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"Wollen wir nicht doch einfach schwänzen? Das fällt eh niemanden auf", versuchte ich meine beste Freundin nun zum zehnten Mal davon zu überzeugen, mit mir auf der Stelle zu verschwinden.

"Es ist der erst Schultag, Jaz. Natürlich fällt das auf, wenn wir nicht da sind", seufzte Sydney. "Es wird ein super Tag werden."

Misstrauisch zog ich die Augenbrauen in die Höhe, da sie diese Aussage tatsächlich ernst meinte. Ich konnte noch nie verstehen, wie manche Menschen sich wirklich auf den ersten Schultag nach den Sommerferien freuen konnten. Aber wenn man viele Freunde hatte und generell von allen gemocht wurde, dann assoziierte man die Schule auch nicht mit der Hölle. Ich wollte auch morgens ohne Bauchschmerzen aufstehen und mich auf den Tag freuen.

Sydney zog mich an meinem Arm über den Schulhof, damit ich bloß nicht stehenblieb. Als wir im Gebäude ankamen und durch den langen Flur liefen, hatte ich plötzlich das Gefühl, von jedem angestarrt zu werden. Wahrscheinlich bildete ich mir das mal wieder nur ein, weshalb ich meinen Blick auf den Boden fokussierte.

"Wie läuft es eigentlich mit Niall?", fragte ich Sydney, um mich gleichzeitig auch von der Situation abzulenken.

"Super", quiekte sie auf einmal lautstark auf. "Wir haben uns so lange unterhalten auf der Party und jetzt schreiben wir ununterbrochen. Ich warte nur darauf, dass er mich endlich nach einem Date fragt."

Natürlich freute ich mich unheimlich für meine beste Freundin und Harry hatte mir versichert, dass Niall anständig war und nur ernste Absichten hatte. Dennoch wusste ich auch, dass Sydney nicht immer Glück in der Liebe hatte, und ich wollte auf keinen Fall, dass sie erneut verletzt oder enttäuscht wurde - vor allem weil sie sich immer so schnell in etwas hineinstürzte.

"Er fragt dich bestimmt in den nächsten Tagen", versicherte ich ihr lächelnd.

Einige Sekunden später kamen wir dann auch schon vor unserem Klassenzimmer an und ich wurde dieses Gefühl nicht los, dass die Blicke immer schlimmer wurden.

"Warum schauen mich alle so an?", murmelte ich leise, so dass nur Sydney es hören konnte. Sie kratzte sich am Hinterkopf und schaute überall hin, aber bloß nicht in meine Augen. "Sydney", drängte ich sie mit einem ernsten Unterton zu einer Antwort.

Sie seufzte schließlich und legte ihre Hände auf meine Oberarme, ehe sie sprach: "Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, weil ich dachte, es wäre eh schon wieder vergessen. Aber anscheinend haben es doch mehr Leute gesehen." Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Wovon zur Hölle sprach sie?! "Isabella hat ein Video von dem Vorfall auf der Party auf Instagram gepostet."

Erschrocken riss ich meine Augen auf und starrte Sydney ungläubig an. Sie machte einen Witz - sie musste einen Witz machen! Ich hätte es doch mitbekommen müssen! Aber in den letzten Tagen war ich auf kein Video gestoßen und niemand hatte mir etwas gesagt.

"Jayden hat dafür gesorgt, dass das Video direkt wieder gelöscht wird. Wir dachten, dass es eh nicht so viele gesehen haben in der kurzen Zeit und deswegen haben wir dir auch nichts davon erzählt", erklärte sie weiter.

"Warum starrt mich dann die ganze Schule an?!" Ich wollte Sydney nicht so wütend anfahren, aber ich war wütend, dass sie mir das verschwiegen hatte und mich einfach so ins offene Messer laufen ließ.

"Es tut mir echt leid, Jaz. Wir wollten nur verhindern, dass du dich schlecht fühlst."

Ich atmete einmal tief durch, denn ich fühlte mich einfach nur nach Heulen zumute. "Wer genau ist wir? Wer wusste da noch von?"

"Harry...", sagte sie zögerlich und kaute sich auf ihrer Unterlippe rum.

Sogar mein Freund wusste davon und hatte mir nichts gesagt. Da war schon wieder dieser verdammte Welpenschutz, den ich über alles hasste. Und dann kam mir wieder die Situation aus dem Café in den Sinn, wie Harry eine merkwürdige Nachricht erhielt und dann auf einmal unsere Handys ausschaltete.

