CAT - Kapitel 48

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Allerdings sehe ich die Sache sehr düster, nachdem ich mich am nächsten Tage gegen Mittag überwinde, Crow anzurufen. Wie ich feststellen muss, meidet er nicht nur seit etlichen Tagen WhatsApp. Sein Handy scheint ausgeschaltet zu sein. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich mir die Ansage der elektronischen Frauenstimme anhöre, die mir geduldig ein ums andere Mal mitteilt, der Teilnehmer sei nicht erreichbar und ich solle es später noch einmal versuchen. auch nicht an sein Handy geht.

Und jetzt? C oder einen der anderen Jungs anrufen? Das kommt schon sehr stalkermäßig und verzweifelt rüber und einen Becher schwarzen Kaffes und ein Sandwich später verabschiede ich mich von dieser Idee. Crows Freunde mit meinem Herzschmerz zu belästigen, wo alle mit der Tour beschäftigt sind, ist mir zu peinlich und zu erscheint mir schon fast kindisch. Einer Lösung bin ich damit aber keinen Millimeter nähergekommen und nur ungern gestehe ich mir ein, dass ich nicht weiterweiß.

Weniger Hemmungen als die Band zu belästigen, habe ich, meinen Frust am späten Nachmittag bei meiner Mum abzulassen. Bei strahlend blauem Himmel, der einfach nicht zu meiner trüben Stimmung passen will, sitzen wir auf der Terrasse. Nervige Vögel zwitschern fröhliche Lieder und auch um Mums Lippen spielt ein unangebracht aufgeräumtes Lächeln.

„Es ist schön, dass Du mich in diese Sache mit einbeziehst", sagt sie, als ich meine Kurzzusammenfassung der absoluten Erfolglosigkeit präsentiere. „Als erst du ausgezogen bist und dann auch noch Niall, date ich bereits, meine Mutterrolle sei beendet und ich müsste mich langsam darauf einstellen, erst als Großmutter wieder gebraucht zu werden."

Bei dieser Aussage verschlucke ich mich beinahe an meiner eiskalten Cola. Kinder? Nein, auf keinen Fall. Später vielleicht mal, aber zum jetzigen Zeitpunkt habe ich noch nicht im Traum an sowas gedacht. Bis vor kurzen hatte ich noch nicht den Hauch sexueller Erfahrungen gesammelt. Erst möchte ich Crow noch eine Weile ganz für mich haben. So für mich, wie man jemanden haben kann, mit dem man nicht zusammen ist und den man mit hunderten kreischenden Frauen und doppelt so vielen grölenden Männern teilen muss. Ganz für mich habe ich ihn eigentlich nie gehabt, gestehe ich mir seufzend ein. Außer in diesen wenigen intimen Momenten, die wir geteilt haben. Die Bilanz ist nicht wirklich gut.

„Nun, wenn du irgendwann Großmutter werden willst, musst du dir was einfallen lassen, Mum. Niall ist das gerade kein heißer Kandidat für Nachwuchs", gebe ich flapsig zurück und meine Mum lächelt traurig.

„Vermutlich hast du da recht", gibt sie gedankenverloren von sich. Dann hellt sich ihre Miene auf.

„Wie wäre es denn mit folgender Idee", schlägt sie dann vor. „Du schaust auf der Homepage der Band, wann und wo dein Sänger die nächsten Konzerte hat. Vielleicht liegt ja eines auf deinem Nachhauseweg oder ist mit einem kleinen Umweg erreichbar."

Auf die Idee hätte ich wohl selber kommen können, manchmal sieht man aber den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Mum schiebt mir ihr iPad über den Tisch zu. Mahnend hebt sie eine Augenbraue. „Und falls Dad jemals fragen sollte, dann kam diese grandiose Idee auf gar keinen Fall von mir. Crow kann er noch weniger leiden als diesen Sam. Der hat wenigstens Stil!"

Mum verschwindet im Haus, um einen Imbiss für den Abend vorzubereiten und ich suche mir derweil die Konzertdaten raus. Das nächste ist übermorgen, wo die Jungs den Zwischenstopp haben, geht aus den Tourdaten nicht hervor. Abfangen werde ich ihn wohl nicht können.

„Mum, kann ich morgen Abend noch hier schlafen?", rufe ich in Richtung Küche. „Das nächste Konzert ist erst übermorgen."

Sie kommt zu mir raus und ich tippe auf eine Stadt etwas mehr als dreihundert Kilometer entfernt."

„Das ist doch absolut machbar. Die Strecke kannst du dir auch sehr gut einteilen. Wenn du rechtzeitig losfährst, dann ist die Strecke auch alleine gar kein Problem", meint sie lächelnd.

Was ist mit meiner streng dreinblickenden Mum passiert? Die Mum, die bei der Spendengala war, die hätte mir eher den Kopf abgerissen, als mir zu einem Treffen mit einem, ihrer Ansicht nach, vogelwilden Musiker zu verhelfen. Ob sie wohl Schwierigkeiten damit hatte, sich an die Tatsache zu gewöhnen nicht mehr gebraucht zu werden und nun froh ist, überhaupt etwas für eines ihrer Kinder tun zu können?

Den heutigen Abend muss ich alleine bestreiten, denn Mum und Dad haben Theaterkarten. Aber das macht nichts. Ich nutze die elternfreie Zeit und skype mit Niall, um ihm zu erzählen, was Mum und ich ausgeheckt haben. Er findet unsere Idee absolut großartig, meint aber, ich solle mir aus dem Keller die Isomatte und einen Schlafsack mitnehmen. Nur für den Fall, dass ich die Heimfahrt vom Konzert nicht in einem Rutsch durchziehen mag. Im Gegensatz zu mir und Mum ist ihm nämlich sofort aufgefallen, dass sich die Etappe zum Konzert recht annehmbar gestaltet, die Gesamtstrecke nach dem Konzert wegen des nicht ganz do kleinen Umweges auf gute sechshundert Kilometer summiert.

Wenn ich einen Schlafsack habe, dann könnte ich einfach die Sitzbank umlegen und im Auto schlafen. Eine hervorragende Idee, finde ich und allemal günstiger und angenehmer als die Motels entlang der Interstate.

Nachdem ich Niall mit meinen Neuigkeiten überfallen habe, erkundige ich mich nach seinen Plänen für die nächsten Tage und er erzählt mir, dass er heute mit Elena telefoniert hat. Das überrascht mich ein wenig, denn er war ja felsenfest überzeugt, mit ihr durch zu sein. Aber offenbar ist er in seinen Ansichten, was sie betrifft, etwas wankelmütig.

Für mich ist das voll okay, wichtig ist, dass das, was auch immer bei der Unterhaltung rauskommen mag, dazu beiträgt, dass er bald wieder lachen kann.

„Vielleicht", sagt er schüchtern, „höre ich mir einfach mal an, wie sie sich das in Zukunft zwischen uns vorstellt."

Dolorous LoveWhere stories live. Discover now