[28] Ein unfairer Kampf

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EINGEWICKELT IN RANKEN lag die weiße Tigerin am Fuße eines großen Teakbaumes. Sie war nicht bei Bewusstsein, Tarun konnte aber erkennen, dass sich ihr Brustkorb regelmäßig hob und senkte. Er konnte keine offensichtlichen Verletzungen sehen, sodass Tarun davon ausging, dass man seine Freundin auf dieselbe Weise betäubt hatte, wie ihn. Lediglich einige Schürfwunden prangten dort, wo man Narami vermutlich über den Urwaldboden geschliffen hatte, um sie an diesen abgelegenen Ort zu bringen.

»Hallo, Königsmörder.« Lupeshs Stimme war scharf wie die Reißzähne eines Mungos.

»Lupesh! Was soll das hier werden? Was ist mit Narami passiert? Wieso wird sie nicht wach und ist mit all diesen Ranken gefesselt?« Tarun wich keinen Schritt von seiner Partnerin zurück, signalisierte durch das Sträuben seines Rückenfells jedoch deutlich, dass er genau wusste, dass die jungen Löwen für den Zustand seiner Verlobten verantwortlich waren. Auf Lupeshs provokante Begrüßung reagierte er dabei nicht.

»Ihr fehlt nichts. Sie schläft tief und fest. Fürst Erste.« Vanita, die halbwüchsige Löwin ließ ihren Schwanz mit der dunklen Quaste an dessen Ende in der Luft peitschen. »Wir haben ihr ein bisschen mehr von dem Zeug gegeben, womit wir dich gestern Abend ruhiggestellt haben.« Mit ihrer rechten Vorderpranke rollte die Königstochter ein halbes Dutzend Mohnblumenkapseln in Taruns Richtung.

Der Tiger schnüffelte verhalten an den Pflanzenresten und erinnerte sich daran, wo er so etwas schon einmal gesehen hatte.

»Mit dem Saft der Mohnblüten betäuben wir Tiere, die unter starken Schmerzen leiden oder sich in einem anhaltenden Todeskampf befinden, um ihnen endlose Qual zu ersparen. Je nachdem, wie viel man verwendet, wird man entweder nur ruhig und entspannt oder man schläft für eine lange Zeit tief und fest.«

»Guck an! Da kennt sich einer aber gut aus mit der Wirkung von Mohnsaft«, merkte Lokesh an und zuckte mit den Schultern. »Logisch eigentlich. Wenn man so darüber nachdenkt, wen er damit schon alles aus dem Weg geräumt hat.«

»Ich habe was?« Tarun blickte jeden der Löwen abwechseln in die Augen. Dennoch konnte er nicht mit Sicherheit sagen, was sie mit dieser Aktion beabsichtigten. Erlaubten sie sich einen üblen Scherz mit ihm oder wollten sie ihn auf irgendeine Probe stellen?

»Also wenn das so ein Löwending ist, das ihr hier mit uns abzieht, dann möchte ich euch bitten, mir die Regeln zu erklären, bevor ihr meine Partnerin und mich, ohne zu fragen, schlafen legt.«

»Löwending!« Vanita prustete los und spie Tarun dabei eine Ladung Spucke ins Gesicht. »Wir machen hier kein Löwending. Im Gegenteil. Unser Vater handelt ganz und gar nicht wie ein richtiger Löwe. Lässt einfach Tiger unsere Gäste sein. Ich fürchte, er wird ein wenig wunderlich auf seine alten Tage.«

Lupesh und Lokesh stellten sich links und rechts neben ihre Schwester und ließen ihre Zähne aufblitzen.

»Das käme dir ganz recht, nicht wahr?«, sprach Lupesh Tarun an und verengte die bernsteinfarbenen Augen.

»Wovon redet ihr?« Tarun bemühte sich, weder nervös noch aggressiv zu reagieren. Sein Vater hatte ihm beigebracht, dass ein Mitglied der königlichen Familie stets um Deeskalation bestrebt sein sollte. »Jagannath ist ein guter Herrscher und freundlicher Gastgeber und ich bin überzeugt, dass weder ich, noch irgendeiner meiner Begleiter dies nicht zu schätzen weißt. So bitte ich euch darum, mir zu erklären, warum ihr meine Freundin und mich betäubt und sie hierhin verschleppt habt.«

»Das ist eigentlich ganz einfach«, ergriff Vanita erneut das Wort. »Wir mussten dich ja irgendwie hierher locken und das geht nun mal am besten, wenn wir dir das Wichtigste wegnehmen, das du hast, deine Geheimwaffe: Narami.«

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⏰ Last updated: Nov 18, 2023 ⏰

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Tarun und der Fluch der NagasWhere stories live. Discover now