63.

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Das Haus sah von Innen schlecht aus. In der Küche stapelte sich das Geschirr der letzten Tage, davor stand eine ziemlich großgewachsene Fiona, die uns überfordert aus glasigen, blauen Augen entgegensah.
Nach ein paar Sekunden schien sie zu begreifen und rannte auf uns zu, fiel erst Jake in die Arme und klammerte sich anschließend an mich.

Der Teppich unter dem Esstisch war verschwunden, ebenso einer der Stühle. Dreck lag in den Ecken und schon von weitem konnte ich die Staubschicht in den offenen Regalfächern erkennen. Mary und ihre Familie waren eindeutig mit der Situation überfordert.
"Entschuldigt die Unordnung. Fiona, ich sagte doch, du sollst abwaschen!", schnauzte sie in die Richtung ihrer Tochter. Die umklammerte mich nur noch stärker.

"Mom ... wie sieht es aus?"
Jakes Stimme überschlug sich nicht, dennoch hörte ich seine Angst aus ihm sprechen.
"Kommt, ins Wohnzimmer."
Ihrer Tochter gab Mary ein stummes Zeichen, dass sie sich dem Abwasch widmen sollte.

Der Flur war noch genauso dunkel und unordentlich wie damals, auch das Wohnzimmer glich dem, in dem ich mich vor geraumer Zeit verabschiedet hatte. Im Kamin brannte kein Feuer, was bei den Temperaturen draußen auch nicht nötig war, aber mir fiel gleich auf, dass kein Brennholz neben dem Kamin geschichtet war. Dies war sonst immer der Fall gewesen; komme, was wolle, ob Sommer, ob Winter, neben dem Kamin hatte Holz zu liegen.

Ich warf Mary einen Blick zu, die meine besorgte Mine bemerkt hatte.
"Mir wächst das gerade alles über den Kopf, wisst ihr. Patrick steckt mitten in seinen Prüfungen, er will studieren gehen und weiß Gott, ich werde es ihm nicht ausreden."
Sie setzte sich ächzend auf die Couch.
"Fiona versteht das alles noch nicht richtig. Sie ist immer noch so verspielt. Ich versuche ihr, Aufgaben zu geben, aber auf sie ist einfach kein Verlass."

Wie sollte auf ein 11-jähriges Kind denn auch schon Verlass sein?! Ich warf Jake einen zweifelnden Blick zu.
"Wir können nur zwei Wochen bleiben Mutter", sagte Jake mit harter Stimme.
Marys Augen wurden fast so groß, wie die ihrer Tochter vor ein paar Minuten.
"Ihr seid zusammen hier? Dann habt ihr wieder Kontakt gefunden in London? Du hast mir davon nie erzählt, Jake."

Ich fühlte einen unsichtbaren Schlag in meiner Magengegend. Jake hatte ihr so einiges nicht erzählt und hatte es auch nicht vor zu tun - vorerst.
"Ja, wir ..." Er sah mich hilfesuchend an.
"Zufall", hörte ich meine Stimme sagen.

Wir schwiegen eine Weile. Die alte Uhr an der Wand tickte immer noch genauso laut wie früher. Und der Ausblick aus dem Fenster über den Hof, der jetzt von langen Schatten überflutet war, war nach wie vor zauberhaft. Nur die Scheiben hätten mal wieder geputzt werden müssen.
"Wir haben die Felder verpachten müssen", platzte sie heraus.
"Was alle?", fragte ich entsetzt. Jake bliebt ruhig.

"Ja. Patrick muss lernen, er will es im Leben zu etwas bringen."
Jake schnaubte auf.
Seine Mutter ließ sich davon nicht beirren und fuhr fort: "Wie sollten wir drei denn das schaffen? Ich muss Eddy pflegen und Fiona? Hört doch auf! Es ging nicht anders, ist ja auch nur vorübergehend. Wir müssen sehen, wie es weitergeht."

Vor meinen Augen drehte sich alles. Die Walshs hatten ihr Land verpachtet. Irgendwie verursachte mir dieser Gedanke schmerzen.
"Wie gesagt, in der Zeit müssen wir alles irgendwie geklärt haben", sagte der blonde Junge, den ich plötzlich kaum noch wiedererkannte, unbeirrt.
Seine Mutter nickte, sichtlich enttäuscht.

Ihrem Mann ging es in den letzten Wochen immer schlechter, wie ich erfuhr. Ein Arzt aus der Stadt war da gewesen und diagnostizierte schwäche bedingtes Versagen der Organe und des Muskelapparates. Seit Eddys Unfall war er eben nie wieder auf die Beine gekommen. Aber er hatte lange Jahre durchgehalten.
Jake schien das alles bereits zu wissen, nur wenig erschien für ihn neu.
Ich stand einfach nur daneben und fragte mich, wie wir so den Kontakt verlieren konnten.

Nachdem Mary den Raum verlassen hatte, um nach Fionas Abwasch zu sehen, legte Jake mir flüchtig eine Hand auf den Rücken.
Ich schüttelte sie ab und folgte Mary in der Küche.
Jake und ich waren wieder auf der Farm und plötzlich war alles so wie früher? Alles?

Er zeigte seine Zuneigung nicht öffentlich und ich stieß ihn weg?
Verbittert griff ich nach einem der Teller und begann angetrocknetes Fett davon abzukratzen.
Mary machte das Radio an, das immer noch in der gleichen Ecke stand.
"Ich sehe wieder nach ihm. Du kommst zurecht, Noah?"
"Ja. Alles gut."
Ich schenkte ihr ein kleines Lächeln.

"Es ist schön dich wieder hier zu haben. Aber vor allem freut es mich, dass du und Jake ... dass ihr euch wiedergefunden habt. Das hatte ich mir für euch gewünscht. Es wäre schade gewesen, wenn das zwischen euch einfach so verschwunden wäre."
Und dann verließ sie den Raum.

***

Uuuhh. Da hat die Mary gesprochen hihi

Was war bis jetzt eure Lieblings Szene aus "The Irish Boys"? - Das würde mich mal brennend interessieren.

Ich hoffe, euch allen geht es gut, verbringt ein paar schöne, heiße Tage<3

lots of love, Lisa xoxo

The Irish Boys {boyxboy} ✔Where stories live. Discover now