Here I come (There you go)

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Am nächsten Morgen wachte ich davon auf6, dass der Regen gegen das Fenster trommelte. Mein erster Blick fiel auf die andere Seite des Zimmers, wo Marys leeres Bett stand. Ich brauchte einige Sekunden, bis mir wieder einfiel, wo ich war und wie ich hierhingekommen war. Dann war meine erste Bewegung der Griff nach meinem Handy. Immerhin hatte ich in der letzten Nacht noch die Geistesgegenwart besessen, es ans Ladekabel anzuschließen. „09:43" sprang mir die Uhrzeit auf dem Sperrbildschirm beinahe entgegen. Hey, ich hatte fast sechs Stunden geschlafen...

Doch was mich viel mehr elektrisierte als die Uhrzeit, war das kleine Symbol am linken oberen Rand des Displays. Eine neue Nachricht, vielleicht sogar mehrere! Schnell entsperrte ich das Handy. Eine Nachricht war von Mary, die sich erkundigte, ob es mir gut ginge. Die zweite Nachricht war von Marc.

BEWEG SOFORT DEINEN ARSCH WIEDER ZUM SAFE HOUSE!!!

Im ersten Moment musste ich unwillkürlich grinsen. Immerhin wusste ich genau, dass es tatsächlich Marc war, der geschrieben hatte. Leider schien er nicht erfreut darüber, dass ich ihn suchte. Doch ich konnte mindestens genau so stur sein wie er, wenn ich es darauf anlegte.

Daher antwortete ich nur: Nein! Wo bist du?, obwohl ich keine großen Hoffnungen hatte, dass er mir verraten würde, wo er sich verkrochen hatte. Trotzdem merkte ich, dass ich mich nicht mehr ganz so verzweifelt fühlte. Er hatte mir zurückgeschrieben! Dafür hatte er beim letzten Mal ein halbes Jahr gebraucht... Dann richtete ich mich auf und ein Stöhnen entfuhr mir. Meine Oberschenkel brannten wie Feuer. Ich hatte mich gnadenlos überschätzt in der letzten Nacht.

Leise vor mich hin jammernd humpelte ich ins Bad. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal so schlimmen Muskelkater gehabt hatte. Ich war einfach keine Läuferin. Aber so sehr mich meine protestierenden Muskeln auch ablenken wollten, ganz allein in dieser Wohnung zu sein, war weiterhin ein verdammt beunruhigendes Gefühl. Es war beinahe alles noch genau so, wie ich mich daran erinnern konnte. Die Waschmaschine war immer noch halb befüllt, aber nie angestellt worden. Wenn ich mich richtig erinnerte, war ich abgelenkt worden, hatte dann vergessen, dass ich eigentlich eine neue Maschine anstellen wollte und hatte stattdessen im Wohnzimmer Wäsche gelegt. Dabei war ich dann unterbrochen worden von der aus den Angeln gerissenen Wohnungstür und den Hounds, die mein Leben zerstören wollten.

Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Bauch breit, als ich an diesen Abend zurück dachte. Die letzten Tage und Wochen hatte ich diese Erinnerungen verdrängt so gut es eben ging. Auch jetzt versuchte ich, die Gedanken zur Seite zu schieben, doch sie hafteten an mir, wie eine zweite, klebrige Haut, die sich nicht abstreifen ließ.

Mit diesem Gefühl des Schmutzes auf der Haut stieg ich in die Dusche und ließ das Wasser so lange und so heiß auf mich prasseln, bis ich einigermaßen das Gefühl hatte, mir wieder selbst zu gehören. Ich föhnte meine widerspenstigen Haare, zog mich an, kramte meine alte, dunkelrote Regenjacke hervor, alles mit diesem beklemmenden Gefühl es zum allerletzten Mal in dieser Wohnung zu machen.

Dann filzte ich alle Verstecke, die ich im Laufe der Jahre eingerichtet hatte, nach Geld. Am Ende hatte ich die stolze Menge von 34 Dollar zusammen, mehr als ich erwartet hatte. Ich filzte noch die nächstmöglichen Verstecke, die mir einfielen, nach Waffen, aber schließlich sah ich ein, dass ich mich wohl mit meinem Klappmesser zufrieden geben musste. Ich war unzufrieden darüber. Eine Waffe, wie meine Glock beispielsweise, hätte mir wesentlich mehr Sicherheit gegeben. Auch wenn ich überhaupt nicht wusste, was mich draußen erwartete.

Ich suchte vergeblich nach etwas Essbaren, das nicht verschimmelt war und so schickte ich mich an, die Wohnung mit knurrendem Magen zu verlassen. Es war pures Glück, dass ich nicht in die Falle lief. Bevor ich ins Treppenhaus ging, öffnete ich das Fenster in der Küche. Ich hatte die Hoffnung, dass der Regen vielleicht etwas nachgelassen hatte.

Es regnete weiterhin mit zuverlässiger Gleichmäßigkeit, meine Hoffnung wurde im Keim erstickt. Doch als ich meinen Blick durch unsere Straße gleiten ließ, blieb er an etwas hängen, dass mich elektrisierte. Unten auf der Straße, geparkt zwischen all den Beinahe-Autowracks stand ein weißes Auto des Philadelphia Police Departments, mit blauen Streifen an der Seite und allem.

Erschrocken zog ich den Kopf ein. Waren sie wegen mir hier? Hatte sich das FBI auf der Suche nach mir bei den Ressourcen des PPD bedient? Oder hatte ich nur wirklich tiefgehende, beunruhigend starke Paranoia? Noch halb im Schock stolperte ich ein paar Schritte zurück, nur um im nächsten Moment beim Geräusch der Klingel zusammen zu zucken. Sie waren meinetwegen hier!

Ich musste hier raus. Ich wusste nicht, ob sie unten geklingelt hatten oder schon vor unserer nicht mehr schließbaren Wohnungstür. Letztendlich war es egal, ich konnte nicht mehr durch das Treppenhaus abhauen. Blieb nur noch die Feuerleiter!

Ich eilte in Tylers und Finns Zimmer, deren Fenster in den Hinterhof raus ging und von dem man auf die Feuerleiter klettern konnte. Ich schob das Fenster auf, zuckte erneut zusammen, als ein lautes Klopfen an der Wohnungstür, gefolgt von größerem Lärm die Ankunft der Cops ankündigte. Ohne einen Gedanken an das beängstigende Quitschen zu verschwenden, das erklang, als ich meine Füße auf die Gitter setzte oder an die vielen halb durchgerosteten Stellen, kletterte ich aus dem Fenster.

Mein Herz flatterte in meiner Brust, als ich mich an den Abstieg machte. Nach kurzer Zeit waren meine Hände von rotem Rost bedeckt. Trotzdem setzte ich weiter einen Fuß unter den anderen. Ich konnte nicht wieder hoch in die Wohnung und ich konnte nicht wie erstarrt auf der Feuerleiter bleiben. Ich wusste nicht genau, wie lange die Cops die Wohnung durchsuchen würden, aber sie würden bestimmt darauf kommen, auch auf der Feuerleiter nachzusehen. Bis dahin musste ich von wenigstens im Hinterhof sein, besser noch schon außer Sichtweite und in einer anderen Straße.

Etwa drei Meter über dem Boden hörte die Feuerleiter auf. Der Teil, den man normalerweise zum Boden ausklappen konnte, fehlte ersatzlos. Ich blickte einmal verzagt nach oben. Ich konnte keinen Cop im Fenster sehen, was erstmal nichts zu heißen hatte. Dann biss ich die Zähne zusammen, hielt mich an der untersten Sprosse fest und ließ mich langsam nach unten ab, bis ich mit gestreckten Armen an der Leiter hing. Obwohl ich wusste, dass es nicht mehr weit war bis zum Boden kostete es mich alle Überwindung, meine verkrampten Finger zu öffnen.

Der Fall war kurz, beim Aufkommen ging ich leicht in die Knie, konnte mich aber auf den Beinen halten. Nichts wie weg, war mein einziger Gedanke und bevor ich einen anderen fassen konnte, lief ich über die Parkplätze und die garagenartige Einfahrt hinaus auf die gegenüberliegende Straße.


Hey Leute, tut mir leid, dass so lange nichts neues kam. Dafür gibt es übermorgen, am Samstag, eine Lesenacht von 20:00 bis 21:30 Uhr. Ich werde jede halbe Stunde ein neues Kapitel hochladen, das erste kommt um 8. Ich hoffe, ihr habt Lust drauf und seid dabei. Bis dahin, bleibt zuhause und bleibt gesund ;)

Dark as midnightWhere stories live. Discover now