„Trotzdem kann ich nicht mal ein Hotelzimmer kriegen. Wie soll ich mich um dich kümmern, für dich sorgen, wenn ich an solchen Kleinigkeiten scheitere?"

Er klingt wirklich niedergeschlagen. „Sunny hätte dir locker zwei Zimmer besorgt und wahrscheinlich noch einen Rabatt rausgehandelt. Sam hätte dir vermutlich das Hotel einfach gekauft, wenn er kein Zimmer bekommen kann."

Ungläubig sehe ich ihn an. Er hat gestern auf dieser dunklen Straße eiskalt einen Typen niedergeschlagen, der mir an die Wäsche wollte und macht sich jetzt ernsthaft Gedanken, weil er kein Hotelzimmer bekommen hat? Was ist denn das für eine gequirlte Scheiße? Und was zum Geier haben Sam und Sunny damit zu tun? Das ist völlig irrational. Irrationale Eifersucht!

Das ist irgendwie süß. Und ich bin beinahe froh, dass er nicht sagt, dass es damit zu tun hat, was ich über Väter im Allgemeinen gesagt habe.

Seufzend beschließe ich, mich mit einem Fuß in sein emotionales Minenfeld vorzutasten.

„Darf ich dich was fragen?"

„Wer könnte dich schon aufhalten, wenn du dir etwas in den Kopf setzt?", schnaubt er.

„Warum hast du den Typen gestern verprügelt?"

Wieder sieht er mich an, als wäre ich nicht bei Trost.

„Er hat dich eine Hure genannt, Cat. Und er wollte dir definitiv an die Wäsche."

Bei dem Ausdruck zucke ich unwillkürlich zusammen und Crow mustert mich aufmerksam. Doch ich verdränge das ungute Gefühl, dass mich bei diesem Wort jedes Mal überkommt. Verdränge die Tatsache, dass Dan zwar offensichtlich von dem Schriftzug wusste, aber mit keiner Silbe erwähnt hat, wer ihn an meine Wand gesprüht hat.

Und weil er einsitzt und sich zu dem Thema völlig ausschweigt, werde ich vermutlich nie erfahren, wem ich die Schmiererei zu verdanken habe und muss mich noch dazu damit abfinden, dass derjenige noch immer irgendwo herumläuft. Meistens funktioniert mein Verdrängungsmechanismus in Bezug auf diesen Vorfall gut, aber das Wort erinnert mich zu deutlich daran, als dass ich den Deckel auf der Schachtel irgendwo in meinem Hinterkopf festhalten könnte und das hässliche Thema darin verborgen bleibt.

Ich nehme mich zusammen und versuche beim eigentlichen Gespräch zu bleiben.

„Also wolltest du mich schützen?"

„Ja, vermutlich so was in der Art", sagt er.

„Gut, Crow. Und warum darfst du für mich da sein, dich vor mich stellen, mir helfen, mich schützen, aber ich darf das gleiche nicht tun?"

„Das ist ganz was anderes! Was hättest du denn gegen den Typen ausrichten wollen?"

Darauf gehe ich mal lieber nicht ein, sonst landen wir gleich bei meiner Waffe und damit schon wieder bei Sam. Stattdessen sage ich: „Du wünscht dir ein Hotelzimmer, wünscht dir Zeit mit mir und es ist auf unkomplizierte Weise möglich, das zu regeln, aber du machst ein Drama draus. Ich habe mich auch nicht beschwert, dass du gestern so einen Scheiß gemacht hast und eine Anzeige riskierst." Dann streiche ich sachte über seine aufgesprungenen Handknöchel.

„Du hast dich nach langer Zeit für eine Beziehung entschieden, Crow. Das macht aus dir und mir so etwas wie ein wir. Und ich denke, dass wir für einander da sein sollten."

Nachdenklich sieht er mich an. Dann sagt er: „Aber der Punkt ist, dass nicht du das Zimmer besorgt hast oder ich, sondern diese Annie. Mit der habe ich nichts, oder?" Fragend zieht er seine Augenbraue hoch.

Die Sache wird nun heikler, aber einen Rückzieher zu machen hat keinen Sinn.

„Crow, meine Familie ist jetzt irgendwie auch deine. Dazu zählt auch mein Vater, als seine rechte Hand auch Annie. Und wenn ich meinen Vater um einen Gefallen bitte, einen der innerhalb der Familie absolut normal ist, dann lande ich zwangsläufig erst einmal bei ihr. Ich hätte auch meine Mum bitten können, aber sie hätte dann Dad gebeten und es wäre alles denselben Weg gegangen, Crow. Und für mich zählt nur das Endergebnis."

Nachdrücklich füge ich hinzu: „Wir haben ein Zimmer. Und das würde ich jetzt gerne mit dir ausnutzen."

Ich sehe in seinen sturmblauen Augen, wie er einen Moment mit sich kämpft, dann steht er auf, klopft sich den Staub von der Hose. Er streckt mir die Hand entgegen und zieht mich hoch.

Wir stehen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und er legt seine Stirn gegen meine, und ich meine Arme um ihn.

„Alles okay zwischen uns?", frage ich ihn zaghaft.

Er nickt zunächst, fragt dann aber: „Und das mit deinem Sam findest du wirklich normal?"

„Ich weiß nicht, ob das normal ist, Crow. Aber es ist definitiv nichts, was dir Sorgen machen sollte. Schließlich bin ich mit dir hier und nicht mit ihm."

„Und auch nicht mit Sunny", seufzt er. „Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich grade ziemlich bescheuert benommen habe", fügt Crow dann zerknirscht an.

„Ein bisschen vielleicht", stimme ich ihm zu und er lächelt verlegen, legt seine Hand in meinen Nacken, zieht mich zu sich und ich spüre sofort die Veränderung zwischen uns. Aus der Distanz wird Nähe. Die Luft zwischen uns knistert von unserer gegenseitigen Anziehung, als er seine Lippen auf meine legt. Ich zerfließe beinahe unter der zarten, innigen Berührung.

„Zeigst du mir unser Zimmer?", flüstert er leise an meinen Lippen. „Oder muss ich jetzt im Auto bleiben?"

„Das hängt davon ab, wie du dich beim Essen benimmst", necke ich ihn und er schmunzelt.

„Du bist wirklich hartherzig", beschwert er sich.

Dolorous LoveWhere stories live. Discover now