CAT - Kapitel 76

207 10 0
                                    

Niall ist schon seit einer Stunde weg, aber Crow ist noch nicht gekommen. Er hat sich auch nicht gemeldet. Das ist eigentlich nicht seine Art. Ich hoffe nur, dass er nicht krassen Wochenend-Blödsinn mitten unter der Woche veranstaltet.

So aufgewühlt wie er gestern war, wäre ihm das aber durchaus zuzutrauen. Also versuche ich ihn zum wiederholten Male anzurufen, doch er geht nicht ans Telefon.

Ist ja nicht so, dass ich auf einer Aussprache bestanden habe, sondern er. Wenn er es sich also anders überlegt hat, wäre es eine Sache des Anstandes, mir zumindest Bescheid zu geben.

Wobei das mit dem Anstand so eine Sache ist. Wenn er sich anständig benommen hätte, dann hätte er vielleicht mal früher erwähnt, dass das Mädchen, dem sein Herz und seine Seele gehört, mir zufällig ziemlich ähnlich sieht.

Ist ja nicht so, dass ich nicht zwei und zwei zusammenzählen kann. Mir ist klar, warum er mich von der Manga-Convention abgeschleppt hat und mir an die Wäsche wollte. Trotzdem hätte ich gerne von ihm selbst gehört, wie er sich das mit uns vorgestellt hatte. Ob er nur ohne Gummi mit mir geschlafen hat, um mich möglichst bald ebenfalls zu schwängern und mit mir das Kind zu bekommen, das ihm mit Meghan versagt blieb.

Bei dem Gedanken beginnen die Tränen ungehindert zu rinnen. Aber ich sollte ihn erst anhören, bevor ich über ihn urteile. Doch wenn er sich nicht meldet, was soll ich dann denken?

Wieder wähle ich Crows Nummer. Doch er geht noch immer nicht ran.

Als mein Handy jedoch vibriert und eine Nachricht anzeigt, die von Crow ist, bin ich erleichtert.

Ich lese die Nachricht einmal und alles Blut weicht aus meinem Gesicht. Dann lese ich sie nochmal und langsam begreife ich den Inhalt und mein Herz schlägt langsamer. Mein Blut scheint zu zäh zu sein, damit mein Gehirn noch ausreichend durchblutet wird. Durch einen Tränenschleier blicke ich auf mein Display.

„Cat, ich bin durch mit dir. Hör auf mich anzurufen. Wenn du Sex brauchst, dann wende dich doch an Sam. Vielleicht nimmt er auch beschädigte Ware zurück."

Natürlich versuche ich Crow trotzdem zu erreichen, aber er drückt mich jedes Mal sofort weg.

„Kannst du mir wenigstens erklären, was los ist?", schreibe ich ihm.

„Sieh dir deinen Kontostand an und freu dich über den Geldeingang. Wenigstens weiß ich jetzt, was Max von dir als Gegenleistung für seine Freundschaft bekommt und wo du und Niall eure Kohle herhabt! Wieviel hast du denn für die nette Story über mich bekommen?"

Was zum Henker ist hier los? Ich verstehe nur Bahnhof.

Aber was auch immer es ist, hat mit Max zu tun und einer Story. Also öffne ich die Seite der „Post".

Heilige Scheiße. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen.

„Und du glaubst, ich hätte damit etwas zu tun?", texte ich ihm.

Er schickt mir einen Daumen, der nach oben deutet.

Und mit diesem einen Zeichen zerstört er alles, woran ich geglaubt habe. Alles worauf ich gehofft habe.
Ist das seine Auffassung von Liebe? Unterstellungen und Vorwürfe, auf die ich nicht antworten kann?

„Nette Mädchen und böse Jungs sind selten lange glücklich", hat mein Dad mich gewarnt.

Ich rolle mich auf meinem Bett zusammen und starre an die Wand. Tränen habe ich keine zu weinen. Dazu müsste ich Trauer empfinden. Zorn. Wut. Ohnmacht. Hilflosigkeit. Irgendetwas empfinden. Doch ich fühle nichts. Nichts außer gähnender Leere und den bitteren Verlust meiner selbst. Ich werde ohne Crow nie wieder vollständig sein.

Dolorous LoveWhere stories live. Discover now