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Lucy:

Die warme Luft schlug mir entgegen. Und gleich fühlte ich mich wieder frei. "Im Übrigen: Du siehst heute wunderschön aus." Meine Wangen röteten sich bei Jason's Worten und ein Lächeln konnte ich nicht unterbinden. "Danke." Still setzten wir unseren Weg fort. An einem kleinen Pavillion machten wir Halt und nahmen auf einer Bank Platz. Es war wunderschön. Die Blumen, die sich in dem sanften Wind bewegten. Die Bäume, die so stark und standhaft wirkten. All die Kleinigkeiten vereint, ergaben ein kleines Meisterwerk.

Ich sog die frische Luft in mich ein und der leicht holzig-blumige Geruch entzückte meine Geruchsnerven. "Du magst die Natur?" "Ja, ich liebe sie. Ich finde viel zu selten die Zeit, einfach nur da zusitzen und die Stille zu genießen." "Geht mir genauso. Obwohl ich noch nicht König bin." Ein Seufzen verlässt seinen Mund und er schließt kurz die Augen.

"Du willst nicht König werden?" Meine Stimme klang sanft. Ich wollte nicht wie ein Anti-Monarchist wirken. "Nicht wirklich. Es ist mit viel Stress verbunden. Zudem habe ich die Sorge, dass ich das alles nicht stemmen kann. Ich meine alles lastet auf den Schultern eines Menschen. Und dieser eine Mensch muss Entscheidungen für ein ganzes Volk, welches nicht mitentscheiden kann, treffen."

"Was würdest du gerne machen wollen?" "Ich würde gerne irgendwas Kreatives machen. Ich male und zeichne für mein Leben gern und auch die Musik lässt mich nicht kalt. Als kleiner Junge habe ich Klavier und Geige gelernt und bis heute liebe ich es. Ich kann meine Gefühle in meinem Spiel übermitteln. Mein Vater sieht dies jedoch als Schwäche und will, dass ich spiele, aber nicht fühle. Er denkt ich wäre angreifbar, aber ist es nicht eine Stärke seine Gefühle zeigen zu könne?"

"Zu wenige Menschen zeigen ihre Gefühle offen und ehrlich. Deswegen hör nicht auf deinen Vater und mach das, was du für richtig hältst und sei der, der du sein willst. Zu viele verstecken sich hinter einer Fassade oder lassen sich zu etwas zwingen, was sie nicht sind. Du sollst das nicht und schon garnicht in meiner Nähe. Du darfst und sollst immer du selbst sein. Mehr will ich nicht." Ich lächle ihm aufmunternd zu.

"Du überraschst mich immer wieder aufs neue, Lucy Tembal. Ich bin wirklich froh, dass ich mich beim Ball überwunden habe dich zum Tanz aufzufordern. Um ehrlich zu sein, hatte ich Angst, dass du ablehnen würdest." Er lachte und ich stieg mit ein. "Jetzt bin ich ehrlich. Ich dachte du wärst, wie dein Vater. Versteh mich nicht falsch. Deswegen hatte ich nicht wirklich Lust mit dir zu tanzen, aber mittlerweile bin ich glücklich darüber, dass ich über meinen eigenen Schatten gesprungen bin."

"Keine Sorge. Ich weiß was du meinst. Mein Vater hat seinen eigenen Kopf und viele Entscheidungen verstehe ich nicht, aber bisher kann ich nichts ausrichten. Ich will alles anders machen. Ich will besser werden und eine so tolle Frau, wie du es bist, an meiner Seite haben. Alles was ich vorhin gesagt habe, war auch so gemeint. Du machst mich glücklich."

Wir blickten uns in die Augen. Der Moment fühlte sich so real an. Anders als mit Liam, aber auch perfekt. Jason näherte sich bedacht. Er schien meine Reaktion abzuwarten. Ein kleines Nicken meinerseits und schon lagen seine weichen, geschwungenen Lippen auf meinen. Synchron bewegten wir sie und die Welt schien still zu stehen. Alle Sorgen vergessen. Es schien als wäre alles im Reinen.

Kurz darauf lösten wir uns. Wir lächelten uns zaghaft an. Er umschloss meine Hand mit seiner. So saßen wir noch eine ganze Weile da bis wir uns auf den Rückweg zum Schloss machten. Bevor wir das Gebäude betraten, hielt Jason mich zurück. "Warte. Bevor wir reingehen, will ich dir sagen, dass du perfekt bist. Du bist alles was ich will. Und ich mag dich. Ich hoffe, dass wir noch einige Zeit in Zukunft verbringen werden."

Mein Lächeln wurde breiter und ein komisches, jedoch angenehmes Kribbeln machte sich in mir breit. "Nichts lieber als das, Jason. Ich will auch noch viel Zeit mit dir verbringen." Da er bemerkte, dass ich etwas sprachlos war, gab er sich mit der Antwort zufrieden und ein Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit. Wir betraten das zu Hause von Jason. Da es schon relativ spät war, brachte er mich zur Kutsche und verabschiedete sich mit einem kurzen Küsschen von mir.

Er wartete noch bis die Kutsche nicht mehr in Sichtweite war. Ich atmete auf. Der Tag war sehr ereignisreich und auslaugend. Aber trotzdessen war er schön. Gerne würde ich das alles, was wir nach dem Interview gemacht hatten, wiederholen. Wieder bei mir angekommen, lief ich schnurstracks in mein Zimmer und machte mich bettfertig.

Jetzt lieg ich hier und zerbreche mir über alles die Welt. Liam und Jason. Die Monarchie. Den Tag. Die Zukunft. Jason war das Gegenteil seines Vaters und mir erschien es als wäre er auch gegen die derzeitige Regierungsform. Vielleicht würde er mich bei meinem Plan unterstützen. Doch das sind nur Spekulationen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Und wer an meiner Seite sein wird.

Die KriegerinWhere stories live. Discover now