Time and Again

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„Liz", empfing mich Ryan, als ich die Küchentür hinter mir schloss. Mein Blick schoss alarmiert zu ihm. Doch er saß immer noch auf dem Küchenstuhl, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, seine Augenbrauen waren eng zusammengezogen. „Du musst vorsichtig sein, wenn du zu der Wohnung gehst."

Misstrauisch verengte ich meine Augen. „Wieso?"

Ryan senkte den Kopf und blickte auf seine Füße. „Noah lässt die Wohnung observieren."

Unauffällig legte ich die Zigarette auf die Küchenablage hinter mir. Ich konnte später darauf zurück kommen, wenn ich wollte. „Warum lässt Noah die Wohnung observieren?", fragte ich nach.

„Er glaubt, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass Jimmy das Koks in der Wohnung versteckt hat. Wir haben die Wohnung zwar schon von oben bis unten durchsucht, aber er hält trotzdem daran fest...", erklärte Ryan.

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. „Und warum erzählst du mir davon?"

„Wie schon gesagt, ich werde dich nie wieder verraten. Und dazu gehört meiner Meinung nach auch, dass ich dich nicht einfach so ins offene Messer laufen lasse."

Nachdenklich sah ich ihn an. Ich wusste nicht, ob ich ihm glauben sollte. Weder ob die Hounds Marcs Wohnung im Blick behielten, noch ob er mich nie wieder verraten würde. Zugegeben, ich war wenig geneigt, das letztere zu glauben. „Spielt eigentlich keine Rolle, ob ich dir das alles glaube oder nicht", meinte ich und merkte selbst dabei, wie hart meine Stimme klang, „ich muss so oder so vorsichtig sein, wenn ich zur Wohnung gehe." Beziehungsweise ich würde es aufgrund meiner tiefen Paranoia sowieso sein.

Ryan ließ seine Schultern hängen. „Ich wünschte, du würdest mir glauben, dass ich dich nie wieder verraten werde. Es tut mir alles so unglaublich leid. Was würde ich alles dafür geben, das alles ungeschehen zu machen."

„Tja, du musst zugeben, dass du in deiner Situation vermutlich alles sagen würdest, nicht wahr?", fragte ich ihn. Ich spürte, wie Ärger über ihn in mir auf stieg. Er wünschte sich also, ich würde ihm wieder glauben? Ihm wieder blind vertrauen? Das hätte er sich vielleicht überlegen sollen, bevor er mich gefoltert und mein Vertrauen in ihn vollständig missbraucht hatte.

Ryan runzelte seine Stirn, „wie meinst du das?"

„Oh, ich denke, du weißt ganz genau, wie ich das meine", meine Stimme wurde langsam immer lauter. „Du denkst, wenn du mich wieder umschmeichelst, wenn du mir wieder einredest, du würdest mich immer noch lieben oder so einen Scheiß, dann mache ich dich los und du kannst beenden, was du im Folterkeller der Hounds begonnen hast!" Ich hatte mich in Rage geredet, die letzten Worte spie ich fast aus. Ryan sah mich erschrocken an. Meine Brandnarbe über meinen Rippen begann wieder zu ziepen, als würde sie die Anwesenheit von demjenigen spüren, der sie verursacht hatte.

Ich griff hinter mich und lief mit der Zigarette in der Hand zum Fenster. Ryan folgte mir mit seinen Augen. Ich nahm das Feuerzeug vom Fensterbrett und drehte mich wieder zu ihm um. Mein Gesicht war eine angespannte, harte Maske. Schrecken blitzte in Ryans Augen auf, als er sah, was ich in den Händen hielt.

„Normalerweise rauche ich ja nicht, viel zu ungesund, aber heute mache ich eine Ausnahme...", wiederholte ich die Worte, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatten, wie das mentale Äquivalent zu der Brandnarbe, die er mir Sekunden später verpasst hatte.

Ich zündete die Kippe an und nahm einen vorsichtigen Zug. Der Rauch kratzte in meiner Lunge, doch ich hielt mit äußerster Willenskraft ein Husten zurück. Ryan hatte die Augen weit aufgerissen und sah mich verstört an. Kurz kam der Gedanke in mir auf, ob mein Gesichtsausdruck wohl ähnlich gewesen war, als ich im Keller an den Ketten gehangen hatte und er auf mich zugekommen war. Die Erinnerung ließ die Wellen der Wut erneut höher schlagen.

Langsam trat ich näher auf ihn zu. Ryan schien genau zu wissen, was ihn erwartete. Er bog seinen Oberkörper nach hinten, versuchte, so viel Abstand zwischen sich und das glühende Ende der Zigarette zu bringen.

„Liz, bitte nicht...", flüsterte er mit tonloser Stimme.

„Ich habe dich auch angefleht, erinnerst du dich?", fragte ich ihn. Er schloss die Augen und ein Laut, zwischen einem Wimmern und einem Stöhnen entwich ihm. „Du hast nicht auf mein Flehen gehört", fuhr ich erbarmungslos fort. Ryan öffnete seine Augen wieder. Klares, helles Blau strahlte mir entgegen.

„Du hast recht", er flüsterte immer noch, „ich schätze, ich habe es verdient." Und er sah mir ebenso erbarmungslos in die Augen. In diesem Moment merkte ich, dass ich es nicht konnte. Alle Wut, jeder Zorn, jede Vergeltungssucht, die mich erfüllt hatte, war wie weggewischt. Mein Kopf klärte sich wieder und ich konnte meine Gedanken wieder sammeln. Ich merkte, dass ich es eigentlich nicht einmal wollte, ihm wehzutun. Ich wollte ihm nicht das gleiche antun, was er mir angetan hatte.

„Aber ich bin nicht du", schloss ich knapp und drückte die Zigarette im Aschenbecher auf dem Fensterbrett aus. Ich konnte Ryan hinter mir schwer ausatmen hören, doch ich starrte durch das Fenster in die dunkle Nacht hinaus und fragte mich, warum ich ihm nicht dasselbe antun konnte, was er mir angetan hatte.

Mehrere tiefe Atemzüge stand ich dort unbeweglich, während sich Ryan in meinem Rücken von seinem Schrecken erholte. Irgendwann drehte ich mich wieder um. Meine Emotionen wirbelten in mir umher und vermischten sich zu einer undefinierbaren Masse, so fest, dass ich die einzelnen nicht mehr identifizieren konnte. Ryans Blick hing an mir.

„Warum?", flüsterte ich, „warum kann ich nicht...?" Meine Stimme brach.

„Weil du besser bist als ich", meinte Ryan mir ruhiger Stimme. „Warst du schon immer. Wirst du immer sein. Ich hatte dich nie verdient. Aber obwohl mir das bewusst war, wusste ich, dass du das Beste warst, das mir je passieren konnte."

Ich hatte meine Augenbrauen eng zusammengezogen. Schmerz tobte in meinem Herzen. „Warum hast du mich dann verraten? Wenn ich das Beste war, was dir je passiert ist, warum hast du mich verraten?"

„Weil ich in dem Moment keinen Ausweg gesehen habe", versuchte Ryan erneut, sich zu erklären und ich begann, ihm zumindest ein kleines bisschen zu glauben.

Dark as midnightWhere stories live. Discover now