"Lass uns einfach in die Klasse gehen", murmelte ich schlussendlich. Ich wollte den Schultag nur so schnell es ging rumkriegen und mich nicht noch mehr stressen. Die Situation war scheiße, aber ein Streit mit Sydney hätte mich auch nicht weitergebracht.

Wir suchten uns einen Platz mittig im Klassenraum und ich war überaus erleichtert, dass unsere Mitschüler keinen doofen Kommentar über das Video abließen und mich normal behandelten. Als Alexandra dann mit ihrem Anhängsel das Klassenzimmer betrat, zog sich in mir alles zusammen, da ich schon mit dem nächsten Drama rechnete, aber ich hatte Glück und sie ignorierte mich einfach - den kompletten Tag über. Und so wurde der erste Schultag doch noch einigermaßen angenehm und ließ sich auf jeden Fall aushalten. Noch besser wäre es gewesen, wenn ich nicht ständig die Blicke einiger Schüler auf mir gespürt hätte. Es machte mich verrückt, denn ich wurde nicht ausgelacht oder angesprochen - sie starrten mich einfach nur an.

"In ein paar Tagen haben alle das Video wieder vergessen und dann schauen sie dich auch nicht mehr so an", versuchte Sydney mir positiv zuzusprechen, als wir nach Schulschluss das Gebäude verließen.

Ich seufzte und hoffte einfach nur, dass sie Recht hatte, aber im selben Moment entdeckte ich eine Gruppe von vier Mädchen, die auf dem Schulhof standen und uns dabei beobachteten, wie wir immer näherkamen. Außerdem redeten sie nicht gerade unauffällig miteinander und ich wusste direkt, dass ich das Thema war.

"Noch auffälliger geht es auch nicht, oder?", fragte ich an meine beste Freundin gerichtet. "Sollen sie doch zu mir kommen, wenn es ein Problem gibt."

Als hätten sie das gehört, setzte sich eine von ihnen in Bewegung und kam tatsächlich auf uns zu. Sydney blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Was ist?", wollte sie patzig wissen.

Das blonde Mädchen vor mir stoppte auf der Stelle und beäugte uns mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck. Wenn ich mich nicht täuschte, war sie jünger als wir und eine Stufe unter uns. "Ähm, ich habe mich nur gerade mit meinen Freundinnen unterhalten und wir haben uns gefragt... nun ja, äh...", fing sie an zu stottern und wirkte auf einmal verunsichert, bis ihr Blick dann auf mir landete. "Bist du wirklich mit Harry Styles zusammen?"

Verdutzt klappte mir der Mund auf und so starrte ich sie für einige Sekunden einfach nur an, bis ich ihr als Antwort ein einfaches Nicken gab.

"Oh, okay. Viel Glück", lächelte sie und verschwand dann wieder zurück zu ihren Freundinnen, die schon gespannt warteten.

Sogar Sydney neben mir hatte es die Sprache verschlagen, da wir beide nicht mit dieser Frage gerechnet hatten. Wir gingen einige Schritte, bis sie schließlich die Vermutung aufstellte: "Kann es sein, dass du gar nicht wegen des Videos angestarrt wirst, sondern weil du mit Harry zusammen bist?"

Harry war schon immer sehr beliebt gewesen, vor allem bei Frauen, das wusste ich natürlich. Und auf unserer Schule war er nicht unbekannt, ich musste es ja selbst immer mit ansehen wie er und Jayden von allen Seiten angehimmelt wurden. Aber nun hatte er offiziell eine Freundin und das war dann ausgerechnet ich - die schüchterne und unauffällige Jazmyn. Dass das bei bei vielen für Verwunderung sorgte, machte Sinn, aber da hatte ich mir vorher überhaupt keine Gedanken drüber gemacht. Natürlich schauten mich viele wegen des Videos an, aber vielleicht auch einige aufgrund meiner Beziehung. Das zweite war mir um einiges lieber und ich musste zugeben, dass es mein Ego schon pushte. Harry war ein beliebter Mädchenschwarm, aber dennoch hatte er sich für mich entschieden.

"Das ist doch alles verrückt", schüttelte ich meinen Kopf.

Der erste Schultag war eindeutig nicht so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Meine Erwartungen waren zwar eh mehr als gering gewesen, aber trotzdem passierten Dinge, mit denen ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Und als hätte ich noch nicht genug Überraschungen an diesem Tag erhalten, wartete dann auch noch Jayden am Ausgang. 

unexpected love || h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt