Kapitel 12 (x)

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Er blieb wenige Schritte von mir entfernt stehen. Ich presste meine Lippen aufeinander, die zu zittern begonnen hatten. Wasser schoss in meine Augen und meine Sicht verschwamm immer mehr. Ich öffnete meine Lippen um etwas zu sagen, aber mein Hals fühlte sich mit einem Mal so trocken an. „Cole...", krächzte ich, dabei wollte ich viel mehr sagen. Auch Cole war scheinbar zu überfordert mit der Situation um einen gescheiten Satz zu bilden. „Leah.."

Schon Komisch, da sah man die Person wieder, von der man dachte man würde sie nie wiedersehen und dann war man nicht in der Lage ein Wort rauzubringen. Ich fühlte mich wie gefangen in meinem eigenen Körper. Mein Kopf wollte so viel loswerden, aber alles wozu ich fähig war, war ihn anzusehen. Cole machte einen Schritt nach vorne und stand nun genau vor mir. Als er mir in die Augen sah, spiegelten sie genau das wieder, was ich fühlte. Wut, Verzweiflung, Verwirrung, Trauer, Unsicherheit und Freude. Ich spürte eine Wärme die mir die Wange entlang lief. Noch bevor ich merkte, das ich zu weinen begonnen hatte, wurde ich von Cole in eine Umarmung gezogen. Er beugte sich leicht zu mir runter und legte seine Arme fest um mich. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Sein Geruch stieg mir in die Nase, er roch noch immer so wie ich es in Erinnerung hatte. Wie sehr ich ihn vermisst hatte. Ich hatte ihn, sein Lachen, seinen Duft und seine dummen Witze so sehr vermisst. Niemals hätte ich gedacht, das ich ihn wieder sehen würde. Inzwischen flossen immer mehr Tränen meine Wange entlang und ich drückte ihn fester an mich. Mir war es egal das ich weinte und uns jeder beobachten konnte. Cole stellte sich aufrechter hin und hob mich somit hoch. Um einen besseren Halt zu haben, schlang ich meine Beine um seinen Körper.

„Ich habe dich so vermisst", sagten wir beide gleichzeitig und brachen so die Stille, was uns zum Lachen brachte. Als wir uns voneinander lösten konnte ich mein breites Lächeln nicht mehr zurückhalten. Die ganze Wut von eben war verschwunden, ich war einfach nur glücklich darüber ihn wiederzuhaben. Cole ließ mich langsam wieder runter, aber ich drückte mich erneut gegen ihn. Ich klammerte mich an ihn aus Angst er könne jeden Moment wieder verschwinden. Bevor er sein Kinn auf meinen Kopf abstützte, gab er mir einen Kuss auf die Stirn und zog mich wieder enger an ihn. Während mir weiterhin dir Tränen übers Gesicht flossen, lächelte ich vor mich hin. So standen wir einfach nur still da, aber irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und fragte ihn das, was mich schon die ganze Zeit beschäftigte.

„Was machst du da...Also hier...Also du... Ich war doch dabei, die Ärzte sagten doch..." Ich bekam keinen vernünftigen Satz zustande und löste mich von ihm, um ihn ins Gesicht sehen zu können. „Was machst du hier?" Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen als er mich ansah. „Ich weiß nicht wovon du redest. Eigentlich müsste ich dich fragen was du hier machst." „Du hattest doch den Unfall und dann wurdest du über 4 Stunden lang notoperiert. Irgendwann kam dann ein Arzt und meinte das deine Verletzungen zu stark waren und sie nichts mehr für dich tun konnten. Auch Chris kam direkt zu mir und hat mir genau das gleiche wie der Arzt erzählt und jetzt stehst du hier, in meiner Schule, vor mir und fragst mich was ich hier mache?" Vorsichtig strich er mir eine Träne weg. „Ja, ich erinnere mich an den Unfall. Aber dank dich lebe ich doch noch, hättest du nicht so schnell einen Krankenwagen gerufen wäre ich vermutlich gestorben. Ich wurde nach 3 Wochen entlassen. Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet das du zu mir kommst. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, weil du nie aufgetaucht bist und das war nicht deine Art. Und als man mir erzählt hat, das dir was zugestoßen ist, wurde meine größte Angst wahr." Er atmete einmal tief durch und trat einen Schritt nach hinten. „Ich wusste nicht wann und wo du hättest beerdigt werden soll. Ich habe Wochen damit verbracht mich zurück zu ziehen. Und wofür? Dafür das du doch Lebst und einfach nichts mehr mit mir zu tun haben willst? Du mich kein einziges Mal besucht. Du hast dich kein einziges Mal gemeldet. Du..." „Cole, hör auf!", unterbrach ich ihn. „Hast du mir überhaupt zugehört? Hast du verstanden was ich dir erzählt habe? Nenn mir doch bitte einen vernünftigen Grund warum ich einen toten im Krankenhaus besuchen sollte? Welchen Anlass habe ich ins Krankenhaus zu kommen, wenn mir der Arzt sagt, das du tot bist? Ich war am Boden und niemand wollte mir etwas über dich oder deine Beerdigung erzählen. Ich habe doch überhaupt nichts falsch gemacht!"

Eine kleine Falte bildete sich auf seine Stirn. „Warte. Du sagtest, Chris hätte dir erzählt, das ich den Unfall nicht überlebt hätte?" Ich nickte. „Ja, das habe ich dir gerade zweimal erklärt." „Warum sollte er sowas sagen?", murmelte er leise und sah auf den Boden. „Warum sollte er dir erzählen, das ich tot sei und mir wiederrum erzählen das du tot seist? Das macht doch überhaupt keinen Sinn." „Cole, ich hatte nie einen Unfall. Nach deinem habe ich nur in meinem Zimmer gesessen und versucht das alles zu verstehen." „Warum erzählt er sowas? Wie konnte er mir das antun? Er wusste wie wichtig du mir bist und ich dachte wirklich er hätte das Verstanden. Leah, du musst mir glauben, das ich das nicht wusste, hätte ich es gewusst hätte ich mich bei dir gemeldet."

Chris war sowas wie der Anführer der Blacks. Seit dem ersten Tag konnte er mich nicht leiden, ich war ihm immer ein Dorn im Auge. Ich hatte alles getan was ich konnte, um ihm zu beweisen das ich kein schlechter Mensch war und ihm keinen Ärger bereiten wollte, aber ihm war das egal. Nach außen sah es immer so aus, als wären wir alle gut miteinander befreundet, denn alles andere hätte uns angreifbar gemacht. Er wollte mich nie dabeihaben, der einzige Grund warum ich aufgenommen wurde, war das ich gut war. Chris hatte schon immer etwas gegen die Freundschaft zwischen Cole und mir. Immer wieder hatte er versucht uns auseinanderzubringen. Und er hatte tatsächlich Erfolg. Er ging wortwörtlich über Leichen um sein Ziel zu erreichen.

Fassungslos schüttelte ich den Kopf. Es hätte uns klar sein müssen. Wir hätten nicht drauf reinfallen dürfen. „Leah, sag doch was.." „Er ist gut. Scheiße, er war verdammt gut." Ich lachte, weil das alles so absurd war. „Er wollte uns auseinanderbringen. Wieder einmal und dieses Mal hatte er es sogar geschafft. Ich habe ihm viel zu getraut, aber das er soweit gehen würde, hätte ich niemals gedacht. Er wollte das ich endgültig verschwinde. Und er wusste, das ich ohne dich nicht mehr zu den Blacks gehen würde und auch keine rennen mehr fahren würde. Scheiße, er war echt schlau." Erstaunt schüttelte ich den Kopf. 

DamianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt