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Harrys Sicht:

Mit dröhnenden Kopfschmerzen wachte ich am nächsten Morgen auf. Zumindest vermutete ich, dass es morgens war, denn ich konnte meine Augen kaum aufhalten durch das grelle Licht im Zimmer. Stöhnend quälte ich mich aus dem Bett und streckte mich, wobei bestimmt alle meine Gelenke einmal knackten. Schlaftrunken wanderte ich in den Flur, bis mir plötzlich etwas merkwürdig vorkam. Ich rieb mir über die Augen und bemerkte, dass ich mich gar nicht in meinem Haus befand.

"Was ist heute Nacht passiert?", murmelte ich leise vor mich hin, während ich versuchte, die Erinnerungen hervorzurufen.

Ich wusste noch, dass ich mit Niall zu einem seiner Teamkollegen gefahren war. Dort hatten wir ein Trinkspiel gespielt, bei dem ich verloren hatte und eine große Menge an Alkohol trinken musste. Im Pub ging es dann weiter, bis irgendwann Jaz dazukam. Ab da erinnerte ich mich nur noch an Shots, einen bösen Mann und... Jayden? Wenn mein Gedächtnis mir keinen Streich spielte, hatte er uns abgeholt, aber weitere Erinnerungen blieben mir aus. Das erklärte dann auch, dass ich bei Jaz geschlafen hatte.

Nachdem ich mich im Badezimmer frisch gemacht hatte, lief ich wieder zurück in Jaz' Zimmer. Ich wollte sie unbedingt fragen, was genau in der Nacht passiert war und vor allem wollte ich mich dafür entschuldigen, dass sie mich so betrunken erleben musste. Aber als ich in ihrem Zimmer ankam, fand ich nur ein leeres Bett vor.

Also zog ich mir schnell etwas über und lief nach unten. Als ich auf der Treppe war, konnte ich bereits laute Stimmen hören und stellte mich innerlich darauf ein, von der kompletten Familie empfangen zu werden.

"Guten Morgen, Harry", trällerte Carol fröhlich, als ich vor dem Esstisch zum Stehen kam. Mich wunderte ihre gute Laune, da ich damit rechnete, dass Jayden bereits alle über meinen kleinen Absturz informiert hatte. "Setz dich ruhig neben Jazmyn."

Ich folgte ihrer Anweisung und nahm auf dem freien Stuhl Platz. Jaz drehte sich zu mir und musterte mich mit einem besorgten Gesichtsausdruck - ihre Augen spiegelten Enttäuschung wieder, auch wenn sie diese nicht zeigen wollte. Ich war sauer auf mich, dass ich mich nicht unter Kontrolle hatte und fühlte mich schlecht, weil Jaz das miterleben musste. Mit einem sanften Kuss auf ihren Haaransatz, versuchte ich ihr zu signalisieren, dass es mir leidtat.

"Hattet ihr einen schönen Abend?", fragte Dave (ihr Dad). Entweder war das ein Test oder sie hatten vielleicht doch noch nichts erfahren.

"Ja, war gut", murmelte Jaz neben mir.

Mein Blick huschte zu Jayden, der schräg gegenüber von mir saß und brummig in seinem Müsli rumrührte. Ein spottendes Lachen kaum aus seiner Richtung.

"Kein Stress am frühen Morgen", ermahnte Carol ihren Sohn. "Du weißt, was ich dir gesagt habe."

"Ich muss mich damit abfinden, dass die zwei jetzt zusammen sind", antwortete Jayden in einem brummigen Ton. Danach trafen seine Augen direkt auf meine. "Aber ich muss es nicht akzeptieren."

Carol seufzte laut und gab ihrem Sohn einen leichten Klaps auf den Hinterkopf. Das Thema war dann zum Glück vom Tisch, dennoch verlief das Frühstück in einer unangenehmen Stimmung. Als wir fertig waren, räumte ich mit Carol den Tisch ab und holte mir dann eine Kopfschmerztablette aus der Küche. Das Dröhnen in meinem Kopf war nicht mehr auszuhalten.

"Vielleicht solltest du das nächste Mal nicht so viel trinken", ertönte die Stimme von Jayden hinter mir.

Ich schloss meine Augen für einige Sekunden und atmete tief durch, bevor ich mich zu ihm umdrehte. "Es war nicht cool - das weiß ich. Aber du kennst mich und weißt, dass ich sonst nicht so viel trinke."

Jayden verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Türrahmen. "Ich will nie wieder mitten in der Nacht einen verzweifelten Anruf von Jaz bekommen, weil du zu betrunken bist."

Ich nickte stumm und ging auf ihn zu. "Danke, dass du heute Nacht gekommen bist und mich nicht vor euren Eltern verraten hast." Mit diesen Worten lief ich an ihm vorbei.

Natürlich konnte ich verstehen, dass Jayden sich um seine Schwester sorgte, auch wenn es so nicht immer der Fall war. Aber wir kannten uns nun schon so viele Jahre, dass er eigentlich wissen sollte, dass ich mich sonst nie so unkontrolliert verhielt. Ich sah meinen Fehler ein und bereute es.

"Geht es dir besser?", fragte Jaz, als ich ihr oben im Flur begegnete.

Anstatt ihr eine Antwort zu geben, umschloss ich sie in eine feste Umarmung. Zuerst war sie überrascht, legte kurz darauf aber ihre zarten Hände auf meinen Rücken. Ich drücken ihr einen sanften Kuss auf den Haaransatz, dann noch einen zweiten und auch noch einen dritten. Mit meinen Händen fuhr ich durch ihre Haare und umfasste sanft ihr Gesicht, so dass sie zu mir hochsah. "Mir tut es so leid. Ich war ein schlechter Freund heute Nacht und - scheiße. Das hätte nicht passieren dürfen und das wird es auch nie wieder."

"Es ist doch alles gut", fing Jaz an zu beteuern und war mal wieder viel zu gutmütig. "Hat Jayden dir das eingeredet?"

"Nein, hat er nicht - nicht direkt. Ich weiß ja, dass es stimmt", seufzte ich. "Du darfst auch ruhig sauer auf mich sein und-..."

"Harry!", unterbrach sie mich kichernd. "Ja, die letzte Nacht war nicht so cool, aber ich bin nicht sauer oder hasse dich. Du hast dich entschuldigt - das weiß ich sehr zu schätzen. Ich kenne dich und weiß, dass sowas sonst nicht passiert."

Bei ihren Worten schlich sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen. Jaz näherte sich langsam meinem Gesicht, um die Lücke zwischen uns zu schließen. Mit einem sanften Kuss versicherte sie mir, dass zwischen uns alles gut war.

"Du bist ein Engel, weißt du das? Mein Engel." Meine Worte meinte ich vollkommen ernst. Seit wir uns nähergekommen waren, war mein Leben einfach viel schöner. Zwar hatte ich meinen besten Freund so gut wie verloren, aber ich war trotzdem unbeschreiblich glücklich. Jaz gab mir die verständnisvolle und ehrliche Liebe, nach der ich mich schon immer gesehnt hatte.

"Ich verlasse niemals deine Seite - egal wie betrunken du bist", grinste Jaz. "Dafür liebe ich dich viel zu sehr."

Mein Blick fokussierte sich auf ihre pinken Lippen und ich konnte nur noch daran denken, diese erneut auf meinen zu spüren. Doch bevor wir auch nur annähernd in Kontakt kommen konnten, ertönte plötzlich ein lautes Geräusch hinter mir. Erschrocken fuhr ich rum und sah Jayden am anderen Ende des Flurs. Er war nach unten gebeugt und griff nach seinem Handy, das auf dem Boden lag. Danach richtete er sich räuspernd auf, zischte in Windeseile an uns vorbei und verschwand genauso schnell in seinem Zimmer.

Jaz schaute mich irritiert an, als wir wieder allein im Flur standen. "Hat er uns beobachtet?", fragte sie.

"Scheint so."

unexpected love || h.sWhere stories live. Discover now