69. Rückkehr

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Sofort lief sie die Galerie entlang und dabei blieb der Augenkontakt standhaft. "Du bist keinen Tag älter geworden, Alice", flüsterte er und wollte sie gerade in den Arm nehmen, jedoch wich Lizzy zurück "Tut mir leid, ich bin nicht Alice, aber ich denke, sie können mir weiterhelfen. Mein Name ist Elizabeth und ich bin auf der Suche nach meiner Mutter. Ich bin mir nicht sicher, ob Alice mit mir verwandt ist oder nicht, weswegen ich genauere Informationen über sie brauche."
Dem Pastor kamen die Tränen und er nickte einfach nur "Alice ist absolut deine Mutter. Ich kann es nicht fassen, was ist mit ihr passiert? Wo ist sie? Das muss jetzt schon ca. 20 Jahre her sein, seit wir ihr geholfen haben", schluchzte er. "Es tut mir wirklich leid, aber sie ist tot. Ich weiss nicht wie oder wann oder sonst was. Ich hab erst vor kurzem erfahren, dass meine Eltern nicht meine richtigen Eltern sind und jetzt bin ich auf der Suche nach Leuten, die meine leibliche Mutter gekannt haben", erzählte Lizzy. Der Pastor wies sie hin, sich hinzusetzen.
"Alice war eine wundervolle, intelligente, grosszügige Frau mit grosser Herzensgüte. Sie hat hier in London für eine lange lange Zeit gelebt und war in der Forschung tätig. Jeden Sonntag kam sie in die Kirche für den Gottesdienst. Sie hatte schon immer ein Talent dafür, sich mit anderen anzufreunden und so kam es, dass sie sehr bekannt war in London. Gefühlt jeder kannte sie. Sie brachte auch immer wieder grosse Spenden der Kirche entgegen und organisierte viele Events für Kinder, ältere Leute, Obdachlose etc. Jeder hat sie geliebt. Doch eines Tages war sie wie vom Erdboden verschluckt. Keiner hat sie mehr gesehen noch etwas von ihr gehört. Doch nach etwa drei Jahren tauchte sie plötzlich wieder auf. Es war bereits mitten in der Nacht gewesen. Draussen tobte ein Sturm der fürchterlicher nicht hätte sein können und da stand Alice in der Mitte der Kathedrale. Völlig durchnässt, völlig verzweifelt mit einem Babybauch. Pastor James und ich waren völlig überrascht. Wir wollten wissen, was passiert war, wo sie gewesen sei und warum sie plötzlich schwanger sei. Immerhin habe sie immer gesagt, sie könne keine Kinder kriegen, doch sie sagte nur, dass sie unbedingt zurück nach Japan, ihrem Herkunftsland, musste. So schnell wie möglich. Wir konnten kaum andere Informationen aus ihr herauslocken. Alice meinte nur, sie und das Baby seien in Gefahr, wenn sie länger hierblieben. Wir akzeptierten ihr Stillschweigen und arrangierten alles Mögliche, dass sie still und heimlich das Land verlassen konnte. Wir waren natürlich besorgt, ob sie in Japan jemanden habe, der ihr Unterkunft geben konnte. Daraufhin sagte sie bloss, dass sie einen sehr alten Freund habe, der eine der erfolgreichsten Akademien leitete. Nach dieser Nacht haben wir sie nie wieder gesehen. Ruhe in Frieden Alice. Möge Gott mit dir sein", erzählte er und legte eine kurze Schweigeminute für ihre Mutter ein.
Viele unterschiedliche Gefühle durchströmten Lizzy. Ihre Mutter war auf der Flucht vor jemanden. Sie hatte in Japan einen alten Freund, der eine sehr erfolgreiche Akademie leitete. <<Kaien Cross? Warum würde er mir aber die Wahrheit verschweigen? War er auch etwa an einen Schwur gebunden, wie Grossonkel James?>>
Eine Frage hatte sie trotzdem noch "Wie lautete ihr Nachname?" "Alice De Verde. Gebürtige Japanerin. Wie ihr französischer Nachname zustande kam, weiss ich auch nicht, aber sie trug immer ihr Familienwappen um den Hals. Ein Schwert, welcher von einem Drachen umschlungen wurde", erzählte der Pastor. Dankend nickte Lizzy ihm zu "Wenn sie mich nun bitte entschuldigen würden. Ich bin ihnen wirklich dankbar für alle Informationen, die sie mir zukommen lassen haben und ich stehe in ihrer Schuld, aber ich muss jetzt unbedingt weiter. Es gibt immer noch sehr viele offene Fragen, was das Verschwinden meiner Mutter angeht."
"Elizabeth, ich befürchte, dass die Leute, die hinter deiner Mutter her waren, ebenfalls hinter dir her sein werden, sobald sie in Erfahrung gebracht haben, wer du wirklich bist", warnte er sie. "Keine Sorge, Pastor. Falls ich gejagt werden sollte, dann weiss ich, wie ich mich zu verteidigen habe", murmelte sie und stieg die Treppen wieder zur Kirche hinab. Sie gab Akito ein Zeichen, dass sie gehen konnten.
Draussen sah ihr Sensei sie auffordernd an. "Alice De Verde. Hat hier um Hilfe gebeten um zurück nach Japan zu kommen, aber mehr konnte mir der Pastor auch nicht sagen. Nur dass sie von jemanden gejagt wurde", erklärte sie kurz und knapp. "Dann geht die Suche wohl in Japan weiter", murmelte er und sie begaben sich sofort auf den Weg zurück ins Hotel, um zu packen. Währenddessen wurde Lizzys Handy nur so bombardiert mit Anrufen und Nachrichten. Sensei Yagari, Zero, Aido, Ichijo, Kaien, Yori. Ab einem gewissen Punkt schaltete sie es aus, um endlich ihre Ruhe haben zu können.
In der Cross Akademie herrschte grosses Chaos obwohl immer noch Ferien waren. Die Nachrichten, dass die Tochter des Grosskonzerns der Uminos einen kleinen Jungen gerettet hat, ging um die Welt. Kaien sass nervös in seinem Büro und trank seine zehnte Tasse Tee, obwohl erst 13:00 Uhr war. Ichijo, Kaname, Yagari und Zero waren ebenfalls dort und besprachen die Lage.
"Ich habe letzte Nacht einen Anruf von ihr erhalten. Sie ist wohlauf mit Akito in London. Sie hat mir ebenfalls erklärt, was passiert ist und wieso sie plötzlich verschwand. An diesem Abend wurde sie von Shizuka schwerverletzt und flüchtete vor ihr. Akito hat sie gefunden und gleich bei einem alten Freund von sich in den Bergen behandeln lassen. Danach sind die beide auf ihre Englandreise gegangen, welche Lizzy anscheinend gewonnen hatte. Es schien, als wären sie sehr gestresst gewesen und hätten deswegen keine Zeit gehabt, sich zu melden. Jedenfalls können wir endlich alle durchatmen, für einen Moment jedenfalls", erzählte der Rektor.
Seit Wochen hatten sie auf ein Lebenszeichen von ihr gewartet und endlich hatten sie es. Nach alledem, was mit Yuki passiert war, war es endlich mal eine gute Nachricht. Kaname rümpfte für einen kurzen Moment seine Nase. Er versuchte sich in Gedanken den Vorfall nochmals zusammenzupuzzeln.
"Was ist mit Yuki? Hat ihr schon jemand Bescheid gesagt? Hast man überhaupt schon herausgefunden, warum sie Lizzy angegriffen hat?", fragte Zero besorgt. Kaien faltete seine Hände auf den Tisch und schüttelte den Kopf "Die Ärzte haben gesagt, dass sie in immer noch keiner guten Verfassung ist. Besuche sind momentan niemanden gestattet ausser mir. Ausserdem würde sie es sehr wahrscheinlich nicht mal glauben. Erst wenn Lizzy vor ihr stehen würde. Dadurch, dass sie sich selber eine eigene Realität erschaffen hat, was an diesem Abend passierte, sind ihre wahren Beweggründe immer noch unbekannt."
"Aber wir können Lizzy doch nicht erzählen, was mit Yuki passiert ist. Sie würde sich unendlich viele Vorwürfe machen. Sie würde ein traumatisches Erlebnis nach dem anderen erleben, das können wir nicht verantworten!", Ichijo war sehr besorgt um das Mädchen.
"Ich weiss, ich weiss. Ich bin mir bereits am Überlegen, wie wir das am besten anstellen, ohne dass wir weiteren Schaden anrichten. Am besten ist es, wir warten, bis Lizzy zurückkommt. Die Schule fängt in wenigen Tagen an und ich hoffe, dass sie ebenfalls hier sein wird. Ich werde ein ausgiebiges Gespräch mit ihr führen und je nachdem, wie das ausfällt, werde ich weitere Schritte einleiten in Absprache mit Yukis Ärzten natürlich. Ihr dürft ihr auf keinem Fall erzählen, was mit Yuki passiert ist. Nicht solange, ich mit ihr geredet habe", erklärte der Rektor.
