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Am nächsten Tag redete Jayden kein einziges Wort mit mir. Er ignorierte mich, als ich ihm einen guten Morgen wünschte, verschwand mit seinem Frühstück auf sein Zimmer und verließ dann kurze Zeit später das Haus. Es ärgerte mich unheimlich, dass er das gestern gehört hatte und jetzt sauer auf mich war. Vor allem, weil es ja die pure Wahrheit war. Aber natürlich glaubte er nur Alexandra und nicht seiner nervigen kleinen Schwester, weshalb ich auch gar nicht erst versuchte, ihn auf meine Seite zu ziehen.

Ich schnappte mir mein Handy inklusive Kopfhörer und ging nach unten in den Garten. Da es mir in der Sonne eh zu heiß werden würde, legte ich mich auf eine Liege im Schatten. Ich schaltete die Musik ein und schloss meine Augen, um zu entspannen.

Fast eine halbe Stunde lag ich dort, lauschte den ruhigen Liedern meiner Relaxing Playlist und wäre beinahe dabei eingeschlafen, aber dann erlitt ich beinahe einen Herzinfarkt, als mich jemand antippte. Reflexartig riss ich mir die Kopfhörer aus den Ohren, während ich aufsprang und mich in Kampfposition begab.

Derweil ich mit ausgestreckten Armen dort stand und bereit war zu kämpfen, stand vor mir ein lachender Harry, der sich nicht mehr einkriegte. Erleichtert, aber auch eingeschnappt zugleich, senkte ich meine Arme wieder und verschränkte sie vor der Brust. Harry hatte mittlerweile schon Tränen in den Augen, weil er die Situation so amüsant fand. Er setzte sich auf die Liege, wo ich bis vor ein paar Sekunden noch entspannt gelegen hatte und hielt sich den Bauch. Während er so herzhaft lachte, warf er mit geschlossen Augen seinen Kopf nach hinten und neben seinen Augen bildeten sich kleine Fältchen.

"Ha-Ha. Sehr witzig", sagte ich und wollte eigentlich ernst bleiben, aber irgendwie konnte ich mir das Lachen dann doch nicht verkneifen. Vor allem, weil Harrys Lache sich so lustig anhörte, wenn er richtig lauthals am Lachen war und es einfach nur ansteckend war.

"Ja, das war es." Er atmete tief durch und wischte sich die Tränen weg. "Du bist wie so ein Ninja aufgesprungen."

"Du würdest dich auch erschrecken, wenn jemand ganz plötzlich in deinem Garten auftaucht!", verteidigte ich mich. "Aber wie kommst du überhaupt hier rein?"

"Ich habe gesehen, wie Jayden an meinem Haus vorbeigelaufen ist und dann wollte ich dich zum Skaten abholen. Als ich geklingelt habe, hat aber keiner aufgemacht, deswegen bin ich durch die offene Gartentür", zuckte er mit den Schultern, als wäre es das normalste der Welt.

"Wenn niemand die Tür öffnet, dann ist auch normalerweise niemand Zuhause."

Harry zog die Augenbrauen in die Höhe und sah mich an. "Du verlässt nie vor dem Mittag das Haus, außer wenn Schule ist."

Ich wusste darauf keinen Konter, denn es stimmte, obwohl es auch etwas fies war. Und ich hätte nicht gedacht, dass ihm sowas auffallen würde.

"Ach man...", seufzte ich und setzte mich zu ihm auf die Liege.

"Ist alles okay bei dir?", fragte Harry und war auf einmal wieder komplett ernst.

"Ich habe keine Lust auf Skaten." Ich stützte mein Kinn auf meinen Handflächen ab und meine Ellenbogen auf meinen Knien.

"Macht es dir doch keinen Spaß? Wir können auch vorsichtig anfangen, damit du nicht nochmal hinfliegst."

"Daran liegt es doch gar nicht", murmelte ich und starrte trostlos nach vorne.

Harry sagte für ein paar Sekunden nichts, da er wohl nicht so recht wusste, was er darauf antworten sollte. Aber ich konnte ihn verstehen. Ich hätte auch keine Lust gehabt, mich mit den Problemen von der kleinen Schwester meines Freundes rumzuschlagen.

