SAM - Kapitel 37

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Cat spielt das Intro und ich erwarte die Darbietung einer Krähe und kriege eine Scheiß-Nachtigall geliefert. Offenbar hat der Typ mehr Talent, als erlaubt ist und auch ein paar mehr Gesangsstunden hinter sich, als man auf den ersten Blick vermutet.

Jedenfalls ist der Text über seine Schwester fabelhaft, die Melodie unglaublich und bei seiner Stimme bekomme sogar ich ein klein wenig Gänsehaut. Wenn man das Lied hört ohne zu wissen, dass es um seine Schwester geht, dann könnte es einfach ein Liebeslied sein. Aber wenn man weiß, dass sich jeder Satz auf Lilly bezieht, wenn man sie in ihrem Kleidchen mit ihrer Mama an der Bühne sieht, erkennt man erst, welchen Tiefgang seine Worte haben.

Cat spielt so emotional, wie der hässliche Vogel singt. Mal zärtlich, leise, dann leidenschaftlich, perlen die Töne aus dem schwarzen Flügel, schweben durch den Garten und bohren sich in die Herzen der Zuhörer. Beinahe kann man die Zuneigung greifen, die die beiden Musiker Lilly entgegenbringen. Eine Zuneigung die auch Cat und Corey auf eine fast unheimliche Art verbindet.

Als die letzten Töne verklingen, ist es im Garten mucksmäuschenstill und dann springt Granny auf und beginnt zu klatschen. Damit löst sie frenetischen Beifall aus. Es ist unfassbar, wie dieser mit Metall gespickte, verfickte Penner die Herzen aller Anwesenden berührt und verzaubert hat. Und mein Mädchen.

Sogar Mr. und Mrs. Jones spenden stehend Beifall und auch ich beuge mich der Bewunderung für seine Darbietung und erhebe mich seufzend. Ich kann ihn trotzdem nicht ausstehen!

Cat und er holen nun Lilly und ihre Mum- eine hübsche, gepflegte Frau Anfang vierzig- auf die Bühne und verbeugen sich mit Lilly.

Mein Vater schnappt sich dann das Mikrophon, dankt allen für ihr Kommen und erklärt noch einmal, für wie wichtig er es hält, sich sozial zu engagieren und welch großartigen Job diese jungen Menschen machen. Bittet diejenigen, die anwesend sind, die Arbeit mit einem großzügigen Beitrag zu unterstützen, denn:

„Von dem Engagement allein, liebe Freunde, werden Niall und Cat nicht satt. Wenn es möglich sein soll, diese wunderbare Arbeit weiter ohne Kosten für die Eltern benachteiligter Kinder fortzusetzen, dann geht das nur mit der Unterstützung von Menschen, die Verstand, aber auch Herz genug haben, ihre Finanzkraft dort einzusetzen, wo sie solche Früchte trägt."

Ja, da werde ich oder besser gesagt die „Palmer Armory Ltd." mal die Schatulle öffnen, damit der Cash-flow zwischen Cat und mir mal wieder auf Null gesetzt wird. Langsam gehe ich nach vorne zum Podium und greife nachdem Mikrophon.

Meine Eltern sehen mich misstrauisch an, auch Max sieht alarmiert aus. Nett, wie sie immer das Schlechteste von mir annehmen...

„Liebe Gäste", sage ich, „ich hatte die letzten Wochen die Freude und das Vergnügen, die Vorbereitungen zu dieser Veranstaltung aus der Nähe zu beobachten. Ich weiß, wieviel Zeit und Mühe meine Eltern in die Vorbereitungen gesteckt haben, ich weiß, dass der Ofen meiner Großmutter sicher noch immer glüht. Sicher kann ich aber sagen, dass ein Stockwerk unter meiner Wohnung die Hauptarbeit geleistet wurde, und zwar über viele Wochen. Sie haben heute nur eines der Kinder erlebt, die Cat und Niall mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen unterrichten. Ich kenne sie inzwischen alle." Applaus ertönt.

„Ich kann ebenso mit Sicherheit sagen, dass sich Engagement und finanzielle Verpflichtungen nicht gut vertragen, daher möchte ich als Vermieter eine Last von den Schultern der Familie Jones nehmen." Ich winke Granny zu, die zu mir kommt und mir eine kleine Mappe reicht.

„Meine Großmutter und ich als gleichberechtigte Teilhaber der Palmer Armory bieten Cat und Niall den barrierefreien Ausbau des Erdgeschosses als Sitz für ihre in Gründung befindliche Stiftung an. Wir übernehmen die Umbaukosten und überreichen ihnen voller Stolz ihren Mitvertrag."

Nun übernimmt meine Großmutter das Mikrophon, wendet sich an Cat, während ich die Papiere aus der Mappe hole, die unser Anwalt aufgesetzt hat. „Dies, meine liebe Cat, ist der Schlüssel für den uneingeschränkten Zugang zum Erdgeschoss und zu den sich im Erdgeschoss befindenden Nebengebäuden. Und dies", Granny nimmt mir die Papiere ab, „ist ein mietkostenfreier Vertrag auf Lebenszeit." Granny überreicht beides an die völlig überrumpelte Cat.

Gut so, denke ich, denn das hätte sie anders nie angenommen.

„Wir betrachten dies als unseren Spendenbeitrag bei der heutigen Veranstaltung und wünschen ihnen alles Gute für ihre großartige Arbeit." Granny schüttelt Cat die Hand und Blitzlicht flackert auf.

„Sam, das war echt nicht lustig!", schimpft Cat. „Du hättest mir ruhig mal sagen können, dass das „Granny's" deiner Granny gehört. Und es wäre auch nett gewesen, mich in Hinblick auf den Mietvertrag vorzuwarnen! Ich wäre beinahe in Ohnmacht gefallen."

Trotz ihrer harschen Worte strahlt sie über das ganze Gesicht und ich bade in dem Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben. Dann umarmt sie mich lächelnd und der Fotograf macht dabei auch noch ein nettes Foto von uns.

Bin mal gespannt, was Max's Vater zu diesen Fotos für einen Artikel bastelt und ob es mehr als ein oder zwei in den Artikel über die Gala schaffen. Über Cats Schulter hinweg grinse ich Corey triumphierend an. Er kann ihr heiße Blicke zu werfen, so viele er will. Im Arm halte ich sie aber gerade und sicher lasse ich sie erstmal nicht mehr vom Haken.

Da die Gesellschaft zwanglos sein soll, hat Mum auf eine feste Sitzordnung verzichtet. Das ist unkonventionell, kam in den letzten Jahren aber gut an. Und mir bietet es die perfekte Möglichkeit, Cat zum Buffet zu führen und mir hinterher mit ihr gemeinsam einen Platz zu suchen.

Bis zum Buffet geht mein Plan auch auf, doch Cat wäre nicht Cat, wenn sie mich nicht immer wieder überraschen würde- manchmal auch negativ.

„Entschuldige mich bitte, Sam, aber Crow kennt hier kaum jemanden, such dir ruhig einen Platz."

Und ohne Scheiß lässt sie mich einfach stehen, schlendert mit ihrem Teller in der Hand seelenruhig über den Rasen zu ihrem komischen Vogel. Sie stellt sich zu ihm und seinem Gesprächspartner, Max's Vater.

Zu meiner Überraschung legt sie Corey ihre Linke auf den unteren Rücken und er sieht sie für einen kleinen Moment an, lächelt zu ihr herunter. Ob den beiden bewusst ist, wie vertraulich sie miteinander umgehen? Wenn zwischen den beiden nichts läuft, dann fresse ich einen Besen!

Der geht mir ja sowas von auf den Sack!

Dolorous LoveWhere stories live. Discover now