Kapitel 65

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Warum habe ich mich nicht schon früher bei der Schule beschwert, dass sie Schließfächer nichts für kleine Menschen gemacht sind? Jedes Mal scheitere ich daran, wenn ich meine Bücher in die oberen Fächer einräumen will, aber unten war einfach kein Platz mehr. Ich stellte mich auf Zehenspitzen und hielt mich an den anderen Spinden fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Schon blöd, wenn man so klein ist." Das Gewicht in meinen Händen wurde weniger, über mir ragte ein Arm, der meine Bücher in das Fach stellte. Langsam ließ ich mich wieder auf meine Füße sinken. „Es kann ja nicht jeder so ein Riese sein wie du, Damian." Als ich mich umdrehte, hatte ich mit seinem typischen Grinsen gerechnet, aber stattdessen sah er mit zusammengekniffenen Augen zu meinem Arm. Mein Lächeln verschwand und ich folgte seinem Blick. Er griff vorsichtig an meinen Ellenbogen und zog mein Handgelenk zu sich heran. Warum fällt ihm immer alles direkt auf? Warum ist er immer so aufmerksam?

„Was ist denn da passiert?" Langsam hob er sein Gesicht und sah mich an. Ich wendete meinen Blick ab, denn ich wusste, das ich es unmöglich schaffen würde, ihm die gleiche Geschichte zu erzählen wie Cole. Vor allem dann nicht, wenn er mich so ansieht. Besorgt. Dabei habe ich Cole keine wirkliche Geschichte erzählt. Ich wollte ihn nicht beunruhigen, denn ich wusste, dass er sich Vorwürfe machen würde, weil er nicht auf mich gewartet hat. Und das will ich nicht. Ich möchte nicht, dass sich jemand für mich verantwortlich fühlt. Ich brauche keinen Aufpasser, ich komme gut ohne klar.

Damian sah mich weiterhin schweigend an. Ich spürte seinen Blick überall auf mir. Auf meinem Arm, in meinem Gesicht. Überall. Es sollte ihn gar nicht interessieren. Warum interessiert es ihn so sehr? Warum sieht er mich so besorgt an? Er soll damit aufhören.

„Das hat aber nicht zufälligerweise etwas mit Tobias blauem Gesicht zu tun, oder?" Blaues Gesicht? Meinetwegen? Habe ich ihn doch härter getroffen, als ich dachte? „Was? Wie...wie kommst du den darauf?", fragte ich leise. „Hat es etwas damit zu tun oder nicht?", fragte er mich erneut, dieses mal mit Nachdruck. Langsam hob ich meinen Kopf und sah ihn an. Die Besorgnis ist aus seinen Augen verschwunden. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und kleine Falten haben sich auf seiner Stirn gebildet. Als ich ihm nicht antwortete, ließ er meine Hand los. Seine Augen suchen in meinen nach Antworten.

Er tritt einen Schritt nach hinten, dreht sich um und verlässt mit schnellen Schritten das Gebäude. Keine Antwort hätte ihn beruhigen können, ganz egal, was ich gesagt hätte. Genau das wollte ich verhindern, stattdessen hab ich es nur schlimmer gemacht. Ich schloss meinen Spind, schulterte meine Tasche und lief Damian nach.

Am Eingang der Schule blieb ich stehen und suchte den Schulhof nach Damian ab. Es dauerte nicht lange, bis ich ihn fand. Er ging mit schnellen Schritten, ohne dabei auch nur ansatzweise komisch auszusehen, quer über den Schulhof. Geradewegs auf seine Jungs zu. Ben, Cole, Elias, Julian, Sam und Tobias standen in einem kleinen Kreis zusammen und schienen sich zu unterhalten.

Der Griff um meine Tasche wurde fester und ich lief ihm hinterher. „Damian. Warte." Einige Schüler blieben stehen. „Damian bitte.", rief ich ihm erneut nach und lief schneller.

Er blieb so abrupt stehen, dass ich gegen ihn lief. Er drehte sich zu mir um. „Lass es bitte. Es sieht schlimmer aus, als es ist. Außerdem geht es mir doch gut.", versuchte ich ihn zu beruhigen. Sein ganzer Körper war angespannt, seine Atmung ging schnell. „Es sieht schlimmer aus, als es ist? Hast du dir mal deine Hand angesehen? Wann ist überhaupt passiert? Warum tut er dir so weh?" „Es war aus Versehen, kein Grund sich aufzuregen..."

„Er hat dir wehgetan Leah. Da kann ich nicht einfach zusehen. Da sieht alles andere als nach einem Unfall aus.", sagte er und seine Stimme wurde leiser. „Wann ist das passiert?" „Nach dem Spiel.", sagte ich leise. Vorsichtig strich er über meinen Arm. Ich lächelte ihn an. „Lass es bitte. Ich will nicht, dass du arger bekommst, nicht meinetwegen und gewiss nicht seinetwegen. Mir geht es gut und es war wirklich keine Absicht." Er ließ den Kopf nach vorne hängen und atmete laut aus. Er sah mich an und ich konnte in seinen Augen den Kampf sehen, den er mich sich führt. Wie sehr er kämpfte, um sich nicht auf der Stelle umzudrehen und auf ihn loszugehen. „Ok. Lass uns rein gehen." Ich nickte und in dem Moment als Damian einen Schritt zur Seite machte, sah ich die Jungs, die sich mittlerweile zu uns umgedreht hatten. Ich zuckte unbewusst zusammen, als ich in Tobias Gesicht sah. Nicht das bunt gefärbte Gesicht hat für den Schauer gesorgt, sondern der Blick, den er mir schenkte. Obwohl er noch wenige Schritte von entfernt stand, konnte ich die Wut deutlich spüren. Er sah mich mit so viel Hass und Ekel an, das ich erneut leicht zusammenzuckte. Was hatte ich ihm getan? Konnte er mir verübeln, dass ich mich gewehrt habe? Warum wollte er mich überhaupt in dieses dumme Auto ziehen? Was habe ich ihm getan, dass er mich so sehr verachtet? Je länger ich ihn ansah, desto intensiver wurde sein Blick.

„Was..?" Damian drehte sich um und sah Tobias an. Keine Sekunde später ließ er meine Hand los und ging auf ihn zu. „Damian!", rief ich ihm nach, folgte ihm und versuchte ihn an der Hand festzuhalten, aber er zog sich sofort wieder los. „Jo. Damian. Alles klar bei dir?", fragte ihn jemand, ich bekam nicht mit, wer es war. Damian ignorierte ihn und stellte sich genau vor Tobias. „Ich hab dich gewarnt.", war das einzige und letzte das Damian sagte, bevor er Tobias mitten ins Gesicht schlug.

Ben und Cole reagierten sofort und zogen ihn von ihm runter. Blut lief aus Tobias Nase. Cole sah erst zwischen Damian und Tobias und dann zwischen mir und Tobias hin und her. Als er die Zusammenhänge verstand, wurde sein Gesichtsausdruck wütend. „Du warst das." „Er war was?", fragte Ben. Damian warf Cole einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. „Hallo? Was hat er gemacht?" Nun sah er mich an. Cole ließ Damians arm los, was dazu führte, das Ben Damian nicht mehr festhalten konnte und Damian erneut auf Tobias losging. Dieses Mal wehrt sich Tobias. Das wollte ich doch alles gar nicht. „Damian..." „Mr. Eaton! In mein Büro. Jetzt.", ertönte die Stimme des Direktors neben mir. 

DamianWhere stories live. Discover now