[20] Der Monsun

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SIE WAREN NOCH nicht lange wieder unterwegs gewesen, als es schlagartig anfing, zu regnen.

»Muss das ausgerechnet jetzt regnen? Man hat ja sonst keine Probleme«, murmelte Narami schniefend vor sich hin.

»Ihr seid doch nicht aus Zucker, meine jungen Freunde. So ein erfrischender Regenschauer weckt die müden Lebensgeister und reinigt so ganz nebenbei das Fell«, freute sich hingegen der alte Hanuman über die feuchtfröhliche Abkühlung.

»Nur, dass das schon keine kleine Regendusche mehr ist, sondern sich so langsam eher wie ein beginnender Monsun anfühlt«, verfluchte schließlich auch Tarun das Wetter.

»Die Tiger haben recht. Ich kann bei so einem starken Regen nicht mehr fliegen. Wir müssen uns irgendwo unterstellen und hoffen, dass es bald wieder aufhört zu regnen«, pflichtete Cheeky seinen Freunden bei.

»Schön, schön. Ich merke schon. Die Jugend von heute hält nicht mehr so viel aus, wie wir unserer Zeit«, gab sich Hanuman geschlagen und beendete seinen Satz mit einem lauten Niesen.

»Da hast du es, Hanuman. Schon bist du erkältet. Aber Hauptsache erst mal stänkern«, schmunzelte Narami.

»Wer stänkert denn hier? Ha-ha-ha-tschiii!!!!«

»Wisch deinen Schnodder bloß nicht an meinem Fell ab«, fürchtete Tarun um die Unversehrtheit seines Pelzes.

»Ich sag es ja. Empfindlich, diese jungen Leute«, murmelte Hanuman ein letztes Mal und dann wurden die Freunde ganz still und schleppten sich durch den prasselnden Regen.

Als ihr Fell schon vor Wasser triefte, entdeckte Narami unverhofft eine kleine Höhle mitten im Wald.

»Darin können wir uns erst mal unterstellen, bis der Regen hoffentlich bald aufhört«, schlug die Weiße vor.

»Wir sollten allerdings achtsam sein und zuvor nachschauen, ob jemand in der Höhle wohnt. Wir wollen ja nicht vom Regen in die Traufe kommen«, ermahnte Tarun zur Vorsicht.

Dann schlichen die beiden Tiger verhalten voran, während Cheeky ohne jeden Skrupel in die Höhle flatterte und sich dort eine Stelle zum Sitzen suchte.

»Cheeky, sei vorsichtig! Wenn du erst mal bei einem Raubtier im Maul liegst, können wir nichts mehr für dich tun«, tadelte Narami das unvorsichtige Handeln des Vogels.

»Ach, sei nicht so eine Feighose! Hier ist doch niemand. Wer soll denn schon freiwillig in einer dunklen Höhle hausen?«, fragte Cheeky völlig unsensibel.

Als er dann jedoch Naramis empörtes Gesicht sah, fiel ihm wieder ein, dass Tarun von seiner ersten Begegnung mit der weißen Tigerin erzählt hatte. Sie lebte einen großen Teil ihres bisherigen Lebens allein in einer Höhle, mitten im Wald.

»Verzeih mir, Narami. Ich bin so ein Plapperschnabel. Ich rede oft schneller, als ich denke. Aber möglicherweise ist der Bewohner dieser Höhle ja genauso nett, wie du?«

»Cheeky, vielleicht ist es besser, wenn du zunächst dein Gefieder zurechtrückst und vorläufig nichts mehr sagst«, unterbrach Tarun das Geschwätz des zerzausten Papageis.

Dieser verzog sich in eine hintere Ecke der Höhle und begann seine Federn zu putzen und zu fetten. Die Tiger taten es ihm gleich und kümmerten sich um ihr nasses Fell und Narami half dem alten Hanuman bei dessen Körperpflege.

»Aber meinen Popo mache ich selbst sauber, junge Dame!«, prustete der Affe gespielt empört und hob wieder einmal seine kleine Faust in die Höhe, wobei er erneut Naramis Richtung leicht verfehlte.

Die Stimmung erhellte sich dadurch so langsam wieder, obwohl die Dunkelheit der Höhle unsere Freunde umgab und ihnen kaum eine Möglichkeit zum Sehen ließ.

Nach etwa einer halben Stunde waren Pelze und Federn den Umständen entsprechend trocken und Cheeky hatte seine Bürzeldrüse strapaziert, um sein Gefieder einigermaßen rückzufetten.

»Noch so eine Dusche und ich muss auch von euch getragen werden«, murmelte er, als er sich wieder zu seinen Freunden gesellte.

»Das hättest du wohl gerne, Vögelchen«, grummelte Tarun, der sich bereits zum Schlafen niedergelegt hatte.

Kurz darauf steckte auch Cheeky seinen Schnabel ins Rückengefieder, zog eines seiner Beinchen ein und schloss erschöpft die Augen.

Die vier unfreiwilligen Abenteurer fielen in einen unruhigen Schlaf und als Narami nach einer Weile die Augen wieder öffnete, bemerkte sie, dass es offenbar aufgehört hatte zu regnen. Das plätschernde und prasselnde Geräusch war verstummt. Dafür schien eine Menge Wasser in die Höhle eingedrungen zu sein. Ihre Vorderpfoten standen fast drei Zentimeter tief im Nassen und der Wasserpegel wirkte kontinuierlich zu steigen. Schnell stupste sie Tarun an der Schulter an, um ihn zu wecken.

»Hey, Tarun! Wach auf! Die Höhle steht bald komplett unter Wasser. Wir müssen hier raus. Tarun!«

Aber der junge Tiger grummelte nur leise vor sich hin und dachte nicht im Traum daran, aus seiner gemütlichen Position aufzustehen.

»Was ist denn los, Narami? Lass uns doch ein bisschen länger schlafen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns und die Morgendämmerung ist noch fern.«

»Uns dämmert aber gleich etwas anderes, wenn wir hierbleiben. Oder bist du scharf darauf, erneut ein klitschnasses Fell zu kriegen?«, drängelte Narami ihren Verlobten weiter, endlich aufzustehen.

In diesem Moment erreichten die Wassermassen Hanuman, der wie vom wilden Affen gebissen aufschreckte.

»Was ist denn jetzt schon wieder los? Warum ist hier so viel Wasser? Gehen wir alle unter?«, rief er aus und sprang von einem Fuß auf den anderen.

»Beruhige dich, Hanuman! Wir müssen aus dieser Höhle raus. Der Regen hat aufgehört, aber hier wird bald alles überflutet sein. Wo ist Cheeky?« Tarun blickte sich suchend nach seinem gefiederten Wegbegleiter um.

»Er hat dort gesessen, als wir eingeschlafen sind. Weit kann er nicht gekommen sein, hier drin«, grübelte Narami und begann an der Stelle zu schnüffeln, an der sie den grünen Vogel das letzte Mal gesehen hatte.

»Hier drinnen ist es so feucht und moderig, ich bin nicht sicher, ober ich seinen Geruch aufnehmen kann«, merkte die weiße Tigerin an.

»Du bist kein Wolf, Narami. Mach dir keine Vorwürfe«, tröstete Tarun seine Freundin.

In diesem Moment schallte ein Hilferuf durch die Höhle.

Cheeky.

Tarun und der Fluch der NagasWhere stories live. Discover now