"Was machen wir, wenn sie trotzdem nicht mehr zurückkommt?", brachte Yagari in die Diskussion mithinein. "Sie wird bestimmt rechtzeitig kommen. Einerseits hab ich es ihr am Telefon gesagt, dass sie pünktlich kommen soll und andererseits ist sie immer noch an ihre Eltern gebunden und diese werden es nicht begrüssen, wenn sie plötzlich nicht mehr in der Schule auftaucht. Ihre Eltern könnten, wenn sie wollten, sie in null Komma nichts ausfindig machen. Sie haben ihre Kontakte. Solange Lizzy nach ihren Regeln spielt, bleiben sie ruhig, aber tut sie das nicht mehr, dann wird leider Gottes die Hölle ausbrechen", erklärte Kaien.
Auch wenn er Kimiko und Michael gut kannte, wusste er schon seit geraumer Zeit, dass sie keine guten Eltern für Lizzy waren, aber er konnte nicht eingreifen. Immerhin war es der Wunsch von Alice, dass sie in einem sicheren und verborgenen zu Hause aufwuchs und das konnte der Rektor nicht geben, da er immerhin ziemlich bekannt war in der Unterwelt.
Aus dem Nichts vibrierte Yagaris Handy. Als er sah, wer anrief, stellte er sofort auf Lautsprecher "Akito, du Idiot! Wo zur Hölle bist?! Warum hast du auf keine Nachrichten mehr geantwortet seit Wochen?! Und wo seid ihr?!" "Jetzt schrei doch nicht so, mein alter Freund. Mir geht es hervorragend danke der Nachfrage. Ich habe eine spirituelle Reise unternommen in den letzten paar Wochen und dabei ist mein Handy draufgegangen, aber ich konnte so unglaublich vieles Lernen! Ich empfehle dir dringendst dies auch zu tun! Das beruhigt Körper und Geist!", kicherte der Vampirjäger.
"Beantworte die Frage, Akito. Wo seid ihr?!", brummte Zero ungeduldig. "Ach, das ist ja Zero! Hallo, mein Freund! Lizzy und ich sind gerade am Flughafen in Japan angekommen. Keine Sorge. Ihr werde meine Prinzessin bald wiedersehen. Ich werde schon dafür sorgen, dass sie regelmässig in die Schule geht", kicherte er. Kaien atmete erleichtert aus. "Das hoffe ich sehr für dich! Sag Lizzy, dass sie sich eine gewaltige Predigt anhören kann, wenn sie zurückkommt! Einfach so zu verschwinden", motzte der Sensei und verschränkte die Arme. "Das hab ich gehört, Sensei! Ich bin mental schon darauf vorbereiten", konnte man es im Hintergrund hören. "Jedenfalls muss ich los! Bye Bye!", und er legte auf.
Seufzend sah er seine Schülerin an "Bist du zufrieden mit dieser Performance?" Sie nickte ihm dankend zu "Es tut mir wirklich leid, dass du den Rektor und Yagari-sensei anlügen musst, aber ich denke es ist besser so." Akito drückte seine Zigarette auf dem Boden aus, wuschelte ihr durch die Haare und gab ihr einen Kuss auf die Stirn "Was immer die Prinzessin sich wünscht, ist mein Befehl. Ich muss mich aber jetzt schleunigst beim Verband melden, sonst krieg ich noch Probleme, weil ich so lange abwesend war. Kann ich dich allein lassen?" Mit geröteten Wangen sah sie ihn peinlich berührt an "Natürlich kannst du das! Ich bin keine zehn mehr!" "Für mich schon, pass auf dich auf", kicherte Akito und verabschiedete sich von ihr. Lizzy sah ihrem Sensei noch lange hinterher.
Sie waren gerade in Japan gelandet und standen noch am Flughafen. Sie wusste nicht so recht, wo sie hinsollte. Nach Hause, wo ihre Eltern ihr eine Standpauke geben werden oder in die Akademie, wo sie mit Fragen durchlöchert wird. Sie wollte eigentlich nur noch in ein Bett und in Ruhe schlafen können. Den gesamten Flug über konnte sie kein Auge zudrücken. Zu besorgt war sie, dass jemand die Wahrheit erfahren könnte. Sie setzte sich auf die Bank bei der Bushaltestelle, jedoch stieg sie in keinen einzigen ein. Zu viele Dinge gingen ihr durch den Kopf, als dass sie sich jetzt sorgen, machen könnte, wo sie diese Nacht schlief.
Alles um sie herum nahm ihren Lauf und nur sie blieb stillsitzen. Irgendwann driftete sie in das Land der Träume. Sie bemerkte nicht, wie vor ihr ein schwarzer Wagen hielt und ein gewisser Reinblüter ausstieg und sie kopfschüttelnd ansah. Er hob sie hoch und brachte sie ins Auto "Zuerst verschwindest du einfach, dann tauchst du plötzlich wieder auf und das Erste, was du machst, ist bei einer Bushaltestelle in aller Öffentlichkeit einzuschlafen. Du machst einem nur Probleme."

Verlorene SeeleWhere stories live. Discover now