CAT - Kapitel 52

168 13 3
                                    

Es fühlt sich seltsam an, mit Crow auf dem Weg zum Kindergarten Händchen zu halten. Aber seltsam auf gute Art. Immer wieder beugt er sich zu mir, um mich zu küssen. Einfach so, obwohl alle um uns herum es sehen können.

Ich klopfe an Lillys Gruppentür und Mrs Willow begrüßt mich für ihre Verhältnisse recht freundlich. Lilly kommt sofort zu mir gerannt, sobald sie mich sieht und schlingt ihre Ärmchen um meine Taille. Ich gehe vor ihr in die Hocke und küsse sie zur Begrüßung auf die runde Wange, was ihre Augen glücklich leuchten lässt. Dann sage ich zu ihr: „Ich habe eine Überraschung für dich Lilly, du hast Besuch, kleine Maus. Lauf schnell raus."

Lilly quietscht vor Freude, als sie Crow sieht, wirft sich in seine Arme und er wirbelt sie wild im Kreis. Fest drückt er seine Schwester an sich und sie kuschelt sich, die Arme um seinen Hals gelegt, an seine breite Schulter. Das kann ich gut nachvollziehen. Es gibt keinen schöneren Ort, an dem man seinen Kopf ablegen könnte. Vor allem dann nicht, wenn Crow eines von seinen abgetragenen Shirts trägt, deren Stoff schon ganz dünn und weich ist.

Eine Weile stehen die beiden einfach nur da und Crow streichelt über Lillys weiches Haar, während sie hervorsprudelt, was sie den ganzen Tag über gemacht hat. Schließlich setzte er sie auf dem Boden ab und will ihr mit den Schuhen helfen, aber sie schiebt ihn energisch zur Seite. „Das kann ich jetzt selber!", sagt sie stolz. Zwei Anläufe und die erste Schleife ist gebunden. Beim zweiten Schuh klappt es auf Anhieb.

„Cool, Lilly. Echt cool."

„Crow, können wir ein Eis?", fragt Lilly, als wir vorm Kindergarten stehen. Ein kurzer Blick zu mir um sich zu vergewissern, dass das auch für mich in Ordnung geht und erst dann nickt Crow.

Wir sitzen nebeneinander auf der Bank und lecken unser Eis und Crow nimmt dabei meine Hand, zieht sie auf seinen Oberschenkel, verschränkt unsere Finger fest miteinander.

Lilly sieht uns erstaunt an und runzelt ihre Stirn fragend.

„Ist sie jetzt doch deine Freundin?"

Crow nickt zurückhaltend. Wir haben beide keine Ahnung, wie die Kleine auf unsere Neuigkeit reagieren wird. Eigentlich scheint es sie gar nicht sehr zu berühren. Ihr machen andere Dinge offenbar viel mehr Sorgen.

„Vermisst du Meg dann jetzt nicht mehr?", fragt sie arglos und Crow versteift sich, ringt mit sich und der Antwort, sieht mich hilfesuchend an.

„Dein Bruder wird Meg immer vermissen. Das ist so, wenn man Menschen verliert, die man geliebt hat."

„Dann liebt er Meg nicht mehr?"

Die Frage bringt auch mich in eine Zwangslage. Crow und ich haben nicht über Meghan gesprochen. Auch nicht darüber, wie er inzwischen zu ihr steht. Nur ungern möchte ich Lilly eine falsche Antwort geben. Also halte ich mich an Allgemeinplätze.

„Doch bestimmt liebt er sie noch. Das Gefühl löst sich nicht einfach in Luft auf. Aber man kann auch mehrere Menschen zur gleichen Zeit lieben. Ich liebe meine Eltern. Meinen Bruder. Max. Dich. Und Crow. Aber jeden auf eine ganz andere Art."

Damit ist Lilly zufrieden., was auch immer sie sie genau vorstellt.

Später, als Crow und ich gemeinsam in meinem Bett liegen, fährt Crow zärtlich die Linie meines Schlüsselbeines nach.

„Also wie war das nochmal genau, Cat? Wen liebst du alles?", fragt er aufgeräumt und mit einem schiefen Grinsen Seine Augen funkeln im Schein der Straßenbeleuchtung, die durch die Fenster dringt. Einen Moment beobachte ich seinen gelösten Gesichtsausdruck und genieße die entspannte Atmosphäre zwischen uns. Dann drücke ich ihm einen Kuss auf die Wange und flüstere in sein Ohr: „Dich, Crow. Dich liebe ich."

Seine Arme umfangen mich und spenden mir eine Sicherheit, wie ich sie noch nie in seinem Beisein verspürt habe.

„Und ich liebe Dich, Cat. Am liebsten würde es gerne der ganzen Welt zeigen."

Crows Vorschlag, wie wir der Welt unsere Zuneigung zeigen könnten, klingt wirklich unorthodox. Er war ursprünglich derjenige, der mir meine Idee ausgeredet hat. Dass er nun ein gemeinsames Piercen vorschlägt, macht mich sprachlos. Am nächsten Morgen, als wir Hand in Hand meine Wohnung verlassen, bin ich wegen seiner Idee derartig aufgeregt, dass mir schon ganz schlecht ist.

Crow öffnet die Tür zu Toms Studio und ein Berg von einem Mann in einem weißen T-Shirt kommt aus einem der hinteren Räume nach vorne. Währen die Jungs sich die Hand schütteln und sich kumpelhaft umarmen, sehe ich mich in dem geleckt sauberen und geschmackvoll eingerichteten Raum um.

Nach Crow begrüßt Tom mich ebenfalls mit einem festen Händedruck.

„So ihr zwei Hübschen. Was darf es sein? Für jeden ein Herzchen auf den Hintern, in dem Eure Initialen stehen?", scherzt er gut gelaunt.

„Ne, auf dem Hintern sieht das blöd aus. Ich will, dass du mir seinen Namen auf den Unterarm tätowierst", antworte ich.

„Sein Name sieht blöd aus, egal wohin ich ihn dir tätowiere!", widerspricht der Tätowierer und lacht amüsiert. Für einen Moment schafft Tom es mit seiner lockeren Art, mich abzulenken. Fast vergesse ich meine Nervosität.

„Habt ihr zwei dann genug auf mir rumgehackt?", murrt Crow neben mir. Finster sieht er zwischen mir und Tom hin und her. Die Diva ist zurück, würde Craig jetzt sicherlich sagen. Manchmal hat Crow schon wirklich Star-Allüren.

„Jepp, reicht für heute. Also was willst du?", erkundigt sich Tom bei Crow.

„Ich will die zweite Brustwarze gepierct haben. „Und Cat möchte ein Zungenpiercing."

Tom lacht wieder fröhlich. Langsam wirkt das etwas künstlich und aufgesetzt. Vielleicht muss man aber als Studiobesitzer sein. Die Leute an die Hand nehmen, ihnen ein gutes, positives Gefühl geben. Mal im Ernst! Wer lässt sich denn freiwillig von einem Griesgram Schmerzen zufügen? Ich nicht.

Toms Stimme reißt mich aus meiner Überlegung. „Wer will, dass sie sich die Zunge pierct? Du oder sie?" Toms Stimme klingt nicht mehr launig wie zu vor. Eher... provozierend und ein bisschen... keine Ahnung. Vielleicht ablehnend.

„Sie, du blöder Arsch!", fährt Crow auf. „Und bitte halt jetzt einfach den Mund, Tom!" Die beiden wechseln einen Blick, den ich nicht interpretieren kann und Tom wendet sich seufzend mir zu.

„Dann soll sie es mir selber sagen, Corey. Also, Mädel?"

Ich schlucke. „Ich möchte gerne ein Zungenpiercing", sage ich, aber meine Stimme klingt dabei nicht felsenfest, wie beabsichtigt, sondern zittert dabei vor lauter Anspannung.

Ein bisschen Papierkram und ein paar Fragen später sitze ich schweißgebadet vor Tom und kneife meine Augen zu. Oh. Mein. Gott. Echt eine absolute Scheißidee, aber als er sagt: „Letzte Chance. Bist du sicher?", nicke ich dennoch tapfer. Er hat Crow und seinen Freunden schon so viele Metallteile in den Körper gebohrt, dass ich mich auf ihr Urteil verlasse: Er kann das!


Dolorous LoveWhere stories live. Discover now