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Ich war froh, dass meine Eltern es noch nicht erlaubten, dass Alexandra bei uns übernachtete. Denn dann hätte ich sie wohl vierundzwanzig Stunden in meinem Haus und das würde ich niemals aushalten. Seitdem Jayden sie vorgestellt hatte, waren vier Tage vergangen. Und jeden einzelnen verbrachte sie bei uns Zuhause. Entweder hatte sie kein eigenes oder ihre Eltern wollten sie nicht dahaben (was ich absolut nachvollziehen konnte). Sie verstand sich so blendend mit meinen Eltern, dass sie schon fast mehr Zeit mit ihnen verbrachte als ich. Lag vielleicht auch daran, dass ich mich meistens in meinem Zimmer verschanzte und nur notgedrungen zum Essen runterging. In solchen Situationen wünschte ich mir echt, dass ich mehr Freunde hätte. Dann könnte ich nämlich zu ihnen flüchten und müsste nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer rumsitzen. Außerdem wurde es manchmal auch echt langweilig.

"Guten Morgen", sagte ich noch recht verschlafen, als ich die Küche betrat.

"Du meinst wohl eher Mittag." Mum zog die Augenbrauen hoch und deutete auf die Uhr.

"Oh...", murmelte ich, als ich feststellte, dass es bereits halb zwei war.

Trotzdem bereitete ich mir erstmal mein Lieblingsmüsli zu, da ich sofort nach dem Aufstehen kein Mittagessen runterbekommen hätte.

Mum hatte mittlerweile das Haus verlassen, weil sie noch Termine hatte und Besorgungen erledigen musste. Also setzte ich mich auf das Sofa und schaltete den Fernseher ein. Ich nahm mein Handy in die Hand und schrieb erstmal Sydney und informierte sie über die ganzen Ereignisse von den letzten Tagen, da sie ja noch keine Ahnung von dem ganzen hatte. Wie erwartet rastete sie aus und ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie sie aufgebracht die Nachrichten in ihr Handy eintippte. Ich war so froh, dass meine beste Freundin mich so gut verstand und immer zu mir hielt.

Ich schrieb noch eine Weile mit Sydney und sie erzählte mir von ihrem Urlaub, bis ich plötzlich eine Nachricht von meinem Bruder erhielt.

Jayden: Hey, Schwesterchen. Harry hat heute morgen sein Handy in der Küche vergessen. Bring ihm das bitte zum Skatepark, du hast ja eh nichts zu tun. Hast auch was gut bei ihm. ;)

Wollte der mich eigentlich verarschen?! Nur weil ich seine kleine Schwester war, hieß es ja nicht gleich, dass ich sofort sprang, wenn er etwas von mir verlangte. Und außerdem hatte er nicht einmal gefragt, ob ich es machen würde. Er ging sofort davon aus, dass ich es tat! Wenn es sein Handy gewesen wäre, dann hätte er es schön selbst abholen können. Aber da es das von Harry war, wollte ich auch nicht so fies sein. Außerdem hatte Jayden Recht damit, dass ich ja eh nichts zu tun hatte.

Also stieg ich schnell unter die Dusche, zog mir eine kurze Hose und ein Top an und band meine Haare zu einem ordentlichen Pferdeschwanz. Auch wenn ich so nett war und ihm sein Handy vorbeibrachte, hieß es ja noch lange nicht, dass ich mich beeilen musste und innerhalb von fünf Minuten da war. Deshalb beschloss ich auch zu laufen, da der Park eh nur fünfzehn Minuten entfernt war und ich absolut keine Lust hatte mit dem Fahrrad zu fahren.

Als ich beim Skateplatz ankam, musste ich erstmal nach Harry suchen, da dort so viele Leute mit ihren Skateboards rumfuhren, dass ich leicht den Überblick verlor. Aber zum Glück war er ziemlich groß, so dass ich ihn dann schließlich doch in der Menge finden konnte. In dem Moment, als er mich auch erblickte und bemerkte, dass ich auf ihn zusteuerte, kam er mir entgegengefahren.

"Hier, dein Handy", sagte ich ohne Begrüßung und hielt ihm sein schwarzes Smartphone hin.

Harry sah mich verwundert an und tastet an seinen Hosentaschen herum. "Wo hast du das gefunden?"

Ich zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn fragend an. "Du hast es bei uns Zuhause vergessen. Ich sollte dir das doch vorbeibringen?"

"Ich wusste bis jetzt nicht einmal, dass ich es gar nicht bei mir habe..."

Okay, das war echt komisch.

"Jayden hat mir vorhin geschrieben und meinte, dass ich dir dein Handy vorbeibringen soll, weil du es bei uns vergessen hast", erklärte ich ihm und war dabei genauso verwirrt wie er.

Harry schien kurz zu überlegen und dann machte es plötzlich Klick bei ihm. "Was ein Arsch", murmelte er vor sich hin. "Er hat mir gestern erzählt, dass er dich heute aus dem Haus locken will, damit er mit Alexandra alleine sein kann. Das mit dem Handy war anscheinend alles Teil seines Plans."

Ich schnaubte wütend auf. In mir staute sich so eine gewaltige Wut auf meinen Bruder, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn mir Dampf aus den Ohren gestiegen wäre. Anstatt mich einfach zu fragen, ob ich weggehen kann für ein paar Stunden, verarschte er mich und seinen besten Freund lieber.

"Der kann jetzt was erleben!", zischte ich aufgebracht und wollte mich schon umdrehen, um zu gehen, als Harry mich jedoch aufhielt.

"Äh, ich würde das an deiner Stelle nicht jetzt machen." Er kratze sich verlegen am Hinterkopf und lächelte mich mitleidig an. "Er wollte nicht ohne Grund mit ihr alleine sein."

Angewidert verzog ich das Gesicht und musste aufpassen, dass mir jetzt nicht die Galle hochkam. Ich wollte echt nicht wissen, was mein Bruder Zuhause trieb, wenn keiner da war.

"Ja, großartig. Und was soll ich jetzt machen?" Ich warf verzweifelt meine Hände in die Luft.

Jayden würde noch seine gerechte Strafe für die ganze Aktion bekommen!

"Du kannst ja mit mir chillen", schlug Harry vor. "Er hat mich schließlich versetzt."

Ich zögerte erst, doch nickte dann zustimmend und gemeinsam setzten wir uns auf eine leere Bank am Rand. Das war das erste Mal, dass ich allein was mit Harry machte und irgendwie war es total komisch, da er ja schließlich immer noch der beste Freund von meinem Bruder war.

"Ihr macht in letzter Zeit gar nicht mehr so viel zusammen, oder?", fragte ich und sah Harry von der Seite an. Ich musste zugeben, dass ich ihn schon immer richtig hübsch fand.

"Entweder hat er keine Zeit, weil er was mit Alexandra macht oder er geht früher, weil sie ihn anruft und was mit ihm machen will", zuckte er mit den Schultern, ohne mich anzusehen und lächelte traurig. "Aber jetzt weiß ich wenigstens, warum er in den letzten Wochen so wenig Zeit hatte."

Er tat mir leid. Wie scheiße musste das sein, wenn der beste Freund plötzlich keine Zeit mehr für einen hatte und seine Freundin auf einmal an erster Stelle stand? Eigentlich war eine langjährige Freundschaft ja auch wichtig und man sollte diese auf keinen Fall wegen einer Beziehung vernachlässigen. Aber genau daran konnte man mal sehen, wie sehr Alexandra Jayden um ihren Finger gewickelt hatte. Normalerweise würde er sowas nicht machen. Das sah ihm nicht ähnlich

"Hast du Jayden darauf angesprochen?"

Er schüttelte den Kopf. "Das würde eh nichts bringen. Du kennst doch deinen Bruder."

Oh, ja. Jayden konnte ein richtiger Sturkopf sein. Manchmal kam es einem echt so vor, als würde man mit einer Wand reden. Diese Eigenschaft hatte er eindeutig von unserem Dad geerbt, so sagte Mum es zumindest immer.

"Ich hätte zwar nicht gedacht, dass es möglich ist... Aber ich kann Alexandra jetzt noch weniger leiden", gab ich augenrollend zu.

Harry fing an zu lachen und sah mich an. "Ich kann nachvollziehen, wie du dich fühlst."

Mein Blick schweifte über den Skatepark, wo die ganzen Jugendlichen mit ihren Boards zu sehen waren und da kam mir eine Idee.

"Harry?", fragte ich grinsend und lenkte somit seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. "Jayden meinte, ich hätte etwas gut bei dir, wenn ich dir dein Handy bringe."

Er sah mich bedenklich an und hoffte wahrscheinlich darauf, dass ich jetzt keinen allzu absurden Wunsch äußerte. Ich hatte die große Auswahl, aber da gab es einen speziellen Wunsch.

"Bring mir das Skaten bei."

Er runzelte die Stirn und sah mich ungläubig an. "Du willst Skaten lernen?"

"Ja. Warum denn nicht?", zuckte ich mit den Schultern, als wäre es das Normalste auf der Welt. "Ich fand das schon immer cool."

Harry überlegte nicht lange, ehe sich ein schiefes Grinsen auf seinen Lippen ausbreitete, wobei ein Grübchen zum Vorschein kam.

"Dann lass uns anfangen."

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unexpected love || h.sWhere stories live. Discover now