"Also, äh...", setzte er dann nervös an. Ich hatte eigentlich gedacht, dass er sich verabschiedete und wieder nach Hause ging. Allerdings legte er zögernd seine Hand auf meine Schulter und sagte: "Ich weiß ja nicht, ob du darüber reden willst oder so... Aber wenn ja, dann höre ich dir zu."

Ich drehte überrascht meinen Kopf zu ihm. Damit hätte ich nun ehrlich nicht gerechnet. Aber ich fand es irgendwie schön zu wissen, dass sich jemand für mich interessierte. Momentan hatte ich eigentlich niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Aber ob gerade Harry der richtige dafür war, wusste ich auch nicht.

"Das ist echt nett von dir... Aber es ist nicht so wichtig."

"Okay", lächelte er verständnisvoll und nahm seine Hand wieder weg.

"Ich meine, warum sieht Jayden denn nicht, was für eine miese Ratte Alexandra in Wirklichkeit ist?! Und dann ist er auch noch sauer auf mich, weil er mitbekommen hat, wie ich sie als falsch und hinterhältig betitelt habe. Aber das ist ja nur die Wahrheit! Und natürlich hat er nicht das gehört, was sie vorher zu mir gesagt hatte. Du hättest mal sehen müssen, wie sie sich an ihn rangekuschelt hat, als wäre sie das Opfer in der ganzen Sache. Ich hätte kotzen können! Und dann auch noch dieses hinterhältige Grinsen in ihrem Gesicht... Argh! Ich hasse dieses Weib!"

Ich gab einen frustrierten Laut von mir und stand auf. Die ganze Wut, die sich in mir aufgestaut hatte, kam einfach so unkontrolliert aus mir herausgesprudelt. Als ich zu Harry sah, starrte er mich nur mit weiten Augen und offenem Mund an. Er war sichtlich überfordert von dem, was ich gerade von mir gegeben hatte. Und als er dann auch noch wieder anfing zu lachen, kam ich mir erst recht dumm vor. Wie peinlich konnte ich auch sein, dass ich ihm wie aus dem Nichts mein Herz ausschütte.

"Vergiss es einfach", murmelte ich mit einer abwinkenden Handbewegung und lief ins Haus hinein. Warum war ich nur so komisch?

"Jazmyn, warte!", rief Harry mir hinterher. Ich konnte hören, wie er mir mit schnellen Schritten hinterherrannte und keine zwei Sekunden später, hatte er auch schon mein Handgelenk umfasst und brachte mich dadurch zum Stehen.

"Wenn du dich noch weiter über mich lustig machen willst, dann kannst du direkt gehen. Du weißt ja, wo die Tür ist", schnaubte ich und wollte mein Handgelenk aus seinem Griff befreien, aber er war zu stark.

"Ich habe mich nicht über dich lustig gemacht. Ich fand es nur witzig, dass du erst meintest, du willst nicht darüber reden und dann lässt du plötzlich doch alles raus. Das war einfach typisch Frau."

"Und es ist typisch Mann, dass ihr uns nicht ernst nehmen könnt!" Nun schaffte ich es doch, mich zu befreien und steuerte geradewegs auf die Couch zu.

Ich hörte Harry hinter mir seufzen und im nächsten Moment saß er neben mir. "Ich nehme dich ernst, wirklich. Und ich kann verstehen, dass es dich nervt, dass Jayden jetzt sauer auf dich ist. Aber es kommt halt nicht so gut, wenn du so schlechte Dinge zu seiner Freundin sagst. Dann ist doch klar, dass er sie in Schutz nimmt und ihr glaubt."

"Das ist doch alles doof", jammerte ich und hätte mich am liebsten in eine Decke eingewickelt und mich für den Rest des Jahres in mein Bett verschanzt.

"Ich weiß", sagte Harry, stand dann auf und hielt mir seine Hand hin. "Und ich habe auch eine coole Idee, wie wir dir wieder gute Laune machen können."

unexpected love || h.sWhere stories live. Discover now