is she dead?

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„Aus Leid gingen die stärksten Seelen hervor. Die allerstärksten Persönlichkeiten sind von Narben übersäht."
~ Kahlil Gibran (Philosoph)



L E X I E

Ich rannte, wie ich noch nie in meinem Leben gerannt war. Obwohl ich vorhin noch komplett schwach und kraftlos gewesen war, schienen meine Beine jetzt wie die Kolben einer Maschine zu sein. Mein Herz pochte wild in meiner Brust und mein Atem ging stoßweise, trotzdem realisierte ich langsam, dass ich es wohl geschafft hatte, zu entkommen. Das Haus war leer gewesen, ich hatte keinen von Charles' Helfern gesehen oder gehört. Trotzdem bemühte ich mich, jetzt noch nicht zu sehr runterzukommen. Mum hatte mich immer vorgewarnt, sich in so einer Situation nicht zu früh in Sicherheit zu wägen. Also rannte ich weiter. Um mich herum war nichts außer Wald und ich versuchte angestrengt, Dinge zu finden, mit deren Hilfe ich mich später wieder orientieren könnte. Als schließlich die ersten Häuser in einiger Entfernung auftauchten, hätte ich vor Erleichterung beinahe geweint, aber ich riss mich zusammen. Meine müden Beine trugen mich zur erstbesten Haustür und ich klingelte Sturm. Eine Frau mittleren Alters öffnete mir und sah mich entsetzt an. "Bitte helfen Sie mir!", flehte ich sie an, "Meine Mum und ich wurden entführt, ich muss unbedingt der Polizei Bescheid sagen!" "Aber natürlich, komm rein mein Kind", murmelte sie erschüttert, doch ich schüttelte den Kopf. Zu groß war meine Angst, wieder irgendwo festgehalten zu werden. "Bitte, ich brauche doch nur ein Telefon!" Die ersten Tränen liefen mir über die Wangen und die Frau seufzte. "Also gut, warte hier, ich hole das Telefon und eine Jacke für dich." Ich nickte und wartete, nach wenigen Minuten kam die Frau zurück. Ich schlüpfte in den kuscheligen Morgenmantel, den sie mir reichte und nahm dann das Telefon entgegen. Meine Hände zitterten und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich von keinem von Mums Kollegen die Nummer auswendig wusste. Also wählte ich den Notruf. "9-1-1, wie kann ich helfen?" "Mein Name ist Lexie Dexter. Sie müssen mich unbedingt mit SSA Derek Morgan von der Verhaltensanalyseeinheit des FBI verbinden!" "In welcher Beziehung stehen Sie zu Agent Morgan?" "Ich bin die Tochter seiner besten Freundin. Bitte verbinden Sie mich mit ihm, es geht um das Leben meiner Mum!" "Einen Moment bitte." Es rauschte in der Leitung und ich trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, dann erklang endlich Dereks Stimme. "Lexie?" Augenblicklich begann ich zu weinen. Pure Erleichterung durchflutete mich und die Worte verließen nur undeutlich meinen Mund. "Ja, ich bins. Ich konnte fliehen, aber er hat immer noch Mum. Ihr müsst sofort kommen!" "Wir sind längst unterwegs, Lexie. Wir haben rausgefunden, wer Harper das Gelände zur Verfügung gestellt hat, in dem ihr festgehalten wurdet. Wo bist du gerade?" Ich widerholte die Frage gegenüber der Frau, die noch immer in ihrem Türrahmen stand und sie nannte mir die Adresse, die ich an Derek weitergab. "Wir sind in fünf Minuten bei dir Lexie!", versprach er mir, dann legte er auf und ich gab der Frau dankbar ihr Telefon zurück. Sie winkte bloß ab und reichte mir eine Jogginghose und einen Pullover. "Die sind von meiner Tochter. Das ist dir vermutlich zu groß, aber besser als gar nichts." "Dankeschön." Ich nahm die Sachen entgegen und zog sie schnell an, dann sah ich am Ende der Straßen bereits Blaulichter aufblitzen. Schnell gab ich der netten Frau den geliehenen Morgenmantel zurück. "Sie haben meiner Mum vielleicht das Leben gerettet. Das werde ich Ihnen nicht vergessen." Mit diesen Worten eilte ich an den Straßenrand und begann zu winken. Reifen quietschten, als einer der schwarzen SUVs vor mir hielt. Derek sprang auf der Beifahrerseite heraus, rannte auf mich zu und zog mich in seine Arme. Kurz blitzen Erinnerungen an die letzten Stunden vor meinem inneren Auge auf, dann schüttelte ich leicht den Kopf und erwiderte die Umarmung. Das hier war Derek. Er würde mir niemals etwas tun. "Ihr seid tatsählich hier", hauchte ich mit Tränen in den Augen und ich spürte, wie Derek nickte. "Natürlich sind wir hier. Und jetzt retten wir deine Mum. Komm!" Wir liefen zum SUV und er verfrachtete mich auf die Rückbank, wo JJ mich in Empfang nahm und sofort in ihre Arme zog. Ich kuschelte mich leicht an sie, während wir mit Höchstgeschwindigkeit auf den Ort zusteuerten, dem ich gerade erst entkommen war. Als das Auto hielt, richtete ich mich sofort auf, aber JJ schüttelte den Kopf. "Du bleibst hier drin, verstanden?" Ich wollte protestieren, aber das kostete wertvolle Zeit für meine Mum. Also nickte ich und blieb sitzen, während JJ, Derek und Dave den SUV verließen. Ich hörte sie laut rufen und das Krachen, als sie die Tür aufbrachen, dann wurde es hier draußen ruhiger. Ich sah prüfend aus der dunklen Scheibe, dann stieß ich die Autotür auf und rannte ins Haus. Von überall erklang das Wort "gesichert", was mich ungemein beunruhigte. Dann hörte ich Dereks panische Stimme. "Wir brauchen einen Krankenwagen! Schnell!" Ich folgte seiner Stimme in den Keller und entdeckte meine Mum. Sie lag leblos auf dem Boden und Charles lag ebenso leblos auf ihr. "Mum", stammelte ich und rannte zu ihr. "Lexie, was machst du hier?", entfuhr es Derek und er versuchte mich aufzuhalten, aber ich riss mich los und lief zu Mum. Weinend hockte ich mich neben sie und hob meine zitternde Hand, um ihr über die Wange zu streichen. Mein Blick glitt zu Derek, der sich neben mich gehockt hatte, während Hotch und Dave Charles wegtrugen und Spencer und JJ sich um Mum kümmerten. Ich beobachtete, wie JJ ihre Finger an Mums Hals legte und schaute sie verzweifelt an. "Ist sie tot?" Die Blondine schluckte und schwieg, beugte sich über Mum und schien zu lauschen, ob sie atmete, dann schüttelte sie den Kopf und begann mit einer Herzdruckmassage, während Spencer die Wunden auf Mums Bauch abzudrücken versuchte. Ich sah ihnen stumm dabei zu, brachte kein Wort über die Lippen. Mit meinen noch immer zitternden Fingern krallte ich mich in Mums Hand und schickte Stoßgebete in den Himmel, damit sie doch bloß einmal meine Hand drückte. Aber nichts geschah. Neue Sirenen erklangen, Schritte näherten sich rasch, dann wurden Spencer und JJ von zwei Sanitätern abgelöst. Die junge Frau in der roten Jacke schob mich zur Seite, doch ich wollte Mums Hand nicht loslassen. Es war schließlich Derek, der mich sanft, aber dennoch fordernd beiseite zog, damit die Sanitäter ihre Arbeit machen konnten. Ich blieb weiterhin stumm und starrte bloß auf die wunderschöne, aber schrecklich blasse Frau am Boden, der ich mein Leben zu verdanken hatte. Erst als ich das Ratschen eines Reißverschlusses hörte, zuckte ich zusammen und schaute zur Seite. Charles' lebloser Körper wurde in einen Leichensack gepackt und ich erhaschte einen letzten Blick auf sein Gesicht. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken herunter, dann hob ich entschlossen den Kopf und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Mit eiskalter Miene beobachtete ich, wie der schwarze Sack komplett geschlossen und weggetragen wurde, erst dann sah ich wieder zu Mum, die noch immer am Boden lag und schloss flehend die Augen. Wenn es dich wirklich gibt, Gott, dann lass meine Mum nicht sterben! Lass sie auf keinen Fall sterben!

Profile Me (Criminal Minds FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt