alive

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"Es gibt nichts auf der Welt, das einen Menschen so sehr befähigt, äußere Schwierigkeiten oder innere Beschwerden zu überwinden, als das Bewusstsein, eine Aufgabe im Leben zu haben."
~ Viktor Frankl

D E X T E R

Müde blinzelte ich und öffnete schließlich ganz die Augen. Ich lag in einem Bett, steriler Geruch lag in der Luft. "Wir sind im Krankenhaus." Erschrocken zuckte ich zusammen, dann stellte ich fest, dass die Stimme Reid gehörte, der in einem Bett neben mir lag. Ich lächelte ihn schwach an. "Wie geht's uns?" Meine Stimme klang kratzig und tat weh, weshalb ich mich erstmal kräftig räuspern musste. Reid grinste mich leicht an. "Wir sind über den Berg. Wir haben beide ein Schädel-Hirn-Trauma, viele Prellungen und Kratzer vom Aufprall auf die Straße. Eine meiner Rippen war gebrochen und ist in meine Lunge eingedrungen, weshalb sie kollabiert ist und ich fast gestorben wäre. Wenn du mich nicht so schnell und professionell wiederbelebt hättest, wäre ich jetzt tot. Du hast mir das Leben gerettet. Danke." "Du hättest dasselbe für mich getan", entgegnete ich lächelnd und Reid lächelte ebenfalls. "Dich hat es deutlich schlimmer erwischt. Dein linkes Handgelenk war gebrochen und in deinem Bauch hat ein Autoteil gesteckt, das wohl beim Kontakt mit dem Zug durch die Luft geflogen ist. Es hat deine Milz verletzt, aber die Ärzte haben alles wieder gut zusammengeflickt. Nach der OP haben sich deine Werte drastisch verschlechtert, da haben wir uns alle echt Sorgen gemacht, aber du hast mal wieder bewiesen, dass du eine Kämpferin bist." Mir kam ein neuer Gedanke. "Was ist mit Lexie? Wer kümmert sich um sie?" "JJ und eure Nanny wechseln sich ab. Aber JJ wollte auf jeden Fall mit ihr herfliegen, sobald du aufgewacht bist. Wir müssen nämlich beide noch mindestens drei Tage hierbleiben." "Ich kann mir schöneres vorstellen, aber es gibt bestimmt auch schlimmeres. Was ist so passiert, während ich bewusstlos war?" "Mitchum hat gestanden. Er war total fertig vom Wald, was auch immer du gemacht hast, es hat funktioniert. Er wird für ziemlich lange Zeit ins Gefängnis wandern. Morgan ist fast durchgedreht, während du operiert wurdest und als deine Werte schlechter wurden. Er hat quasi die ganze Zeit an deinem Bett gesessen. Gestern sind die anderen dann nach Hause geflogen, sie durften nicht länger hierbleiben. Wenn du JJ jetzt anrufst, kann sie in ein paar Stunden mit Lexie hier sein. Sie wird den Jet nehmen, egal was die Vorschriften sagen." Wir mussten beide grinsen, weil Reid definitiv Recht hatte. Ich entdeckte auf meinem Nachttisch mein Handy und wählte JJs Nummer. Nach dreifachem Piepen nahm sie ab. "Jess! Du bist wach, Gott sei Dank." "Ja, bin ich. Reid hat mich auch schon auf den neusten Stand gebracht und ich würde mich freuen, wenn du mit Lexie herkommen würdest." "Natürlich kommen wir. Sie ist gerade oben bei den Jungs, ich organisiere uns irgendwie den Jet und dann sind wir in ein paar Stunden bei euch." "Das klingt super. Vielen Dank, JJ." "Nicht dafür. Die anderen sind heute übrigens alle im Büro und machen Innendienst, noch mehr freie Tage waren nicht mehr rauszuholen. Sie freuen sich bestimmt, wenn du da auch mal anrufst." "Mach ich." "Alles klar, dann bis nachher. Ich melde mich, wenn wir gelandet sind." "Okay, dann bis später JJ. Und gib Lexie schonmal einen Kuss von mir." "Das mach ich. Bis dann." Sie legte auf und ich wählte sofort Garcias Nummer. Sie ging fast direkt dran. "Jess, du bist wach! Warte, ich ruf die anderen in den Konferenzraum und leite den Anruf um. Gib mir zwei Minuten." Bevor ich irgendetwas sagen konnte, erklang leise Musik und ich musste schmunzeln. Garcia war einfach einmalig. Ich stellte mein Handy auf Lautsprecher, damit Reid auch mithören und -reden konnte, Irgendwann endete die Musik und Garcias Stimme erklang erneut. "Hier sind wir wieder. Alle da, bis auf JJ." "Hey Leute. Hier sind Reid und ich. Das von JJ weiß ich schon, sie macht sich gerade mit Lexie auf den Weg hierher." "Wie geht's euch?" "Ganz gut soweit. Ich bin vor etwa zwanzig Minuten aufgewacht, Reid hat mich auf den neusten Stand gebracht und gleich werde ich wohl mal einen Arzt rufen, der mich kurz durchcheckt." "Hast du Schmerzen?", erkundigte Morgan sich besorgt. "Ein bisschen, aber ich merke, dass ich noch einiges an Schmerzmitteln intus habe. Frag mich am besten in ein paar Stunden nochmal." "Du hast wirklich unglaubliches geleistet. Trotz des Autoteils in deinem Bauch hast du Reid und dem Zugführer geholfen und Daniel Mitchum festgenommen. Sogar in den Teppichetagen ist man davon begeistert. Nur die Zerstörung des SUVs fanden sie nicht so gut", informierte Rossi uns und wir mussten alle kurz lachen. Dann räusperte Hotch sich. "Ihr seid die nächsten vier Wochen krankgeschrieben und müsst danach noch einen medizinischen Check-Up bestehen, dann könnt ihr wieder in den Dienst einsteigen." "Vier Wochen? Das ist eine Ewigkeit", stellte ich fest. "Freu dich doch, das ist ein Monat, in dem du so viel Zeit wie selten mit deiner Tochter verbringen kannst." Ich begann zu lächeln. "Okay, das stimmt. Es ist aber auch eine lange Zeit und ich werde danach unglaublich viel Papierkram zu erledigen haben." "Daran solltest du jetzt erstmal nicht denken, ihr beide nicht. Werdet in Ruhe gesund und dann findet sich schon alles wieder", sagte Hotch mit sanfter Stimme und ich musste lächeln. Mir fiel wieder ein, wie schlecht es ihm gegangen war, doch vor dem ganzen Team konnte ich nicht nachfragen. Also verabschiedete ich mich schnell von den anderen und legte auf, damit ich Hotch eine Nachricht schreiben konnte. Als das erledigt war, schloss ich erschöpft die Augen und verzog das Gesicht, weil mir alles weh tat. "Hast du schlimme Schmerzen?", erkundigte Reid sich besorgt und ich seufzte. "Die Schmerzmittel lassen nach, das ist alles. Wie gehts dir? Was macht der Kopf?" "Es pocht und ich bin froh, dass das Licht gedämmt ist." Besorgt stellte ich fest, dass er sehr blass war und seine Hände zittern. Ich ging zunächst nicht darauf ein, doch als er sich in der nächsten Viertelstunde die ganze Zeit an den Handrücken kratzte, räusperte ich mich. "Was ist los mit dir? Bist du allergisch gegen die Schmerzmittel?" Reid schluckte hart und schüttelte den Kopf, so gut das im Liegen ging. "Es wird schwächer, das ist das Problem. Ich hab Entzugserscheinungen." Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch. "Das geht eigentlich nicht so schnell. Von einer OP und der Nachversorgung wird man noch lange nicht abhängig. Außer-" "Außer man war schonmal abhängig", vervollständigte Reid meinen Satz. Entsetzt starrte ich ihn an und er begann mir die Geschichte von Tobias Hankel zu erzählen, der mehrere Persönlichkeiten gehabt und ihn entführt hatte. Während eine Persönlichkeit ihn folterte, gab die andere ihm Dilaudid gegen die Schmerzen. Reid war mehrere Monate abhängig gewesen und hatte auch während des Entzugs immer wieder mit sich selbst gerungen. Auf eine seltsame Art machte es mich stolz, dass er diese Sucht überwunden hatte und ich lächelte ihn an. "Es ist gut, dass das hinter dir liegt. Und das hier überstehst du auch." Er atmete tief durch, nickte und erwiderte dann mein Lächeln auf eine liebevolle Art und Weise. "Danke. Du hast mir nicht nur das Leben gerettet, du bist auch etwas ganz besonderes. Wir haben wahnsinniges Glück, dich im Team zu haben." Ich spürte, wie ich bei diesen Worten leicht rot wurde und schmunzelte. "Danke, das freut mich zu hören." Ich konnte ein Gähnen nicht unterdrücken und musste danach müde grinsen. "Wir sollten nochmal eine Runde schlafen, bevor JJ und Lexie kommen." Reid nickte und wir kuschelten uns beide in unsere Decken. "Schlaf gut, Jess." Seine Stimme, die meinen Namen aussprach, ließ mir einen warmen Schauer über den Rücken laufen. "Schlaf gut, Spence."

Ein vorsichtiges Klopfen riss mich aus meinem leichten Schlaf. "Herein", sagte ich leise, weil Reid noch zu schlafen schien. Die Tür wurde geöffnet und JJ steckte ihren Kopf herein. Ich deutete auf unseren schlafenden Kollegen und hielt mir den Zeigefinger vor die Lippen, dann setzte ich mich leicht auf und grinste meine Tochter an, die sich noch vor JJ ins Zimmer quetschte und zu mir lief. Bevor ich irgendetwas sagen konnte, fand ich mich in einer festen Umarmung wieder, die mir zwar höllisch weh tat, ich aber um keinen Preis beenden wollte. Erst als JJ Lexie daran erinnerte, dass ich verletzt war, ließ meine Tochter von mir ab und strahlte mich an. In ihren Augen glitzerten Tränen. "Ich hatte solche Angst um dich! Mach das nie wieder. Du hast versprochen, dass du immer vom Einsatz zurückkommst." Sie schluchzte leise und ich zog sie sanft auf meine Bettkante. Entschlossen, aber selbst mit Tränen in den Augen, hob ich ihr Kinn an, sodass sie mir in die Augen schauen musste. "Ich weiß, dass ich das versprochen habe und dieses Versprechen gilt immernoch. Ich lebe, ich werde dich nie, niemals verlassen. Ich werde immer zu dir zurückkommen. Wiederhol' das." Lexie schluckte. "Du wirst immer zu mir zurückkommen." "Genau. Und jetzt komm her." Ich rutschte unter Schmerzen zur Seite und Lexie streifte sich die Schuhe von den Füßen, um sich neben mich zu legen und sich an mich zu kuscheln. JJ hatte in der Zwischenzeit Reid geweckt und saß auf seiner Bettkante, die zu mir zeigte. Erleichtert grinste sie mich an. "Du hast nicht nur deine Tochter total erschreckt, sondern auch uns. Morgan hat Mitchum eine reingehauen und war fix und fertig und den anderen ging es da nicht anders. Es ist wundervoll, dich hier lebendig zu sehen." Ich lächelte sie an. "Das hätte wirklich schiefgehen können, wir hätten wissen müssen, dass für ihn jeder zum Feind wird, der seine Mission behindert." "Das ist Unsinn, damit konnten wir nicht rechnen. Er hat keine Botschaften oder sonstiges hinterlassen, als wir aufgetaucht sind. Nichts deutete darauf hin, dass sich seine Wut gegen uns richten würde." "Aber es ist ja nochmal alles gutgegangen", hakte Reid das Thema ab und ich nickte. Mein Blick fiel auf Lexie, die mit geschlossenen Augen und ruhiger Atmung neben mir lag. "Danke, dass Will und du auf sie aufgepasst habt." JJ winkte ab. "Dafür musst du uns nicht danken, das war selbstverständlich. Außerdem war eure Nanny auch da, wenn einer von uns weg musste und Lexie ist so ein liebes Mädchen. Sie hat kaum geschlafen in den letzten Tagen und wollte unbedingt zu dir." Ich strich meiner Tochter liebevoll durchs Haar. "Vermutlich sollte ich die Zeit genießen, in der sie noch so lieb und nachgiebig ist, bevor sie in die Pubertät kommt und rebellisch wird", stellte ich schmunzelnd fest und JJ und Reid mussten ebenfalls lachen. "Bin ich froh, dass Henry da noch eine Menge Zeit hat. Wenn er die ersten Mädchen mit nach Hause bringt und all das, daran will ich noch gar nicht denken." "Also ich werde jeden Jungen, mit dem Lexie viel Zeit verbringt erstmal von Garcia überprüfen lassen", verkündete ich grinsend, meinte es aber tatsächlich ernst. Um meine Tochter zu schützen, war mir jedes Mittel recht. Das schuldete ich Ruthie.

Profile Me (Criminal Minds FF)Where stories live. Discover now