56.

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Jake lag auf dem Bauch. Seine Wange ruhte auf meiner Brust. Ich konnte nicht anders, als meine Finger ständig durch sein Haar fahren zu lassen. Dennoch musste ich die Stille durchschneiden, ich musste das unausweichliche Thema ansprechen.
"Wie kam es dazu, dass du ... obdachlos geworden ... ich meine, wie konnte das passieren, Jake? Du hast immer noch deine Eltern!"

Der Ältere sah zu mir auf und in diesem Moment konnte ich mir die Frage selbst beantworten. Es war sein unglaublicher Dickschädel, der ihn in diese Lage manövriert hatte. Er konnte es sich nicht eingestehen die Hilfe seiner Eltern zu erbitten.

"Als es so weit war, war es eh zu spät und ich hatte keinen Cent mehr in der Tasche. Und wenn du erstmal verzweifelt bist und vor dem absoluten Nichts stehst, wirst du nachlässig. Ich ging mit Typen aus dem Club nachhause, nur um in einem Bett schlafen zu können. Das war leichtsinnig und mehr als einmal dachte ich, ich würde den morgigen Tag vielleicht nicht erleben ..."

Ich erkannt mich in seiner Erzählung wieder. Ich war zwar aus anderen Gründen mit fremden Kerlen ins Bett gestiegen, aber auch ich brachte mich damals in Gefahr und es war mir schlichtweg egal gewesen, weil da dieses schwarze Loch war, dass an mir nagte.

"Und irgendwann saß da Eliot - du weißt schon, der Typ, der mich auf den Escort brachte. Er hat mir die Augen geöffnet, mich wachgerüttelt und dann saß ich in der Geldfalle. Ich hatte plötzlich mehr Besitz, als in meinem gesamten Leben zuvor. Und das nach wenigen Wochen. Dann hörst du nicht auf, dann willst du mehr. Ich meine, wenn es so einfach ist ... Ein paar Stunden so tun, als ob du einer einsamen Seele Gehör schenkst oder jemandem den Arsch rettest und als der Freund einspringst, den es gar nicht gibt ..."

Er drehte sich auf den Rücken und schaute an die Decke. Die Nachtlichter der Stadt erhellten sein Gesicht auf merkwürdige Weise. Er wirkte fast wie ein Hologramm.

"Und Leute wie Jim und Henry haben das gemerkt, sie haben gemerkt wie Geldgeil ich war. Und sie fragten, ob ich nicht etwas mehr für sie tun würde. Sie haben es geschickt gemacht: Erst etwas Haut zeigen, dann einfach mal so masturbieren und irgendwann findest du dich mit ordentlich Alkohol intus unter einem dieser Männer wieder und fragst dich, wie du dort landen konntest."

Er räusperte sich. Es war deutlich zu spüren, dass es Jake schwer viel über dieses Thema zu reden.

"Aber dann", ein Lachen schüttelte ihn, "dann drehst du kurz den Kopf und siehst das Geldbündel, dass auf dem Nachtisch auf dich wartet. Es ist zum Greifen nah. Du musst dich nur noch ein paar Minuten gedulden."

Ich schaute auf London. Die Stadt hatte etwas Beruhigendes, aber ich wünschte mir in diesem Moment den klaren Himmel über der Farm erblicken zu können.

"Jake, ich ... ich verurteile dich nicht. Das weißt du. Aber ..."
Das Rascheln der Decken kündigte mir an, dass Jake sich drehte und mich jetzt von der Seite ansah. Ich ignorierte seine blauen Augen, die nach meinen verlangten. Ich würde mich jetzt nicht zum Schweigen bringen lassen.

"Aber ich verlange von dir, dass du mit dem Escort aufhörst. Komplett und für immer."
Ich warf einen Blick auf Jakes engelsgleiches Gesicht. Sein Haar war verwuschelt und seine linke Gesichtshälfte rot.
Er sagte kein Wort, was mich im ersten Augenblick alarmierte. Dann sah ich die Schatten über sein Gesicht huschen. Er hatte Angst. Angst vor der Zukunft und das er sie nicht bewerkstelligen konnte.

"Wir schaffen das zusammen."
Ich griff nach seiner Hand, er legte sie widerwillig in meine.
"Natürlich. Aber ich werde nicht bis an mein Lebensende Burger braten."
"Das verlangt doch auch niemand."
"Du hast es verlangt", argumentierte er schnippisch.

"Ich habe nichts gelernt, mein Abschlusszeugnis ist beinahe unterirdisch. Ehrlich gesagt, habe ich mich sehr gewundert, dass du mir wirklich abgekauft hast, dass ich Unternehmensberater bin. Du kennst doch meine Noten."
Jake lachte und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf.
"Dein neuer Look hat mich alles glauben lassen. Du warst, wie ein neuer Mensch. Einen, den ich nicht kannte, aber dem ich gegenüber einen tiefen Schmerz verspürte", seufzte ich.

The Irish Boys {boyxboy} ✔Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum