(Un) Perfekt

Epilog

„ganz ruhig. Atme tief ein und aus." Besorgt schaue ich auf meine Schülerin die so ein und ausatmet wie ich es ihr gerade gezeigt habe. Ihre Atmung wird immer wieder von heftigen Schluchzern unterbrochen. Nach einer Weile geht es ihr wieder besser und sie schaut mich dankbar an. „Und jetzt erzähl mir ganz ruhig was passiert ist." Beruhigend streiche ich ihr über den Rücken und warte geduldig darauf das sie das reden anfängt. Zu zweit sitzen wir auf einer Bank im verlassenen Pausenhof. Alle anderen meiner Schüler sind schon lange weg und vermutlich schon auf den Weg in den Urlaub schließlich ist heute der letzte Schultag. So hatte ich mir den Anfang meiner Sommerferien eigentlich nicht vorgestellt, aber als ich nachdem ich meine letzten Sachen zusammengepackt hatte nach draußen gehen wollte fand ich eine meiner Schülerinnen komplett aufgelöst auf der Bank sitzen und konnte schließlich nicht einfach vorbei laufen. „Er hat gesagt, dass er in den Ferien seinen Spaß haben will und ich ihn daran nur hindere. Wie ein Klotz am Bein hat er mich beschrieben. Ich halte ihn zurück und kann ihm sowieso nicht geben was er möchte da ich viel zu verklemmt bin. Und jetzt hat er einfach Schluss gemacht." Wieder bricht sie in Tränen aus nur diesmal laufen sie ihr stumm die Wangen herunter. Erneut reiche ich ihr meine Taschentücher und warte bis sie wieder bereit ist weiter zu sprechen. „Ich dachte nur, das ich mein ‚für immer' gefunden habe genau wie es in den Filmen immer beschrieben wird, aber so wie es aussieht habe ich mich auch dieses Mal getäuscht." Erschöpft und unendlich traurig schaut sie auf den Boden und versucht die erneuten Tränen zurück zu halten. In diesem Moment sieht sie so aus als hätte sie den glauben an die wahre Liebe verloren, als würde dieser Rückschlag all ihre Träume zerstören und als würde sie nach einer Verlorenen Schlacht gleich den ganzen Kampf aufgeben.

„Vielleicht bin ich einfach nicht für die Liebe gemacht." Seufzt sie. Ungläubig schaue ich sie an. Es kann doch nicht sein das eine Jugendliche den Glauben an die Liebe verliert nur weil ein Junge ihr das Herz bricht.

„Du kannst doch nicht einfach den Glauben an die Liebe verlieren nur weil du merkst, dass die vermeintliche Liebe deines Lebens ein Volltrottel ist."

„Ich weiß dass er ein Volltrottel ist, aber er ist perfekt für mich. Sie verstehen das einfach nicht ich dachte er ist der einzig richtige, aber woher wollen sie das schon verstehen?"

„Weißt du, ich war mal in einer sehr ähnlichen Lage wie du es jetzt bist. Ich hab in der Schule einen Jungen kennengelernt und mich in ihn verliebt. Ich war für sehr lange Zeit mit ihm zusammen und schon fast blind vor Liebe. Er hat mit mir die schlimmste Zeit meines Lebens durchgestanden und ich dachte auch, genau wie du jetzt, dass er perfekt für mich ist." Gespannt schaut sie mich an und lauscht meinen Worten.

„Wieso reden sie in der Vergangenheit von eurer Beziehung? Ist etwas passiert?"

Ich lächle sie leicht an „Wie jede gute Liebesgeschichte hat sie ein Ende das für jeden auch ein neuer Anfang war."

„Wie meinen sie das denn schon wieder?" verwirrt schaut sie mir in die Augen. Zufrieden damit das sie nicht mehr weint erzähle ich ihr meine Geschichte weiter.

„Er war wohl doch nicht so perfekt für mich wie ich dachte. Er hat mich nicht so geliebt wie ich ihn geliebt hatte. Eines Tages kam ich etwas früher nachhause als sonst und ich hab ihn mit einer anderen erwischt. Kurz vor unserer Hochzeit. Ich bin dann sofort abgehauen und wusste aber nicht wohin. Als ich so einsam war hat mich meine jetzige beste Freundin gefunden und aufgenommen. Ich hatte wirklich Glück das sie mich gefunden hat. Ab da fing meine Liebesgeschichte erst richtig an. Was ich dir damit sagen möchte ist, nur weil du jetzt unglücklich verliebt bist bedeutet das nicht dass es das Ende ist. Es bedeutet nicht das du nie wieder Liebe finden wirst, sondern das dieser Rückschlag dich lehrt die wirklich wahre Liebe zu erkennen und zu schätzen."

„Wie ging ihre Liebesgeschichte zu Ende?"

„Ich hab mich neu verliebt, in jemanden den ich mir nie hätte vorstellen können. Er ist das Gegenteil von Perfekt und er treibt mich in den Wahnsinn, aber ich hab mich in ihn verliebt und im Nachhinein bin ich verdammt froh das mein erster Freund mir das Herz gebrochen hat, denn hätte er es mir nicht gebrochen hätte ich den Mann meines Lebens nie kennengelernt. Ich hätte mich nie in ihn verliebt, ich hätte so viel in meinem Leben verpasst und ich hätte mich vermutlich nie dazu entschlossen meine Träume zu erfüllen. Ich hätte mich dann vermutlich auch nicht weitergebildet und wäre jetzt nicht deine Klassenlehrerin. Also mach dein Glück nicht von einem Jungen abhängig der dich nicht genauso liebt wie du ihn liebst. Lebe dein Leben so wie du es willst. Erfülle dir deine Träume und warte nicht ewig auf einen Prinzen den es so wie du ihn dir vorstellst wahrscheinlich gar nicht gibt."

„Aber woran erkenne ich dass es der richtige ist?"

„Glaub mir du wirst es in jeder seiner Taten bemerken. Wenn er dein Lieblingsessen für dich kocht, dich durchdrehen lässt und wartet das du dich wieder beruhigst nur um dich dann in die Arme zu nehmen und dich gleich danach wieder auf die Palme zu bringen. Du wirst es in jeden seiner Blicke sehen wie sehr er dich liebt und alles dafür tun würde um dich lächeln zu sehen. Du wirst es merken."

„Redest du wieder über mich?"

Erschrocken drehe ich mich um und sehe Nick auf mich zu kommen. An der Hand hält er unsere Tochter die glücklich ein Eis ist. Er bleibt vor mir stehen und küsst mich kurz auf den Mund, dann schaut er an mir vorbei und sagt zu meiner Schülerin (die zum Glück aufgehört hat zu weinen) „tut mir leid aber ich muss deine liebreizende Lehrerin leider mit nehmen, wir müssen schließlich noch zum Arzt."

Kichernd schaut sie mich an und sagt „danke Frau Anderson, für alles. Aber warum müssen sie denn zum Arzt? Geht es ihnen nicht gut?"

Froh sie wieder lächeln zu sehen lächle ich sie auch an und streichle sachte meinen Bauch bei dem noch nicht viel zu erkennen ist. „Nein, mir geht es gut. Wir schauen nur nach ob es den kleinen auch gut geht."