Kapitel 43

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Langsam blinzle ich und versuche die wirren Gedanken in meinem Kopf zu verdrängen. Versuche einen klaren Gedanken zu erhaschen, doch es gelingt mir nicht.
Grelles Licht blendet meine empfindlichen Augen. Sofort kneife ich sie wieder zusammen. Langsam muss ich versuchen, sie wieder an die Sonne zu gewöhnen.
Wie lange war ich Ohnmächtig?
Was ist in der Zwischenzeit passiert?


Ich bin offensichtlich noch am Leben, sonst würde das hier jetzt anders ablaufen. Ich weiß wie der Tod sich anfühlt.
Und er fühlt sich definitiv nicht an, wie der Kater des Jahrtausends. So viel Alkohol kann ich gar nicht trinken, um solch einen Schädel zu bekommen. Schon gar nicht, hat es diese enorme Wirkung auf mich.

Brummend, beschließe ich die Augen zu öffnen. Mein Blickfeld ist erst unscharf, bevor sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnen können.
Noch leicht benommen schaue ich mich in dem Raum um, in dem ich mich befinde.
Niemand ist hier.
Ich hätte erwartet, gefesselt an einem Stuhl zu sitzen, oder in einem Verließ eingesperrt zu sein. Ich hätte unter anderem auch damit gerechnet gar nicht mehr aufzuwachen, wenn Joran vor hat mich zu kanalisieren.
Aber nun bin ich hier. Ich befinde mich nicht mehr in meinem alten Apartment, da bin ich mir ziemlich sicher. Nur habe ich keine Ahnung, wem dieses Apartment gehört und was ich hier eigentlich mache.
Ich liege in einem weichen großen Bett und von den Fenstern dringt Sonnenlicht herein und erhellt den Raum.
Joran behandelt seine Feinde und Gefangenen nicht so. Er würde schon gar nicht mich so behandeln.


Langsam wandert mein Blick an meinem Körper hinunter. Jemand hatte die Unverfrorenheit mich umzuziehen.
Sofort wandert meine rechte Hand an meine Nase und tastet diese sofort ab.
Kein getrocknetes Blut.
Augenblicklich runzle ich die Stirn.
Was zum Teufel ist passiert?

Zu schnell stehe ich auf, was zur Folge hat, dass meine Beine leicht nachgeben und mein Blickfeld droht sich zu verdunkeln. Seufzend halte ich mich an der Wand gestützt fest.
Dieser Hexer hat einen starken Zauber benutzt, der mir nach wie vor in den Knochen hängt.

"Oh", höre ich es neben mir. "Du bist wach", stellt eine männliche Stimme fest.
Nein, ich bin nicht wach. Ich tue nur so und wandere im Schlaf ein bisschen herum. Ist doch nichts dabei.  Meine Laune ist super heute.

Ich drehe meinen Kopf in die Richtung aus der die Stimme kommt und kann meinen Augen kaum trauen.
Wut keimt in mir auf. Dass er es sich überhaupt noch wagt hier her zu kommen, ist echt eine Frechheit.
Mit letzter Kraft die ich habe, drücke ich ihn gegen die Wand und schnüre ihm mit meiner Hand die Kehle ab. "Was hast du mit mir gemacht?", zische ich mit zusammen gebissenen Zähnen.
Jede Faser meines Körpers schmerzt höllisch.
"Du...", röchelt er und versucht meinen Griff zu lockern. "Ich musste es echt aussehen lassen um dich vor Joran zu schützen", krächzt er und sieht mich flehend an. "Wenn du mich tötest, kann ich dir nicht helfen"
Einen Moment lang starren wir uns nur gegenseitig an, während ich versuche abzuwägen, ob er die Wahrheit sagt oder mich einfach nur belügt.
Normalerweise würde ich auf seinen Herzschlag hören, doch ich nehme keinen wahr.
Verwirrt und verzweifelt lasse ich ihn los.
Hechelnd schnappt er nach Luft und reibt sich über seine Kehle.

