[18] Sitzt ein Tiger auf dem Baum

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AUF IHREN WEG wurden Tarun und seine Freunde noch einige Male von Tieren beschimpft, aber die meisten von ihnen gingen den Dreien aus dem Weg und schenkten ihnen lediglich missgünstige Blicke.

Als es begann zu dämmern, legten Tarun, Narami und Hanuman sich unter einen geschützten Felsvorsprung und machten ein Nickerchen, bevor sie das letzte Stück Weg bis zur Grenze von Deveshs Reich zurücklegten.

Es war bereits dunkel und viele Tiere schliefen. Aber einige – besonders die Raubtiere – waren erst jetzt richtig aktiv, was die weitere Reise für die beiden Tiger und den blinden Affen nicht gerade ungefährlicher machte. Denn außerhalb der Grenzen des Königreichs herrschten andere Gesetze. Die Gesetzte der Stärkeren. Anstelle eines einzigen großen Gebietes, indem viele Tiere friedlich nebeneinander leben, hatte hier draußen jedes Raubtier sein eigenes Revier, welches es mit all seiner zur Verfügung stehenden Kraft gegen Eindringlinge und Nahrungskonkurrenten verteidigte.

»Wir müssen ab jetzt all unsere Sinne beisammen halten. Sobald wir auch nur den Hauch einer Markierung durch einen fremden Tiger wittern, müssen wir eine andere Richtung einschlagen«, schlug Tarun vor und nahm unbewusst eine geduckte Haltung ein.

»Ich verlasse mich ganz auf euch jungen Leute. Meine Sinne sind leider nicht mehr das, was sie einmal waren. Weder könnte ich einen anderen Tiger riechen, noch hören und schon gar nicht sehen«, wimmerte der blinde Hanuman.

»Keine Sorge, wir passen auf dich auf. Halt dich einfach weiterhin gut an Taruns Fell fest«, beruhigte Narami den Alten und dann schlichen die drei weiter durchs Unterholz – Nasen und Ohren stets auf ihre nähere und entferntere Umgebung gerichtet.

Doch sie schienen das Glück auf ihrer Seite zu haben. Bis zur Morgendämmerung konnten sie ihre Reise ungehindert fortsetzen. Bis auf eine Herde Elefanten, die ebenfalls auf der Durchreise war, begegneten ihnen keine größeren Tiere. Diese Glückssträhne sollte allerdings nicht lange andauern. Nachdem sich die Freunde im Morgengrauen erneut ein vermeintlich sicheres Versteck gesucht hatten, wurden sie unsanft aus ihrem Schlaf geweckt.

»Tarun, hörst du das? Hier scheint ein fremder Tiger in der Nähe zu sein«, flüsterte Narami den noch schlaftrunkenen Tarun zu.

Dieser gähnte erst einmal leidenschaftlich und streckte seine müden Knochen. Dann spitzte er die Ohren und schaute seine Freundin fragend an.

»Wo denn? Ich höre nichts«, sagte er und schnüffelte ebenfalls in der Gegend herum, konnte aber keinen Tigergeruch feststellen.

»Narami, du hast bestimmt nur schlecht geträumt. Das ist ganz normal in so einer Ausnahmesituation. Leg dich wieder hin und versuche, noch ein wenig Schlaf zu finden. Es liegt ein weiter Weg vor uns«, beruhigte Tarun seine Verlobte.

»Ich hoffe, du hast recht«, murmelte Narami und versuchte, wieder einzuschlafen.

Aber kaum, dass Tarun bereits wieder leise vor sich hin schnarchen, hörte die weiße Tigerin erneut das Rufen eines fremden Tigers und er schien ganz in der Nähe zu sein. Ruckartig sprang sie auf ihre Füße und blickte sich suchend um. Durch ihre Panik schreckten auch Tarun und Hanuman auf und schauten sie grimmig an.

»Narami, da ist nichts. Das sind bloß deine Nerven«, grummelte Tarun und Hanuman rieb sich verschlafen die getrübten Augen.

»Im Gegensatz zu dir verarsche ich meine Freunde nicht, Tarun«, erwiderte Narami fauchend und sprach damit Taruns Scherz mit dem tigerfressenden Monster an.

»Das behaupte ich auch gar nicht. Ich denke nur, dass dir deine Nerven einen Streich spielen. Ich höre nichts, außer dem Krächzen eines komischen Vogels«, rechtfertigte sich Tarun.

Tarun und der Fluch der NagasWhere stories live. Discover now