CAT - Kapitel 49

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Weil das Konzert, zu dem ich nun extra beinahe dreihundert Kilometer gefahren bin, restlos ausverkauft ist, kehre ich unverrichteter Dinge und an der Grenze meiner Geduld zum Auto zurück. Was sollte ich auch sonst tun? Dort sitze ich die Zeit ab, gehe immer wieder in Gedanken durch, was ich Crow sagen will. Immer wieder blicke ich auf die Uhr, die Zeit ist heute nicht mein Freund, sonst würde der Minutenzeiger nicht im Schneckentempo vorankriechen.

Ich könnte inzwischen alle Lieder auswendig mitsingen, so oft habe ich mir die CD angehört, die er Niall zum Geburtstag geschenkt hat. Und jedes Mal, wenn ich Lillys Song anhöre, dann gehe ich durch meine ganz persönliche Hölle. Und ich musste es jeden Morgen anhören, wenn ich seine Schwester in den Kindergarten bringe.

Die Zugabe dröhnt über den Parkplatz zu mir, die kleine Halle tobt und mein Herz rast.

Ich steige aus, gehe zum Hinterausgang, wo eine dunkelhaarige Frau und ein stiernackiger Typ mit Knopf im Ohr die Tür bewachen. Mit mir warten überraschend viele Mädchen und Jungs, Männer und Frauen verschiedensten Alters, dass die Band das Gebäude verlässt, in der Hoffnung, einen Blick auf die Bandmitglieder zu erhaschen oder ein Autogramm zu bekommen. Nur eine Hand voll der Wartenden, die die Dunkelhaarige auf einer Liste abhakt, darf rein. Als ich meinen Namen nenne, schüttelt sie bedauernd den Kopf, begleitet die anderen, während ich ihr nachblicke.

Aber irgendwann, das weiß ich, muss Crow rauskommen, denn in drei Tagen müssen sie am nächsten Veranstaltungsort sein. Die Menge zerstreut sich nach und nach. Und nur wenige besitzen so viel Durchhaltevermögen wie ich.

Resigniert setze ich mich auf den Grünstreifen gegenüber der Tür. Es ist halb zwei. Dass Backstagepartys unendlich dauern, konnte ich nicht ahnen.

Die Frau und ihr Kollege sehen inzwischen fast mitleidig zu mir, während sie sich entspannt unterhalten. Von der Meute bin ich als einzige übrig. Weiß Gott sehe ich nicht wie eine verrückte Attentäterin aus, kein Wunder, wenn sie relaxt sind.

Irgendwann kommt die Frau zu mir herüber.

„Du solltest langsam nach Hause gehen Mädchen. Das kann hier noch dauern."

Aber zu Hause ist mehrere hundert Kilometer entfernt. Heim schaffe ich es heute sicher nicht mehr. Dann kann ich das hier auch durchziehen.

Irgendwann gegen vier, ich bin inzwischen im Sitzen eingedöst, öffnet sich die Tür und spuckt ein paar der Partygäste aus. Geradeaus geht von ihnen keiner mehr. Dann folgen weitere: ich erkenne C mit seiner Freundin. Rufus. Und dann endlich kommt er. Crow. Noch hat er mich nicht gesehen. Um auf mich aufmerksam zu machen, will ich gerade den Arm heben, als er sich wegdreht. Ein Mädchen torkelt hinter ihm aus der Stahltür, er legt ihr den Arm um die Hüfte, um sie zu stützen.

Und dann küsst er sie. Nicht einfach irgendein Kuss, sondern einer mit vollem Körpereinsatz und viel Zunge. Mein Arm bleibt auf halber Höhe hängen. Dann senke ich ihn. Völlig gelähmt sehe ich zu, wie Crow mit der Fremden zum Tourbus geht. Seine Hand ist mittlerweile auf ihren Hintern hinuntergerutscht.

Die Frau vom Security-Team schaut zu mir herüber, zuckt mit den Schultern, als wolle sie sagen: „Ich habe dir ja geraten, du solltest nach Hause gehen."

Aber meine Beine wollen sich nicht bewegen. Keinen Millimeter. An der Tür zum Bus zögert er. Eine vage Hoffnung keimt in mir auf, doch sie zersplittert, als sich die Bustür hinter ihm und der Fremden schließt. Mechanisch gehe ich zum Parkplatz. In vielen Wagen haben sich Leute zur Ruhe gelegt, einige Autos wackeln verdächtig und führen mir vor Augen, was Crow gerade tut.

Wahrscheinlich seit beinahe zwei Wochen tut, während mich die Sehnsucht nach ihm um den Verstand bringt. Lieber Bonusfreunde als gar keine Beziehung, aber ich wollte ja unbedingt mehr und nun habe ich nichts. Ich habe Sam vermisst nach der Trennung, aber ich war so zornig auf ihn, dass es meinen Schmerz gelindert hat. Jetzt lindert nichts meine Sehnsucht.

Ich öffne die Heckklappe, und krabble hinein, schließe den Kofferraum des Kombis von innen und verriegle das Auto. Dunkelheit und ich müssen irgendwie noch ein kleines bisschen klarkommen heute Nacht... zum Glück wird es bald dämmern. Allein in einem Auto auf einem Parkplatz, das ist schon echt gruselig.

Ich wälze mich rastlos hin und her. Frage mich, wie ich auf die blöde Idee kommen konnte, ihm nachzulaufen. Er hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir nur Freunde sind. Mit gewissen Extras. Ich weine, bis ich keine Tränen mehr habe und Dunkelheit hat sich verzogen, als ich endlich einschlafe.

Ich wache auf, weil mir heiß ist. Die Sonne brennt von einem wolkenlosen Himmel. Das Auto ist der reinste Backofen.

Unmotiviert grabe ich mein Waschzeug aus dem doppelten Kofferraumboden und putze ich mir die Zähne mit dem Rest meines Mineralwassers. Ein Blick in den Spiegel bestätigt meine Befürchtung, dass ich aussehe wie auf Drogen. Total verquollene, rote Augen und völlig verschmierte Wimperntusche. Drei Abschminktücher später sieht es nur noch nach krassem Heuschnupfen aus.

Noch ein bisschen Instantdusche unter die Arme sprühen und schon bin ich für die Heimfahrt gewappnet. Mal abgesehen davon, dass ich Kaffee und Wasser brauche...

Dolorous LoveOnde as histórias ganham vida. Descobre agora