"Was ist passiert, Hexer?", brumme ich schließlich. Er hat genug Luft zum Atmen bekommen, er soll mir schleunigst Antworten geben.
"Mein Name ist Kaleb", wirft er ein.
Als ob mich das interessieren würde.

Durch seine blauen Augen mustert er mich intensiv. "Du solltest langsam anfangen zu reden, Kaleb"
Ich setze mich erschöpft auf den Rand des Bettes und warte darauf, welche Erklärung er mir auftischen will. Töten kann ich ihn danach immer noch.
Obwohl das in meinem Zustand echt schwierig werden könnte. Ich bin geschwächt und ausgetrocknet und er ist stark. Ein wirklich mächtiger Hexer, dass gebe ich zu.  Ich brauch frisches Blut um wieder zu Kräften zu kommen.

Vorsichtig kommt er auf mich zu. Er versucht sich nur minimal zu bewegen und lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Offensichtlich traut er keinen Vampiren.
Kluger Junge, würde ich auch nicht.
Er zieht die Ärmel seines Pullovers nach oben und setzt sich vorsichtig neben mich. "Du brauchst Blut...du solltest trinken", findet er und schaut mich aufmerksam an, während er mir seinen rechten Arm hinhält.
"Ist das ein Witz? Wieso willst du mir dein Blut anbieten? Hast du keine Angst das ich dich dabei töten könnte?", hake ich nüchtern nach.
"Doch", gibt er zu. "Aber ich glaube nicht, dass du es tust. Du bist hungrig und brauchst die Kraft um dich zu erholen. Und du brauchst die Antworten, die nur ich dir geben kann. Außerdem bist du ab jetzt auf der Flucht und musst untertauchen. Joran wird dich überall suchen lassen und du brauchst dabei ebenfalls meine Hilfe"
Ein leichtes Schnauben kommt über meine Lippen, ehe meine Reißzähne zum Vorschein kommen und ich spüre, wie die Striemen unter meinen Augen hervortreten.
In seinen Augen sehe ich keine Angst mehr. Eher Faszination.
Er hat wohl noch nie einen Vampir aus der Nähe gesehen ohne, dass er vermutlich um sein Leben rennen musste.

Ich nehme seine Hand und ziehe ihn näher an mich heran, kurz bevor sich unsere Nasenspitzen sich berühren, stoppe ich.
Ich mustere ihn. Die blauen Augen, die mich aufmerksam ansehen. Die jede Bewegung von mir aufnehmen.
Spüre seinen heißen Atem auf meiner Haut. Sein Herzschlag geht schnell, aber er zeigt keine Anzeichen von Angst.
Und einige Haarsträhnen hängen ihm in die Stirn.

Ich wende mein Gesicht von seinem ab.
Meine Sinne konzentrieren sich jetzt nur noch auf das Blut, welches durch seine Adern gepumpt werden. Köstlich und warm. Ich bin so verdammt hungrig.
Langsam versenke ich meine Reißzähne in seinem Handgelenkt. Die rote Flüssigkeit verteilt sich wohltuend in meinem Mund.
Sie schenkt mir neue Kraft. Ein berauschendes Gefühl.

Mein Griff um Kalebs Arm wird fester und ich beiße fester zu. Gierig verschlinge ich das warme Blut. Kann kaum genug bekommen. Der Rausch den es in mir auslöst, wird immer größer. Nur mit viel Konzentration kann ich dagegen ankämpfen.
Sein Schmerzhaftes Keuchen, dringt nur noch im Hintergrund zu mir durch. Auch sein Herzschlag verlangsamt sich. Er wird schwächer, während meine Kraft wieder zunimmt.
Aber ich darf ihn nicht töten. Nicht jetzt.

