19. Die Wahrheit

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Bei den Uminos herrschte eine Ruhe wie schon lange nicht mehr. Während Lizzys Eltern häufig ausser Haus waren, da sie arbeiten mussten, wagte niemand der Angestellten in die Nähe des Zimmers von Lizzy. Wenn die Eltern zu Hause waren, war kein Mucks zu hören, aber sobald sie fort waren, hörte es sich an, als würde in diesem Zimmer ein Krieg stattfinden. Man konnte Dingen umherfliegen hören, Spiegel der zersplitterte, zerreissen von Stoffen. Niemand wusste so genau, was sie machen sollte. Lizzy kam seit vier Tagen nicht mehr aus ihrem Zimmer hinaus, ass nicht, die Eltern interessierten sich einen Dreck für sie. Einzig allein die Angestellten waren sehr besorgt um ihr Fräulein. So aufgewühlt haben sie Lizzy noch nie erlebt.

Die Braunhaarige sass auf einem Berg gemischt von Kleidern, Büchern und anderem Schnickschnack. Die Vorhänge waren hinunter gerissen und wurden in kleine Teilchen zerfetzt. Die Bücher wurden alle von den Regalen hinuntergeschmissen. Die Bettwäsche lag verteilt im Zimmer. Einfach alles lag auf dem Boden. Lizzy legte sich hin und starrte einfach die Decke an. "Sie interessieren sich einen Dreck um mich", murmelte sie immer wieder vor sich hin. Morgen würde sie wieder zurückfahren zur Akademie. Eigentlich wäre Lizzy seit Tagen wieder abgereist, aber es war ihr ja noch nicht erlaubt zurück zu gehen und etwas musste sie noch tun, bevor sie ging. Der Dachboden. In der Nacht, wenn alle schliefen, wird sie nach oben gehen. Es dämmerte bereits und sie hörte das Auto ihrer Familie. Nun hiess es still sein und keinen Mucks machen. Für Lizzy ging die Zeit wahnsinnig schnell vorbei. Sie nahm alles um sich herum gar nicht war. Die Schritte, die Stimmen, das Klopfen. Nichts kam an das Mädchen heran. Sie dachte nur an den einen Satz "Sie interessieren sich einen Dreck um mich."

Als der Mond hoch am Himmel stand und ihr Zimmer mit Licht durchflutete, stand Lizzy endlich auf. Sie trug nichts weiter als eine kurze Hose und ein viel zu grosses Hemd. Barfuss schlich sie sich aus dem Zimmer. Es war still in der Villa. Keine einzige Lampe brannte noch, doch Lizzy kannte den Weg zum Dachboden nur zu gut. Den Gang hinunter, rechts die erste Tür. Diese machte sie auf und dahinter verbarg sich eine Treppe, die nach oben führte. Mit langsamen Schritten ging sie nach oben. Mit jeder Treppenstufe pochte ihr Herz ein wenig mehr. Das Holz knarzte ein wenig. Einen Teil des Dachbodens konnte sie schon ausmachen und nach wenigen Stufen war sie endlich wieder oben.

Durch ein Fenster wird das Zimmer mit dem Mondlicht durchgeleuchtet. Alles war verstaubt und alt. Es gab viele Regale voll mit Büchern, Kartons mit allem Schnickschnack, einige Spiegel standen herum, aber alle wurden von einem Tuch abgedeckt, ein Schreibtisch, Sofas und Sessel und alles war verstaubt. Lizzy wunderte sich, warum die Angestellten hier nicht putzten. Mit leise Schritten guckte sie sich im gesamten Raum um. Vor einigen Kartons liess sie sich nieder und ging alle Sachen durch. Es waren hauptsächlich alte Spielzeuge von ihr und viele selbstgemalten Bildchen. Lizzy konnte sie sich noch gut erinnern, wie grossartig sie sich als Künstlerin immer gefühlt hatte und immer bei Ayame Bestätigung gesucht hat. Ihre liebevollen Augen und ihr wunderschönes Lächeln hatten sich in ihr Hirn eingebrannt. Doch dann änderte sich das Bild plötzlich. Rote gierige Augen, spitze Reisszähne, Blut, welches vom Mundwinkel herunterlief. Lizzys Körper zitterte stark und sie war nicht mehr fähig sie irgendwie zu bewegen. Dann hörte sie seine Stimme im Kopf "Willst du ein Vampir werden, meine Kleine?" Tränen liefen ihren Wangen hinunter. "Raus aus meinem Kopf", flüsterte sie mehrfach hintereinander. "Raus aus meinem Kopf!" Langsam stand die Braunhaarige auf und stützte sich an einem Spiegel. Sie klammerte sich in das Stofftuch, welches darüber gehängt wurde und es fiel hinunter.

Lizzy sah sich selbst im Spiegel, aber sie war nicht allein. Ayame stand rechts neben ihr und biss in ihren Hals. Ihr lief Blut den Hals hinunter. Auf der linken Seite sah sie ihn. Respektive seine Augen, welche sehr markant waren. Lizzy würde diese Augen unter Millionen von Leuten wiedererkennen. Plötzlich bekam sie Probleme zu atmen. Als würde seine Macht ihr den Hals zudrücken. Sie war weder fähig sich zu bewegen noch zu sprechen. Dieser unglaubliche Druck war auf ihr und sie konnte rein gar nichts dagegen machen. Sie war ihm vollkommen verfallen und er würde sie nie mehr gehenlassen. "Ich werde wiederkommen, meine Kleine" Diese tiefe raue Stimme war in ihren Ohren. Aus Angst kniff sie ihre Augen so stark zu, wie Lizzy nur konnte. Alles in ihr schrie wegzurennen, aber er hinderte sie daran. Dieser Reinblüter übte seine Macht aus, um sie bei sich zu halten. Sie war ihm schutzlos ausgeliefert und niemand wird sie je retten können. Das Blut was ihr am Hals runterlief, ging ihr aber nicht mehr aus dem Kopf. Auch wenn es nicht da war, auch wenn es nicht existierte. Lizzy hatte diesen Geruch in der Nase. Ein leichtes Verlangen machte sich breit und sie erinnerte sich an den Tag, als sie mit Akito den Level-E erledigt hatten. Es war nicht viel Blut, dass sie geleckt hatte, aber sie schmeckte es auf der Zunge und sie wollte es unbedingte, aber sie durfte nicht, Lizzy musste sich beherrschen. Sie darf dem Verlangen nicht nachgeben, sonst wäre es gewesen mit ihrem normalen Leben. Einmal so richtig Blut trinken und sie wird wahrscheinlich kein Mensch mehr sein.

Eine ganze Weile blieb sie so stehen. Gefangen in der Dunkelheit. Ganz allein. Der Druck lies langsam immer mehr und mehr nach und Lizzy konnte sich allmählich entspannen. Als sie sich endlich wieder sicher fühlte, verliess sie den Dachboden ohne noch einen weiteren Blick in den Spiegel zu werfen. In ihrem Zimmer legte sie sich hin und versteckte sich unter der Bettdecke. Ihr Körper war ausgelaugt, als hätte man ihr die gesamte Energie gestohlen. Noch nie hatte sie sich so schwach gefühlt. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, schlief sie sofort ein.

Den nächsten Tag schlief sie sehr lange. Erst am späten Nachmittag wachte sie auf und fing an ihren Koffer zu packen. Sie nahm das nötigste mit. Im Badezimmer ging sie dem Spiegel aus dem Weg. Sie wagte es nicht hineinzusehen. Aus Angst er würde sie wieder unter seiner Macht bringen. Den Koffer zu packen dauerte eine Weile, da sie alles aus dem riesigen Chaos herausfischen musste, welches sie Tage zuvor veranstaltet hatte. Mit dem Koffer in der Hand lief sie nach unten in die Eingangshalle dort ordnete sie einer Angestellten an, dass sie ihr Zimmer aufräumen soll. Daisuke wartete draussen bereits auf sie und verstaute den Koffer im Kofferraum.

"Freuen sie sich wieder zurückzugehen, Fräulein Lizzy?", fragte ihr Fahrer als sie losfuhren. "Nicht wirklich, aber es ist besser als hier sein zu müssen", murmelte sie und sah belanglos aus dem Fenster. Daisuke tat es weh, Lizzy so zu sehen. Ihm war bewusst, was passiert war. Seine Kollegen haben es ihm erzählt und er fühlte sich sehr schlecht. Sie hatte noch nie ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern gehabt und diese Situation machte es nur noch schlimmer. Daisuke arbeitet schon sehr sehr lange für die Uminos und weiss dementsprechend Dinge, die das Fräulein Lizzy nicht herausfinden sollte, aber er wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis die gesamte Wahrheit ans Licht kam.

Die Autofahrt zog sich sehr lange hin, da die beiden im Stau stecken blieben. Erst gegen 23:00 Uhr kamen sie an der Akademie an. Daisuke kramte ihren Koffer heraus. "Einen angenehmen Abend noch, Fräulein Lizzy. Pass auf dich auf", sagte er und verbeugte sich leicht. Lizzy nickte nur und machte sich auf den Weg zum Schulgebäude. Sie musste sich noch beim Rektor melden, dass sie wieder zurück ist. Es war ziemlich kalt geworden. Die Bäume verloren bereits all ihre Blätter und es war nur noch eine Frage der Zeit bis der Winter endlich anbrach. Lizzy schüttelte sich wegen dem frierenden Wind. Mit dem Koffer lief sie alle Treppen nach oben. Ihr fiel auf, wie ruhig es im Gebäude war. Grundsätzlich kein Wunder. Immerhin war es mitten in der Nacht und nur die Nightclass hatte Unterricht, aber meistens liefen einige noch im Gebäude umher und man hörte dementsprechend Schritte, aber es war ruhig sehr ruhig. Sie klopfte am Büro an und hörte das herein.

"Ah Lizzy! Schön, dass du wieder zurück bist, aber bist sehr sehr spät dran!", mahnte Kaien sie und sah sie tadelnd an. Er musterte die Schülerin und er merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. "Tut mir leid, Herr Rektor. Wir hatten Stau auf den Weg hierhin und deswegen hat es so lange gedauert", erklärte sie ihm. Kaien strahlte sie an und meinte "Achso, na dann ist ja alles gut. Ich hoffe, du hattest eine schöne Zeit zu Hause gehabt!" "Ja, es war angenehm", antwortete die Braunhaarige kurz. "Na dann, husch husch, schnell ins Bett mit dir. Sonst verschläfst du morgen noch!", schickte der Rektor sie ins Bett. Lizzy nickte und verliess das Büro. Die ganzen Treppen lief sie wieder nach unten und lief aus dem Schulgebäude heraus. 

Verlorene SeeleWhere stories live. Discover now