18 August 2017 (2)

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Ich öffne die Augen und weiß für einen Moment nicht mehr, was ich hier mache, oder wo ich mich befinde. Doch dann werden die Umrisse klarer und ich erkenne meine Wohnung und Gabriels Gesicht, das friedlich im Schlaf lächelt. 

Doch ich schrecke hoch und erkenne, was ich getan habe. Obwohl mein Körper sich entspannt und erholt anfühlt, rattert es in meinem Kopf gefährlich. Was habe ich bloß getan? Ich springe praktisch von der Couch, sammle meine Klamotten auf und ziehe mich im Badezimmer wieder an. Langsam setze ich mich auf den Wannenrand und spüre den Unglauben, der sich in mir breitmachen will. 

Doch ich weiß genau, was ich mit dieser Tat alles in Gang gesetzt habe. Denn ich habe nicht nur Lincoln betrogen, sondern Gabriel auch noch Hoffnungen gemacht. Berechtigt? Ich habe keine Ahnung.

„Verdammte Scheiße!", zische ich und scheuere mir selbst eine. Das Brennen setzt sofort ein und lässt mich aufschrecken. Ich muss hier raus! Ich reiße die Tür auf und renne in mein Schlafzimmer, ziehe mich an und poltere ins Wohnzimmer, doch Gabriel schläft immer noch tief und fest. 

Zuerst will ich darüber nachdenken, wie das nur sein kann, doch dann verbiete ich es mir und zwinge mich die Wohnung zu verlassen. Ich schnappe mir mein Handy und die Schlüssel und weg bin ich. Im Aufzug checke ich meine Nachrichten und verdrehe die Augen. Maggie hat mir zehn Mal aufs Band gesprochen. 

Ich bin fast fünf Stunden zu spät. Weiß sie das von Linc gar nicht? Ich schreibe es ihr und, dass ich heute nicht zur Arbeit komme und überlege, ob ich Gabriel auch schreiben soll. Doch dann taucht er noch bei der Arbeit auf, nein. 

Also lasse ich es in meiner Tasche verschwinden und seufze theatralisch, genau im selben Moment gehen die Türen auf und ich gehe raus. Draußen sauge ich die viel zu schwüle Luft in meine Lunge und fühle mich von der Hitze erschlagen. Kein Wunder, es ist fast zwölf Uhr mittags. 

Eine Weile laufe ich durch die Straßen Londons, habe kein wirkliches Ziel, doch dann biege ich in die Richtung ab, in der das Schwesternkrankenhaus liegt, indem Linc liegt und sich fragt, wo ich bleibe. Ich checke noch einmal mein Handy, aber ich wurde von Dr Forman nicht angerufen, was bedeutet, dass sie noch nichts Konkretes wissen.

An einem Eisstand bleibe ich stehen und stelle mich an und als ich dran bin, bestelle ich mir ein großes Softeis mit Vanillegeschmack. Das genieße ich, während ich langsam durch die ruhigere Gegend spaziere, die in einem künstlich angelegtem Park endet, der nur zwei Querblocks vom Krankenhaus entfernt liegt. 

Die üppigen Eschen spenden viel Schatten, sodass ich mich darunter niederlasse und mein Eis zu Ende esse. Dabei schaue ich den Menschen zu, die sich hierher verirrt haben, genau wie ich. Na ja, das bezweifle ich das sie aus denselben Gründen hier sind, wie ich, aber aus anderen oder gleichwertigen vielleicht schon. 

Zwei Kinder, vielleicht acht und neun Jahre, spielen Fußball und lachen fröhlich, während ihre Mütter sich auf einer Bank in der Nähe unterhalten. Ihre Leben sind vielleicht einfacher gestrickt als meine, denke ich und bin fast ein wenig neidisch auf sie, denn sie wirken so ausgeglichen, als hätten sie keinen Stress. Dass sie das selbstverständlich auch haben, ist mir bewusst, aber die Vorstellung das es eben so ist, ist verlockend. Und doch bringt es nichts, wenn ich mir darüber den Kopf zerbreche. 

Als mein Handy klingelt hole ich es hervor und sehe Gabriels Nummer aufleuchten. Ich drücke ihn weg und schließe die Augen, während ich den Geräuschen des Sommers lausche. Das Zwitschern der Vögel, das Plätschern des Springbrunnes und dem Rauschen der Blätter im Wind, der mich ins Gesicht weht. 

Ich genieße dieses Gefühl und atme tief durch, solange der Moment andauert, ehe ich die Augen wieder öffne und weiß, dass ich zu Linc muss. Also stehe ich auf, wische mir die Erde vom Hintern und lege die letzten Meter zurück, die mich vom Krankenhaus trennen. Auf dem Flur begegne ich niemandem, auch keiner Dr. Forman. 

Everytime I see youWhere stories live. Discover now