Ich lasse schnaufend von ihm ab. Mit großen Augen sieht er mich an und mustert mein Gesicht. Ich weiß das mein Mund mit seinem Blut beschmiert ist, aber das scheint ihn nicht zu stören.
Hexen haben doch einen Knall.
Nachdem er seinen Blick von mir reißt, drückt er ein Tuch auf die Wunde. "Das wird ne Weile dauern bis sie heilt...", beginne ich und deute auf seinen Arm. "...ich könnte das beschleunigen", biete ich an, doch er wehrt ab. "Nein. Ich möchte kein Vampirblut in meinem Körper haben. Falls...falls dann was passieren sollte, werde ich zum Vampir und das möchte ich nicht riskieren"

Er ist vernünftig und blöd zugleich.
Aber es ist seine Entscheidung.
Es ist sein Leben.

"Also, die Antworten", nehme ich das vorherige Thema wieder auf. Ich beobachte wie eine einzelne Strähne in sein Gesicht fällt. "Ich will nicht, dass Joran dich dafür benutzt einen Krieg der Vampire zu beginnen. Vor allem würde jeder darunter leiden. Nicht nur die Vampire. Es würden zu viele Kollateralschäden entstehen...", beginnt er. "Ich bin in New Orleans in die Arme von Elijah gelaufen..."
Er muss kein weiteres Wort sagen. "Elijah hat dich geschickt...", unterbreche ich ihn. "Hätte ich mir ja denken können...", kommt es seufzend über meine Lippen und stehe dabei auf. "Und wieso zum Teufel hast du mir diese verdammten Kopfschmerzen und Hirnblutungen verpasst?", knurre ich ihn dann an.
"Na ja, es sollte echt aussehen. Ich habe zuerst dich ausgeschaltet, bevor ich Joran und seine Bodyguards schlafen gelegt habe. Ich bin so immer noch in seinen Reihen. Ich konnte ihnen weiß machen, das eine andere Hexe aufgetaucht ist, mit einem Vampir in einem schwarzen Anzug, die uns ausgeknockt haben und dich mitnahmen", versucht er mir zu erklären.
"Joran glaubt das auch", ergänzt er schnell.
"Ich habe dich dort weggebracht und dich in meinem Apartment untergebracht. Ich wusste wie lange du ungefähr schlafen würdest, aber du bist trotzdem sehr schnell wach geworden"

In seiner Stimme schwingt leichtes Erstaunen mit. "Du bist wohl noch nicht vielen Urvampiren über den Weg gelaufen oder?", frage ich nüchtern und verschränke die Arme.
"Wieso solltest du uns helfen? Wieso tust du das?", hake ich barsch nach.
"Ich bin auf etwas gestoßen. Ich habe schon immer sehr viel über euch nachgeforscht und es gibt etwas, das ihr Wissen müsst...was du finden musst"

Etwas das ich finden muss. Genau das gleiche hat Esther mir auch gesagt. Vielleicht arbeitet er mit Esther zusammen. Naheliegen würde es zumindest. Er ist eine Hexe. Er kann mit ihr kommunizieren. Kann Befehle von ihr entgegennehmen. Vermutlich soll er ein Auge auf mich werfen, damit ich mich auch ja an den Plan von Esther halte.

"In einem sehr alten Buch der Werwölfe wird vorausgesagt, dass eines Tages, die Dunkelheit kommt und uns alle verschlingt. Jedes Übernatürliche Wesen. Nicht nur Vampire. Sondern alle. Hexen, Wölfe, Reisende...", zählt er auf.
Klingt eher nach Hirngespensten der Hexen und nicht der Wölfe...

Sein Adrenalinspiegel steigt. "Du hast Angst", stelle ich fest. Blanke Angst liegt in seinen Augen.
"Ich habe dich daraus geholt, weil wir diesen Krieg verhindern müssen, weil ich glaube, dass die Urvampire der Schlüssel dazu sind, um diese Dunkelheit aufzuhalten"
Langsam steht er auf und stellt sich vor mich hin. Er mustert mich. "Ich glaube, dass deine Blutlinie der Schlüssel dazu sein könnte..."


Alexandria Petrova - The OriginalΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα