[05] Die Sorgen einer Mutter

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IN DER ZWISCHENZEIT waren Taruns Eltern fernab der Abenteuer ihres Sohnes aus einem unruhigen Schlaf erwacht. Seine Mutter Veda ging als Erstes zum Schlafplatz des Prinzen, um nachzusehen, ob er bereits zurückgekehrt war. Er ist nicht nach Hause gekommen, dachte sie traurig, als sie den verwaisten Platz unter der alten Akazie sah. Die Sonne blinzelte hinter den hohen Bäumen hervor und die Tiere des Dschungels erwachten langsam zu neuem Leben. Dennoch lag eine friedliche Stille in der Luft, die der Tigerin ein beruhigendes Gefühl gaben. Devesh hat recht. Unser Sohn ist mutig und klug. Was sollte ihm schon widerfahren sein?

Als Veda anschließend zu einem kleinen See hinter dem königlichen Domizil ging, um ihren Durst zu stillen, belauschte sie zufällig ein Gespräch zwischen ein paar Wanderbaumelstern, die hektisch in einem Banyan-Feigenbaum auf und ab hüpften.

»Hast du das auch gehört?«, fragte die eine die andere und flatterte dabei aufgeregt hin und her. »Die alte Shiva ist heute Nacht wieder durchgedreht. Sie soll einen jungen Tiger angegriffen haben.«

»Selbst Schuld«, antwortete ein zweiter Vogel. »Wer ist schon so dumm und legt sich mit dieser Furie an? Dann haben ihn die Geier geholt ... oder hat er es überlebt?«

Den letzten Halbsatz und die Antwort auf diese Frage hatte die Königin nicht mehr vollständig verstehen können. Ein Greifvogel scheuchte im Wald hinter ihr zahlreiche Vögel auf und diese übertönten bei ihrer lautstarken Flucht das Gespräch der Elstern. Veda hörte nur noch den Teil mit den Geiern und rannte im selben Augenblick zurück zu ihrem Gemahl. Natürlich malte die besorgte Mutter sich sofort das Schlimmste aus.

War der junge Tiger, von denen die Vögel sprachen, ihr Sohn Tarun? Wurde er wirklich von der alten Shiva getötet und dann von den Geiern geholt? Das wäre das Fürchterlichste, was passieren könnte. So schnell ihre betagten Pfoten sie tragen konnten, lief Veda zurück zu König Devesh, der nichtsahnend an einem kleinen Hirsch knabberte, den er am Tag zuvor erbeutet hatte.

»Tarun!« Das war das erste Wort, das die Königin im Stande war zu rufen. »Tarun«, sagte sie erneut, als sie völlig außer Atem bei ihrem Mann ankam und sich erschöpft zu ihm niederließ.

Der König wunderte sich, was denn passiert sei, und ging auf seine Frau zu.

»Veda, was ist los? Was ist mit Tarun?«, fragte er sie. »Ist er wieder zu Hause? Wo ist er?«

Die Königin zitterte am ganzen Körper und konnte zunächst keine Antwort geben.

»Was ist geschehen, Veda? Warum zitterst du? Sprich doch.« Der König wurde langsam ebenfalls nervös beim Anblick seiner völlig aufgelösten Gemahlin. Devesh setzte sich daraufhin neben seine Königin, welche den Tränen nahe war.

»Shiva. Shiva hat diese Nacht einen jungen Tiger attackiert. Er ist gestorben. Die Geier haben ihn geholt. Genau in der Gegend, in der unser Sohn sich momentan aufhält, soll alles passiert sein. Das ist so furchtbar. Devesh, unser Sohn ist ...« Die Königin brach in bitteren Tränen aus. »Ich habe dir gesagt, schick ihn nicht fort, aber du hast nicht auf mich hören wollen«, warf sie ihrem Mann vor.

Dieser hörte Kritik an seiner Person und seinen Entscheidungen überhaupt nicht gerne, auch nicht von seiner Frau.

»Beruhige dich jetzt, Veda! Noch gibt es keinen Grund, hysterisch zu werden«, knurrte er, fand aber rasch wieder die Beherrschung. »Tarun ist schlau, schnell und stark. Es war sicher nicht unser Sohn, der sich mit dieser wahnsinnigen Elefantin angelegt hat. Er ist klug genug, ihr aus dem Weg zu gehen. Du kannst ihn nicht ewig bemuttern und in Watte packen. Er ist alt genug, selbst auf sich aufzupassen. Und dass er das kann, hat er schon so oft unter Beweis gestellt. Ich habe ihn fortgeschickt, um die Erfahrungen zu sammeln, die er als künftiger König braucht und, um eine Partnerin zu finden.« Den letzten Teil des Satzes sprach Devesh etwas leiser aus und zuckte beiläufig mit den Schultern.

Der König versuchte, seine Gemahlin zu beruhigen, aber sie ließ sich nicht von ihren Ängsten abbringen.

»Ich werde einen Suchtrupp nach Tarun aussenden. Ich kann erst aufatmen, wenn ich weiß, dass er am Leben und unversehrt ist«, sagte sie bestimmt.

König Devesh war davon nicht begeistert, aber damit seine Frau endlich beruhigt war, stimmte er in ihren Vorschlag ein. Es dauerte nicht lange, bis sich sämtliche flugfähige Vertraute des Königs in die Lüfte erhoben, um nach dem jungen Prinzen Ausschau zu halten.

»Kommt sofort zurück, wenn ihr den Prinzen gefunden habt, und sagt uns, wie es ihm geht!«, rief die Königin Garuda, dem Anführer der Flugtruppe, zu.

Devesh fügte noch hinzu: »Aber lasst euch nicht sehen, er soll allein wieder zurückfinden und weiterhin denken, dass wir ihm vertrauen!«

Der Minister nickte und flog dann in die Richtung, in der Tarun vor einem Tag gegangen war.

»Hoffentlich kommen sie mit guten Meldungen zurück«, flüsterte die Königin zu sich selbst.

»Das werden sie«, antwortete Devesh souverän und widmete sich wieder seinem Frühstück.

Tarun und der Fluch der NagasNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