Kapitel 33

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Der Mond steht schon weit oben am Himmel. Die Fackeln beginnen mit einer großen Stichflamme zu brennen. Die Lichtung wird erhellt und ich stelle mich in das Pentagramm.
Um die andere Seite zu öffnen, wird sie viel Kraft brauchen. Sie muss jemanden kanalisieren. Jemand starkes.
Ich höre Schritte hinter mir. Resigniert schließe ich die Augen und seufze. Auch ohne mich umzudrehen, weiß ich wer da gerade gekommen ist. Ich drehe mich um und sehe Kol und auch Niklaus vor dem Pentagramm stehen. Beide starren Leonie skeptisch an. Kol trägt meinen Körper und sieht mein Gesicht dann einen Moment lang an und legt ihn zögerlich in die Mitte des Pentragrammes, wo auch ich mich befinde. "Du kanalisierst also mich", stelle ich fest und werfe ihr einen Blick zu. "Ja, dir wird es ja auch nicht weh tun, Alex. Den anderen beiden schon", sagt sie dann und fängt sich einige verwirrende Blicke von Kol und Niklaus ein.
Wissen die überhaupt, das Leonie mich sehen kann? Das sie mit mir redet? Sieht nicht so aus.

Ich seufze. "Kannst du Kol etwas von mir ausrichten?", ringe ich mich schließlich dazu durch sie zu fragen. Sie nickt. "Natürlich. Aber du kannst es ihm gleich selbst sagen", meint sie dann und blättert in dem Buch herum.
Es ist gut positiv zu denken, aber bei solch einem mächtigen Zauber, wäre ich mir nicht sicher ob das wirklich alles so klappt, wie wir uns das vorstellen. Es kann immer etwas schief gehen. Auch wenn ich weiß, das Esther ihr von der Seite der Toten aus helfen wird. Leonie wird es vermutlich so drehen, das sie der starke kleine Hybrid ist, der fast unbezwingbar ist, doch das würde ich ihr irgendwie gerne versauen.
"Frag ihn, ob er den Brief verstanden hat", sage ich ich und sie runzelt die Stirn, guckt aber zu Kol. "Alex lässt fragen, ob du den Brief verstanden hast" Er spannt sich an und sein Gesicht verfinstert sich. Jedoch nickt er. Ich seufze erleichtert auf. Gut.

"Sag ihm, dass ich mich wirklich darauf freue ihn wieder berühren zu können" Leonie sieht mich gerührt an und ich verdrehe die Augen. "Hör auf so zu gucken und sag es ihm einfach", brumme ich dann und sie richtet es ihm aus. Sein Gesichtszüge werden weicher. "Sie hört mich?", fragt er dann nach und Leonie nickt. "Alex, fang an zu leben und dann können wir selbst reden. Alleine... Dann kannst du mir nochmals erklären, weshalb du das getan hast...", sagt er verletzt und schaut in meine Richtung. "Ich bitte dich. Komm einfach wieder zurück zu mir", flüstert er dann und sieht zu Leonie. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen als sie meine Reaktion beobachtet. Ich habe die Lippen zusammen gepresst und nicke nur, während ich Kol anstarre.

"Okay, lasst uns anfangen", lenke ich ab, bevor ich in Tränen ausbreche. Ich glaube ich würde es nicht noch einmal ertragen, wenn es nicht klappt und ich Kol gebrochen sehe. Er war nach meinem Tod doch schon kurz davor seine Menschlichkeit zu verlieren. Wenn es nochmal passiert, wird er sie wirklich verlieren. Ich weiß einfach nicht, ob das so gut ist.
Leonie setzt sich neben meinen toten Körper, während Kol sich außerhalb des Pentagramms platziert und darauf achtet, dass keine ungeladenen Gäste vorbei schauen.
Ich bin mir ziemlich sicher, das Damon davon weiß, was hier vor sich geht. Ob er sich traut zu kommen, kann ich allerdings nicht einschätzen. Er weiß wie angespannt Kol und Niklaus sind. Sie würden jeden von ihnen direkt zerreißen und sie auf meine Seite schicken. Wo ich sie mit ziemlicher Sicherheit schadenfroh in empfang nehmen werde.

Leonie beginnt auf Latein an zu reden und die Flammen reagieren auf jedes Wort. Sie verdunkeln sich und werden größer. Es scheint mir fast, als ob die Nacht sich ebenfalls verdunkelt. Kein Tier ist mehr zu hören. Der Wind steht still und die Bäume ragen regungslos gen Himmel empor. Über uns ist keine Wolke mehr am Himmel. Nur noch der Vollmond, der mit all seiner Pracht am Himmel steht und die Nacht erhellt. Zum Teil zumindest.
Überall wo sein Licht nicht hinreicht, wird die Dunkelheit noch finsterer, als sie es schon war.
Die Luft wird kalt.
Ich bin tot und spüre es. Als Kol und Nik die Luft ausstoßen kommt eine Kondeswolke zum vorschein.
Beide sehen sich verwundert an und dann zu Leonie, die da ungeniert sitzt und weiter auf Latein vor sich hinmurmelt. Sie ist in einer Art Trance und bemerkt nicht was um sie herum passiert.

Auf meiner Seite, sehe ich wie Esther mit einigen anderen Hexen um uns herum stehen und ebenfalls, die selben Worte wie Leonie sagen. Sie öffnen die andere Seite und bringen mich zurück in meinen Körper. Es wird weh tun, das weiß ich.

Zwischen den Fackeln bildet sich eine leicht schimmernde Barriere. Kol starrt mich an und stößt Nik mit dem Ellbogen in die Seite, ohne mich aus den Augen zu lassen. Nik dreht seinen Kopf in meine Richtung und erstarrt.
Verwirrt runzle ich die Stirn. "Alex", flüstert Kol und legt eine Hand auf die Barriere.
Ich gehe ein Stück auf die beiden zu. "Ihr könnt mich sehen", stelle ich fest. Sie nicken. "Ich...öhm", stammle ich.
Niemals hätte ich gedacht, das es so unangenehm ist die beiden zu sehen, wenn sie mich ebenfalls sehen können. Gott, was wird das bloß für Konsequenzen haben, wenn ich wieder lebe? Ich darf mir glaube ich sehr lange Vorwürfe und Vorträge anhören. Werde mir vermutlich einiges an Ärger eingehandelt haben. Aber eigentlich bin ich ja alt genug um selbst zu entscheiden was mit meinem Leben passiert. Ich kann tun und lassen was ich will. Kann sterben wenn ich will.
Okay, das mit dem Leben ist dann eher schwierig. Das klappt dann eben nicht, wann ich will.

"Du...bitte komm zurück zu uns", flüstert Kol dann und ich beobachte wie sich Tränen in seinen Augen sammeln. Ich nicke zögerlich. "Ich versuche es Kol"
Schnell drehe ich mich zurück und schaue Leonie an, die immer noch murmelnd vor meinem Körper sitzt, aber diesmal nicht mehr das Buch in den Händen hält sondern ihre Hände über meinem Herz hat. Interessiert stelle ich mich neben sie und beobachte wie die Wunde sich langsam verschließt.
Durch meinen Körper fährt ein heftiges ziehen. Schmerzhaft und unerträglich. Jetzt fängt auch Leonie an zu schreien und hält sich den Kopf. Niklaus will ihr zu Hilfe eilen, doch er kommt nicht durch die Barriere.

Esther sieht mich an. "Erinnere dich an meine Worte Alex", gibt sie mir nur mit auf den Weg. Ich sinke auf die Knie vor Schmerzen und röchle nach Luft. Meine Lungen ziehen sich zusammen und mein Körper fühlt sich an als ob ich gleich in Flammen aufgehen werde. Alles brennt. Meine Haut und jedes einzelne Organ in meinem Körper. Meine Muskeln sind zum zerreißen angespannt.
Ich schaue hoch in den Himmel und ein greller Blitzt erhellt die Nacht und spaltet zwischen zwei Fackeln die Finsternis. Ich kann nicht erkennen was sich dahinter befindet. "Geh schon", befiehlt Esther. "Ich kann nicht", presse ich hervor. "Überwinde deine Schmerzen. Das soll die Seelen nur davon abhalten durch das Tor zu gehen", erklärt sie ohne mir ein wenig Mitgefühl entgegen zu bringen.
"Aber...", setze ich panisch an. "GEH", befiehlt sie schließlich noch einmal. Leonie liegt schreit immer noch und hält sie die Ohren zu, bevor sie sich nach vorne beugt, gott sei dank nicht über meinen Körper, und fängt an Blut zu kotzen. Eine erhebliche Menge.

Ich werfe Kol einen flüchtigen Blick zu. Einen der mir versichert das er da ist, wenn ich wieder komme. Das ich mir ihn nicht einbilde. Aber seinen leidenden Gesichtsausdruck, werde ich nicht vergessen. Ich will sein Leid beenden.
Mit der letzten Kraft die ich aufbringen kann, stehe ich auf und begebe mich stolpernd zum Tor.
Angst durchströmt mich. Was, wenn es eine Falle von Esther ist und ich dann endgültig sterbe?
Eigentlich war es am Anfang genau das, was ich wirklich wollte. Aber jetzt hat sich alles geändert.

Ich atme einmal tief ein und überwinde den letzten Abstand und trete durch das Tor, in der Hoffnung, als lebende auf zuwachen.

Alexandria Petrova - The OriginalWhere stories live. Discover now