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Lucy:

Sprachlos stehe ich meinem Zukünftigen gegenüber und sehe ihn starr an. Dieser eiserne Blick lässt meinen ganzen Körper zittern, denn er zeigt genauso den Kampfgeist, den ich auch zeige.

Über meine Lippen kommt noch immer kein Wort und der dicke Kloß in meinem Hals macht mir das Schlucken schwer. Minutenlang stagnieren wird und blicken uns in die Augen.

Obwohl es nicht der richtige Moment dafür ist, fällt mir eine große Last von den Schultern, weil ich weiß, dass Jason dem Ganzen genauso gegenübersteht, wie der Großteil des Volkes und ich.

Seine Hand wandert an meine Wange, wo sie mich sanft streichelt. Blitze zucken durch meine Arme und Beine und ein Schauer überkommt mich. Aus seinem Mund ertönt ein raues Lachen, was sich gerade perfekt anhört.

"Ich will dich zu nichts drängen, Lucy. Aber ich sehe den Ausdruck in deinen Augen, wenn du meinen Vater ansiehst oder als du mich das erste Mal gesehen hast. Du strotzt nur so vor purem Hass und Abscheu gegenüber dieser Monarchie und ich will einfach nur, dass du weißt, dass ich genau so denke und ich dich mit allen Mitteln in allem unterstützen möchte", ergreift Jason das Wort.

Seine Worte sind wie Balsam für meine Seele und ich merke, wie er immer mehr einen Platz in meinem Herzen ergattert. Meine Schultern werden wieder schwerer und mein Kopf wieder voller. Denn es gibt noch Liam, der sich auch immer mehr Teile von meinem Herzen erkämpft.

"Es tut mir leid, Jason. Ich kann dir nichts erzählen, zumindest noch nicht. Und egal, wie sehr ich es wollen würde, bring ich es einfach nicht über mich, dich auch noch in die ganze Sache mitreinzuziehen", hauche ich und bemerke die Verletztheit in Jason's Augen. Er wendet seinen Blick von mir ab und atmet hörbar aus. Seine Beine setzen sich in Bewegung und öffnet mit der rechten Hand zitternd die prunkvolle, weiße Tür.

Ich schlinge meine Arm um meinen Oberkörper, um die Kälte abzuschirmen, die mich umgibt, als Jason einen letzten Blick auf mich wirft und die Tür letztendlich schließt. Still verlässt eine Träne meinen Augeninnenwinkel und sogleich wische ich sie weg. An einem nahestehendem Tisch nehme ich Platz und stütze mich mit meinen Armen ab. Meine Augen wandern umher und entdecken mein heißgeliebtes Lieblingsbuch ein paar Meter entfernt.

Als ich es in meinen Händen halte, beginne ich unwillkürlich zu lächeln und streiche sanft mit meinen rauen Fingerkuppen über den Umschlag. Seufzend schlage ich es auf und lese einige Zeilen, als sich die Tür wieder öffnet und ich einen der Königsgarde im Türrahmen entdecke. Wissend nicke ich, erhebe mich von meinem Platz, stelle das Buch an seinen rechtmäßigen Platz und verlasse daraufhin die Bücherei, sowie das Schloss.

Mein Weg führt mich zu dem kleinen Café, das einladende Lichter in das bereits dämmrige Stadtviertel wirft. Die kleine Glocke über der Tür erklingt, als ich eintrete und mich setze. Seufzend lasse ich meinen Blick über die Tische schweifen und entdecke Liz an einem abgelegenen Tisch in der Ecke. Doch sie sitzt nicht allein. Ein junger Mann, den ich als Liam identifizieren kann, hat den Platz ihr gegenüber eingenommen.

Verletzt wende ich meinen Blick ab und überlege, was ich als nächstes machen soll. Ich kann nicht einfach gehen, obwohl sie vermutlich sowieso kein Auge auf mich werfen würden. Trotzdessen ist es zu gefährlich. Verzweifelt fahre ich mit meinen Fingern durch die krausen Haare und verheddere mich sofort in ihnen. Zischend löse ich meine Finger unter dem Ziepen. Noch immer sitze ich ratlos auf dem Stuhl und überlege wie wild, um eine Lösung zu finden.

Scheinbar habe ich Liz und Liam angestarrt, da Liz plötzlich ihre Augen aufreißt und sich ein Lächeln auf ihre Lippen legt. Auffordernd winkt sie mich zu sich und Liam. Sofort wende ich meine Augen von den zweien ab und stehle mich schneller, als sie gucken können, aus dem Laden und beginne zu rennen. Die nächtliche Luft umgibt mich und lässt meinen Körper zittern. Mein Atem geht stoßweise und meine Lungen brennen, wie Feuer, genau wie meine Beine, die mein Gewicht tragen.

Stockend verringere ich meine Tempo und stolpere dabei fast über meine eigenen Füße. Der Schweiß und die Anstrengung stehen mir ins Gesicht geschrieben. Schnellen Schrittes gehe ich trotzdessen weiter und lasse mich auf einer alten hölzernen Bank im Central Park nieder. Die Laternen versetzen den Park in schummriges Licht. Rascheln der Bäume, das durch den Wind hervorgerufen wird, ist zu hören.

Mein Kopf legt sich, wie automatisch, in den Nacken. Starr blicke ich in den Sternenhimmel und entdecke eine Sternschnuppe, die mich schmunzeln lässt. Freiheit. Mein Wunsch ist die Freiheit für alle Menschen. Doch ein Wunsch alleine genügt nicht. Man muss diesen Wunsch in Taten umsetzen und selbst aktiv helfen, um den Traum zu verwirklichen. Und irgendwann wird sich alles regeln und die Menschen können endlich leben. Und hoffentlich ereilt mich auch dieses Privileg.

Die KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt