Kapitel 41

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Musternd sehe ich mich in den alten aber großen Gebäude um.
Dieses Gebäude gehört mir. Ich hatte es vor über 130 Jahren hier bauen lassen. Und es sieht noch fast genauso aus.
Die Einrichtung ist nur etwas moderner geworden.
Ein bisschen bin ich mit Stolz erfüllt. Ob sie anerkennen das es mir gehört?
„Wie findest du es?", fragt mich Joran direkt.
Ich finde es tatsächlich gut. Nur hasse ich es, das er denkt es würde ihm gehören. Denn das tut es nicht. Nichts von all dem hier gehört ihm.
Also, es ist ja nicht so, dass ich nicht egoistisch klinge.
Liegt vermutlich ein bisschen an meinem riesigen Ego.

„Sehr schön", sage ich knapp und begebe mich dabei in ein riesiges Büro, dass eine super Aussicht auf New York und den Central Park liefert. Wirklich schön. Ich bin beeindruckt.

„Von hier aus arbeite ich und versuche die Menschen, Hexen und Werwölfe unter Kontrolle zu halten", erklärt er mir und mustert jede meiner Bewegungen die ich mache. Die Vampire hören wohl alle freiwillig auf ihn. Interessant. Irgendetwas ist hier doch faul. Irgendwas geht hier vor sich. Und ich muss einfach wissen, was es ist.

„Ist das so...", quittiere ich seine Erklärung desinteressiert.
„Was möchtest du eigentlich wieder hier, Alexandria?"
Endlich, die Frage aller Fragen.
Jetzt wo wir allein sind, traut er sich tatsächlich sie mir zu stellen. Denkt er die Antwort würde ihm dann leichter zufliegen? Er hätte auch vor den kleinen Vampiren fragen können. Die Antwort wäre dieselbe.
„In der Vampirschule bringt man euch nicht bei, Respekt vor den älteren zu haben, huh?"
Ich werde seine Fragen einfach ignorieren.
„Vampirschule?" Sein dämlicher Gesichtsausdruck bohrt sich in meinen Rücken, während ich die Aussicht genieße. Langsam geht die Sonne hinter den Dächern New Yorks unter und taucht die Stadt in ein wundervolles Licht, welches die Gebäude in einem goldenen Ton erstrahlen lässt.

„Das hier ist mein Büro", sage ich langsam.
„Alex diese Stadt gehört mir, ich kann sie dir nicht einfach zurückgeben. Jemand musste die Führung übernehmen als du verschwunden bist..." Abfällig schnaube ich. „Und das warst ausgerechnet du"
Er seufzt und schließt die Tür hinter uns. „Es wäre ein Zeichen von Schwäche dir direkt wieder alles in den Schoß zu geben was ich alles erreicht habe...", erklärt er. „Das würde uns schwach dastehen lassen. Und ich kann es außerdem nicht" Ein leicht trotziger Unterton schwingt in seiner Stimme mit. Er erinnert mich ein bisschen an Marcel, Klaus Ziehsohn. Der ist auch sehr überheblich und trotzig, wie ein kleines Kind.
Innerlich zieht sich in mir alles zusammen vor Wut. Ich kann gerade irgendwie nicht glauben, dass er mir diesen Vortrag hält.
„Jetzt hör mal zu Joran. Ich habe diese Stadt aufgebaut. Sie gehört mir. Und nur weil ich mal kurz nicht da war, heißt das nicht das du für immer das Zepter an dich reißen kannst.... Aber nun gut", lenke ich am Ende etwas ein. Tief ein und aus Atmen.
Ein nichts zu übertreffender Wutanfall würde mir jetzt wirklich nichts bringen. Die Vampire wären nicht auf meiner Seite, zumindest würde ich sie nicht bis dahin bekommen. Und falls es sich dann herumsprechen sollte, wie schnell ich ausflippe, würde es sich etwas schwierig gestalten, hier wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Oder ich rufe Kol an und wir treten die Tür einfach ein. Aber momentan möchte ich eher wissen, was hier vor sich geht in der Stadt. Ich habe ein komisches Gefühl im Bauch. Und laut Esther, werde ich hier etwas finden, das sie sehr interessiert. Und was Esther so interessiert, dass sie dafür einen Urvampir zurück holt ins Leben, kann mich ja nur genauso interessieren. Schließlich möchte ich der Urschlampe, nicht wirklich etwas überlassen.
Egoistisch. Sag ich ja.

„Ich lasse dir das Zepter. Sehe mich einfach als deine Beraterin an. Ich will hier aber meine Freiheit", stelle ich klar.
Er nickt und seine braunen Haarsträhnen fallen ihm leicht ins Gesicht. „Okay. Damit kann ich leben. Solange du dich nicht einmischst. Ich werde dich höchstens um Rat fragen, aber du wirst nichts unternehmen, nicht wenn ich nicht ausdrücklich den Befehl dazu gebe"
Etwas kneife ich die Augen zusammen. Befehl. Ist das so. Innerlich koche ich vor Wut. Ich glaube so sauer wie ich es gerade bin, war ich schon lange nicht mehr.
„Natürlich werde ich mich nicht einmischen. Solange du dich aus meinen Angelegenheiten ebenfalls raushältst"
Ein erneutes Nicken seinerseits.
„Ich denke damit können wir leben. Ich hoffe ich kann dir vertrauen, Alex"
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Das hoffe ich bei dir auch", sage ich nüchtern.
„Und ich hoffe wirklich stark für dich, dass du meine Suite nicht angerührt hast", knurre ich und gehe dabei an ihm vorbei und öffne die alte Holztür.
Schon ein bisschen töricht von mir, ausgerechnet den Hauptstil im Inneren des Gebäudes, mit Holz zu machen.
Andererseits, tötet mich ja nur eine bestimmte Holzsorte. Eine die nicht mehr existiert.

„Nein, habe ich nicht. Sie ist noch genauso wie du sie verlassen hast", teilt er mir mit.
Das will ich wirklich für ihn hoffen. Dort befindet sich regelrecht mein ganzes Leben. Sogar Sachen aus meiner Kindheit. Welche auch sehr schwer aufzutreiben waren. Als ich zum Vampir verwandelt wurde, hatte ich danach nicht wirklich ein großes Interesse daran, Dinge aus meinem Leben für meine späteren Jahre aufzubewahren. Das hat Elijah ein bisschen für mich übernommen. Zumindest mit zwei persönlichen Dingen die sich auch in diesem Tresor befinden.
Meine Bücher, die Hexenbücher, Artefakte, unbeschreiblich teure Schätze, für die ein Museum vermutlich töten würde. Alles verstaut in einem Tresor, geschützt durch Magie, Stahl, Sensoren, welche ich vor Monaten mal in Auftrag gegeben habe, Fingerabdruckscanner, sowie Wolfs Wurz und Eisenkraut verstärkt.
Niemand kommt dort rein ohne zu wissen wie.

Nicht lange stehe ich in dem alten Fahrstuhl und beobachte die Zahl über der Tür, wie sie steigt und steigt.
Sie haben den alten Stil aus der Jahrhundertwende, mit der neuen Technik verbunden. Und ich muss zugeben, es gefällt mir sogar eigentlich sehr gut.
Ding, sofort öffnet sich die Fahrstuhltüren und ein Anflug von Nostalgie überkommt mich, als ich mein altes Apartment betrete.
Es ist sauber gehalten worden. Immerhin hat er sich darum gekümmert. Sein Ansehen ist in meinen Augen also gerade einmal nicht weiter geschrumpft.

Ein leichtes Lächeln ziert meine Lippen, als ich sanft mit meinen Fingerspitzen über die Lehne des Sofas streiche. Altes Leder hat mir immer schon sehr gut gefallen. Und es in einem solch guten Zustand zu sehen, sowieso.
Langsam durchschlendere ich das große Wohnzimmer und öffne eine alte Tür.
Doch mich erwartet kein Ankleidezimmer, oder ein Schlafzimmer oder sonstiges. Nein.
Dahinter befindet sich unmittelbar eine Stahlwand.
Um genauer zu sein, ein Stahltresor. Zwanzig Zentimeter dicker Stahl.
Ich lege meine Hand auf den Scanner. Ein kleines grünes Licht leichtet von oben bis unten meine Hand ab. Wäre es nicht ich, die das tun würde und das System würde das erkennen, sollte man sich nicht ausmalen, was dann passiert. Jedem übernatürlichen Wesen würde es zumindest sehr weh tun und eventuell sogar zum Tode führen. Weiter ausführen möchte ich das jetzt aber nicht.

Mit einem lauten knarren und knacken setzen sich Hebel, Schlösser und Stahlsicherungen in Bewegung.
Ich glaube ich hätte den alten Tresor niemals so gut austauschen lassen können, wenn ich nicht immer noch Leute hätte, die für mich arbeiten und die mir treu ergeben sind. Welch ein Glück. Zu wissen das jemand an einen glaubt und hinter einem steht.

Meine Hände legen sich um das große Rad. Ein bekannter Schmerz durchzieht sofort meine Hände. "Fuck", zische ich mit zusammengepressten Zähnen. Das Eisenkraut ist sehr wirksam.
Die meisten Vampire wären etwas abgeschreckt, natürlich könnten diese auch auf Handschuhe oder Hexen oder sonstigen Kram zurückgreifen, aber es ist schließlich vorgesorgt.
Jeder der diesen Tresor öffnet ohne meine DNA zu haben, mit oder ohne Handabdruckscanner, stirbt.
Ich hatte schon immer ein Faible für Flüche. Und ich bin wahnsinnig und paranoid. Gute Kombination.
Und die Hexe, die damals den Fluch mit meinem Blut verbunden hat, ist natürlich nicht mehr am Leben.
Schließlich ist das über hundert Jahre her. Und vielleicht auch, weil ich sie vergiftet habe. Und sie dennoch am Ende dachte es wäre ein Mensch gewesen.
Komische Geschichte. Und passt jetzt auch definitiv nicht hier her.

Mit einem Ruck, ziehe ich die Tür auf. Nichts kann man erkennen. Nur Dunkelheit.
Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Als ob ich tot wäre. Genau so hat es sich angefühlt.
Kalt, moderig und ein wenig orientierungslos.
Viel nützen wird es mir aber nichts, wenn ich jetzt in Panik verfalle.
Ich atme tief ein und aus und versuche ein wenig mein Atem zu kontrollieren und mich selbst zu beruhigen.
Langsam treten meine Reißzähne empor und ich beiße mir in meine Hand.
Nichts ist zu hören, bis auf das hypnotische gleichmäßige tropfen des Blutes auf den kalten Steinboden.

Alexandria Petrova - The OriginalWhere stories live. Discover now