklich fast die Augen aus dem Kopf.

„Nennen Sie mich Bert", meint er und lässt mich los. Ich nicke und bin überrascht.

„Dad?", fragt Liv und greift ihm unter die Arme. So betrunken ist er zwar nicht, aber ich bin mir sicher, dass sie vorsorgen will. Wenn ich wüsste, wo die Küche ist, würde ich ihm etwas gegen den leichten Kater geben, der ihn bald heimsuchen wird. 

Doch, wenn mich Mrs Hughes erwischen würde, wie ich in ihrem Kühlschrank herumsuche, wird sie mich des Diebstahls bezichtigen und festnehmen lassen. Sicher ist das ziemlich überspitzt ausgedrückt, aber so wie ich sie die letzten beiden Male erlebt habe, könnte es vielleicht sogar stimmen. Aber ich will den Teufel auch nicht an die Wand malen.

„Ich bringe dich in eines der Zimmer", meint Liv und sieht mich entschuldigend an. Ich verstehe das und will ihr meine Hilfe anbieten, doch sie schafft das auch allein. Also bleibe ich hier und weiß nicht, was ich tun soll. 

Die ersten Sekunden verstreichen zäh wie Kaugummi und als ich mir ziemlich dumm vorkomme, schaue ich mir die Bilder genauer an, die hier an den Wänden hängen. Das größte zeigt die ganze Familie, Vater, Mutter und Kind. 

Liv sieht so ernst aus und nicht wirklich glücklich und ich fange mir an Gedanken darüber zu machen, wie sie aufgewachsen ist. Als einziges Kind einer solch einflussreichen Familie, war sich nicht einfach. Vor allem, wenn ihre Mutter die ganze Zeit so zu ihr war wie momentan und der Vater nicht wirklich anwesend war. 

Ihre blonden Locken fallen ihr über die Schulter und ihre Augen wirken zwar wach, aber traurig, was mir das Herz schwer werden lässt. Ich kann mir nicht vorstellen so groß zu werden, aber für sie war es Alltag und ich bewundere Liv nur noch mehr dafür, dass sie trotz allem so eine wunderbare und starke Frau geworden ist.

Ich wende mich dem Bild an der anderen Wand zu, dass ein altes Haus zeigt, wahrscheinlich eines, dass der Familie Hughes gehört. Der Maler heißt O. E. H und ich frage mich, wer das wohl sein könnte, doch bevor ich mich schlau darüber machen kann, klingelt es an der Tür. Da niemand kommt und öffnet, übernehme ich das und stehe Dr. Melendez gegenüber.

„Gabriel?", frage ich überrascht, denn mit ihm habe ich nicht gerechnet. Er sieht genauso aus und lacht, als er meine Hand ergreift und sie schüttelt.

„Lincoln, schön Sie zu sehen", meint er und sieht sich um, wie es aussieht will er zu Liv. Ich habe ihn auf der Party vor ein paar Wochen kennen gelernt. Ein wirklich netter Typ, ein bodenständiger Arzt, der echt gute Witze reißen kann.

„Das kann ich nur zurückgeben. Kommen Sie doch rein", sage ich. Er nickt und geht an mir vorbei, noch immer sieht er sich um.

„Liv kommt sicher gleich wieder. Es gab da einen Notfall", sage ich, ohne zu viel zu verraten. Denn ich denke nicht, dass sie es toll fände, wenn ein Arbeitskollege davon erfahren würde. Gabriel sieht sich kurz um, ehe sein Blick auf mir ruhen bleibt. Die Situation fühlt sich etwas seltsam an, aber wahrscheinlich nur, weil ich mich auch nicht wirklich wohl finde.

Everytime I see youWhere stories live. Discover now